06 November 2025

Danke Donald Trump (Focus-Briefing)

Vielen Journalisten gilt er als Monstrum. Aber von Donald Trump kann man auch lernen
Danke Donald Trump (Focus-Briefing)
von Thomas Tuma, 06.11.2025
Liebe Leserin, Lieber Leser,
heute vor genau einem Jahr ist Donald Trump zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt worden. Finden Sie auch, dass er eine faschistoide Karikatur ist, die die Welt an den Rand des Untergangs regiert? Dann bitte hier nicht weiterlesen, denn lieber lade ich Sie ein, den Rest dieser Kolumne mit mir darüber nachzudenken, was man von Trump lernen kann.
Ich werde immer leicht unruhig, wenn gefühlt 98 Prozent aller deutschen Medien mir das gleiche Bild vermitteln. Es sind übrigens jene Medien, die mir vor der US-Wahl monatelang missionarisch einzuhämmern versucht hatten, dass Trumps Konkurrentin Kamala Harris eine geradezu gottgleiche Präsidentin wäre und wohl auch das Rennen macht.

Von Harris hörte man nach ihrem Aus nicht mehr viel Gutes. Trump gewann klar, gewählt von 77,28 Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern. Weil er den Ungehörten eine Stimme gab. Weil er wie kein anderer spürte, dass das Gros seiner Landsleute die Arroganz der Macht in Washington satt hatte. Auch die linksliberale Blasiertheit an vielen Elite-Unis. Er ist der Schutzpatron der Unverstandenen. Und das waren nicht nur die Verlierer der Globalisierung, sondern Mittelschichtsfamilien, Konservative, Menschen auf dem Land.

Das hält auch für Journalisten eine Lehre bereit: Es ist schon recht hilfreich, wenn man erstmal die Wähler, also ein Land zu verstehen versucht, bevor man Politiker beschimpft, die einem persönlich nicht gefallen. Daran hapert’s bei uns mehr denn je.

Trump schenkte seinen Anhängern darüber hinaus einen neuen Stolz sowie einen Schlachtruf, der in seiner Einfachheit zum Besten gehört, was politische PR je geleistet hat: Make America Great Again! MAGA! Klar, kurz und konsequent. Derart aufgeladen mit Kraft begann er, sich mit allem anzulegen, was an globalen Institutionen längst in schläfriger Agonie erstarrt war.

Trump wurde eine Art Schocktherapie.
Weckruf und Warnung gleichermaßen. Für die satten Vereinten Nationen. Für dieses komische Europa in seiner vielstimmigen Unregiertheit. Auch für die Nato, deren militärisch überwiegend mickrige Mitgliedsstaaten dachten, dass die USA sie schon weiter für wenig Geld beschützen würden. Seine Präsidentschaft zwang nicht nur Amerika zu einer Auseinandersetzung mit unliebsamen Themen wie Ungleichheit, Identität, Globalisierung, Migration und Medienvertrauen, Freund und Feind, Krieg und Frieden.
Trump riss uns aus unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit. So viel schöpferische Zerstörung ist meist schmerzhaft. Für alle Beteiligten. Sogar für ihn. Seine Umfragewerte erodieren, weil sich die versprochenen Erfolge zu Hause noch nicht wirklich manifestieren. Vergangene Nacht gewannen sogar erstmals wieder Vertreter der Demokratischen Partei wichtige Wahlen, wenn auch nur punktuell (siehe weiter unten). Aber aus seinem Aktionismus kann man letztlich ja sogar Lehren ziehen, wo man ihm besser nicht nacheifern sollte. Auch da gibt es einiges zu lernen.


Trotzdem ist Trump auf der Weltbühne längst der unumstrittene Hauptakteur. Insofern, und das ist für mich Trumps letzte große Leistung, zeigt er uns auch, was passiert, wenn einer wie er als Ventil unvermeidbar wird. Noch können wir uns das ersparen. Schön würde das nämlich nicht unbedingt werden.

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