Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bisher keine einzige Rede gehalten, die so gut war, dass man sich an sie erinnern wird. Am Sonntag aber hat er eine Rede gehalten, die stellenweise so beklemmend fehlgeleitet war, dass es einem kalt den Rücken herunterlief.
Der 9. November ist bekanntlich ein Schicksalstag der deutschen Geschichte, und falls aus der Geschichte etwas zu lernen wäre, dann dies: Freiheit fällt nicht vom Himmel. Mauern schaden der Demokratie. Menschen nach Gesinnung zu sortieren, ist undemokratisch.
Er findet auch, dass „Verfassungsfeinde“ von der Bürgermeisterwahl ausgeschlossen werden können, so wie in Ludwigshafen geschehen. Nur: Wer bestimmt, wann einer ein Verfassungsfeind ist? Am Ende die Justiz. In Ludwigshafen hat sie brav geliefert.
Der
Bundespräsident sagt: „Es ist kein Zufall, dass Angriffe auf die
Demokratie oft mit Angriffen auf die Justiz beginnen.“ Doch dann: Er sei
dankbar, dass eine breite Mehrheit im Bundestag die Stellung des
Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz gestärkt habe. Man könnte auch
sagen: Alle Kräfte haben zusammengewirkt, um die AfD von der Richterwahl
auszuschließen, und speziell die SPD hat bei der Besetzung der
Richterposten des Bundesverfassungsgerichts versucht, in Person von
Frauke Brosius-Gersdorf Personal zu installieren, von dem sie sich
Unterstützung eines AfD-Verbots erhoffte. Wer hat hier die Demokratie
beschädigt?
Bei Steinmeier gibt es richtige und falsche Meinungen, es gibt die Guten und die anderen. Wenn er „wehrhafte Demokratie“ sagt, klingt es nach einer Demokratie der Gesinnungskontrolle. Er beruft sich dabei sogar auf die Mütter und Väter des Grundgesetzes – dabei müsste er in deren Geist genau für das Gegenteil eintreten. Die Freiheit wird auch an den Rändern verteidigt! Das schließt Linke und AfD ein, solange sie nicht verboten sind.
Ach ja, Parteiverbot. Das sei zwar ultima ratio, aber wenn es sein muss, muss es sein. Steinmeier sagt zwar: „Wir dürfen nicht gleichsam hineinrutschen erst in eine neue Faszination des Autoritären und dann in neue Unfreiheit“, um dann genau dafür zu plädieren. Er fordert auch, Beamte und Lehrer müssten sich klar „zu den Werten des Grundgesetzes bekennen“. Ja, selbstverständlich! Was denn sonst? Doch das neue Disziplinarrecht für Beamte mit seiner Beweislastumkehr führt zum Gegenteil. Wer unter Verdacht steht, wird aus dem Amt genommen und darf sich mühsam und teuer wieder hineinklagen. Und wer bestimmt eigentlich, wann einer zu weit rechts ist? Das persönliche Schmerzempfinden des Vorgesetzten? Es gibt keine Definition dafür, wann die Grenze überschritten ist. Steinmeier spricht sich also für ein politisches Disziplinarrecht aus.
Steinmeier warnt vor den Feinden der Demokratie – zu Recht. Nur, dass er an diesem Tage selbst nicht als Demokrat argumentiert. Demokratie lebt von der Offenheit des Streits, vom Kampf um die beste Idee, und sie ist dann am lebendigsten, wenn sie wild und ungezähmt ist, wenn frei gesprochen werden darf, und wenn niemand befürchten muss, dass für eine polemische Äußerung gleich der Staatsschutz vor der Tür steht.
Aber das Volk ist demokratiefähiger als sein Präsident. Diese Rede wird der AfD weiteren Zulauf bringen und den Niedergang der SPD noch beschleunigen.

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen