Wie der Westen einst Gorbatschow übertölpelte (Stern)
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Es ist einer der Kernfragen des neuen Ost-West-Konflikts: Wurde der
Sowjetunion tatsächlich versprochen, die Nato nie in Richtung Osten zu
erweitern? Eine US-Historikerin beantwortet die Frage.
Die Saat der aktuellen Krise um die Ukraine, sagt die US-Historikerin Mary Sarotte, wurden vor knapp 25 Jahren gesät. Die Sowjetunion verhandelte mit dem Westen im Februar 1990 über die Bedingungen der deutsche Wiedervereinigung: Die Rolle der Nato war dabei ein entscheidender Aspekt. Hat der Westen den Sowjets damals versprochen, die Verteidigungsallianz in Zukunft nicht zu erweitern? War das der Preis für die Wiedervereinigung Deutschlands? Und wurde dieses Versprechen später gebrochen, wie es heute Wladimir Putin kolportiert?
Die Saat der aktuellen Krise um die Ukraine, sagt die US-Historikerin Mary Sarotte, wurden vor knapp 25 Jahren gesät. Die Sowjetunion verhandelte mit dem Westen im Februar 1990 über die Bedingungen der deutsche Wiedervereinigung: Die Rolle der Nato war dabei ein entscheidender Aspekt. Hat der Westen den Sowjets damals versprochen, die Verteidigungsallianz in Zukunft nicht zu erweitern? War das der Preis für die Wiedervereinigung Deutschlands? Und wurde dieses Versprechen später gebrochen, wie es heute Wladimir Putin kolportiert?
Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl sprach zu der Zeit, in diesen chaotischen Jahren des Umbruchs, sehr oft mit dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow.
Und Außenminister Hans-Dietrich Genscher setzte sich mit seinem
Kollegen Eduard Schewardnadse zusammen. Beide Deutsche sicherten dabei
zu, so belegen es die zahlreichen Dokumente, dass die Nato ihr
Einflussgebiet nicht nach Osten ausweiten werde, nicht einmal auf das
Gebiet der - dann bald ehemaligen - DDR.
Auch James Baker, der amerikanische
Außenminister, machte ähnliche Zusagen, wie US-Historikerin Sarotte
herausgefunden hat: Keinen Zentimeter werde sich die Nato nach Osten
bewegen, sagte Baker in den Gesprächen. Und Michal Gorbatschow vertraute
diesen Zusicherungen. Schließlich erlaubte er die Wirtschafts- und
Währungsunion der DDR mit der Bundesrepublik Deutschland: Der Grundstein
der deutschen Wiedervereinigung war gelegt.
George Bush, der damalige US-Präsident,
sah die Sache allerdings ganz anders, was offensichtlich nicht mal sein
eigener Außenminister wusste. Deutschland könne nicht nur halb in der
Nato sein, sagte Bush, und eine Rücksichtnahme auf die Sowjets sei
grundsätzlich nicht angebracht. "Zur Hölle mit ihnen", soll Bush zu
Helmut Kohl gesagt haben, als dieser ihn in Camp David besuchte. "Wir
haben gesiegt, nicht die." Fortan galt eine neue Sprachregelung: Von
einer Zurückhaltung der Nato war nun keine Rede mehr, stattdessen fand
sich später im Zwei-plus-vier-Vertrag,
der die Einheit Deutschlands rechtlich besiegelte, tatsächlich ein
Passus, der Truppenbewegungen der Nato im Osten ermöglichte. "Damals gab
es noch keine ausgereiften Überlegungen, die Nato auf die
osteuropäischen Länder auszuweiten, wie es dann unter den späteren
Präsidenten geschah", sagt Sarotte, "aber die Grundlage für die
Erweiterung wurde definitiv im Zwei-plus-vier-Vertrag gelegt."
Kohls teuerstes Telefonat
Michail Gorbatschow bemerkte zu spät,
dass seine Aussage, jegliche Erweiterung der Nato sei nicht zu
akzeptieren, überhaupt keinen Niederschlag im Vertragswerk gefunden
hatte. Er sei in die Falle getappt, beschwerte sich ein hörbar
aufgeregter Staatspräsident in einem Telefonat mit Helmut Kohl im
Spätsommer 1990. Kohl schaffte es schließlich, Gorbatschow zu
beschwichtigen: Er versprach ihm 15 Milliarden D-Mark Staatshilfen.
Heute wären das 7,5 Milliarden Euro. Der sowjetische Präsident lenkte
ein, das Vertragswerk war besiegelt. Das Gespräch gilt heute als das
teuerste Telefonat, das Helmut Kohl je geführt hat.

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