19 November 2025

Der andere Blick Die SPD verharrt in der Scholz-Starre: Die Unbeweglichkeit im Rentenstreit ist anmassend (NZZ)

Der andere Blick

Die SPD verharrt in der Scholz-Starre: Die Unbeweglichkeit im Rentenstreit ist anmassend (NZZ)
Von Susann Kreutzmann, 19.11.2025, 3 Min
SPD-Chef Lars Klingbeil schliesst Kompromisse im Streit über das Rentenpaket aus. Damit untergräbt er die Arbeit des Parlaments und schadet dem Land.
Die Abgeordneten haben das letzte Wort. Das sind nicht nur die Spielregeln, sondern die Grundfesten einer parlamentarischen Demokratie. Es ist die ureigenste Aufgabe des Parlaments, Gesetze zu beschliessen, zu verändern oder zu verwerfen. Das gilt auch für das Rentenpaket, an dem die Sozialdemokraten im Bundestag so starrsinnig festhalten.
Umso befremdlicher ist die Basta-Ansage des SPD-Chefs Lars Klingbeil. «Am Gesetz wird nichts verändert», sagte er und gab damit schon am Wochenende die Linie vor. Damit erteilte Klingbeil jeglicher Kompromisslösung von vornherein eine Absage und machte dadurch den Bundestag zu einem Abnickverein. Das ist anmassend.
Mit ihrer Sturheit schaden die Sozialdemokraten sich selbst, aber zuallererst dem Land. Sollte die Rentenreform im Bundestag scheitern, wäre auch die Koalition aus Union und SPD erschüttert.
Es wäre das endgültige Eingeständnis, dass Schwarz-Rot, angetreten als ein Bündnis der Mitte, nicht zu Reformen im Sinne des Landes und der Menschen in der Lage ist.
Zustimmung für Schwarz-Rot schwindet
Die Unbeweglichkeit im Rentenstreit ist den Wählern kaum vermittelbar. Denn es geht hier nicht um ökonomische Vernunft, sondern um Symbolpolitik. Im Gegenzug für eine härtere Migrationspolitik, eine berechtigte Forderung der Union, haben die Sozialdemokraten Zugeständnisse bei der Rente verlangt.
Das mag in der Logik des Koalitionsvertrages richtig sein, entspricht aber schon lange nicht mehr dem, was das Land braucht. Solche politischen Tauschgeschäfte gehen auf Dauer ohnehin nicht gut. Sie machen eine Partei beliebig.
Mehr noch: Wähler durchschauen solche Scheinmanöver und honorieren sie nicht. In der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Insa rutscht Schwarz-Rot mitten im Rentenstreit weiter ab. Die Union kommt auf 24,5 Prozent Zustimmung und die SPD auf 15 Prozent. Der Vertrauensverlust für die Bundesregierung ist damit nach etwas mehr als sechs Monaten im Amt so hoch wie zum Ende der Ampelkoalition.

Bärbel Bas sieht keine Kompromisslinie

Gewiss, die Situation ist verfahren. Daran haben auch Kanzler Friedrich Merz und der Unionsfraktionschef Jens Spahn ihren Anteil, die die Kritik der Renten-Rebellen, einer Gruppe junger Unionsabgeordneter, so lange nicht ernst genommen haben, bis die Lage eskalierte. Das zeigt mangelndes politisches Gespür, wie schon bei der gescheiterten Nominierung der SPD-Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf.

Doch die Sozialdemokraten lassen überhaupt keine inhaltliche Kritik am Rentenpaket zu, auch nicht an den damit verbundenen Folgekosten in dreistelliger Milliardenhöhe. Dabei gibt es auch in den eigenen Reihen genug Kritiker, die das vorgelegte Gesetzespaket für eine ökonomische Sprengfalle halten. Trotz aller sozialdemokratischen Prinzipientreue verwundert solche Unbeweglichkeit.

«Kein Gesetz verlässt den Bundestag, wie es hereingekommen ist», hatte der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck einst gesagt und damit das Selbstbewusstsein der Abgeordneten gegenüber Regierungsentscheidungen hervorgehoben. Der Ausspruch hat nichts an seiner Gültigkeit verloren. Klingbeil war damals Mitglied der SPD-Fraktion. Er sollte sein Gedächtnis auffrischen.

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