Drei Minuten für sechs Stimmen auf fünf Zetteln
Zur Erinnerung: Am Tag der Bundestagswahl im September 2021 ging in Berlin alles Mögliche schief. Sechs Stimmen waren auf fünf Stimmzetteln abzugeben, nämlich für den Bundestag, den Landtag (er heißt hier Abgeordnetenhaus) und die Bezirksverordnetenversammlungen sowie ein Volksbegehren zur Enteignung von Wohnungsunternehmen. Drei Minuten pro Wahlvorgang hatte Rockmann dafür kalkuliert, doch viele brauchten länger, bis sie sich in dem Wust zurechtfanden. Obendrein war ein Grossteil der Innenstadt für den Autoverkehr gesperrt, weil der Berlin-Marathon stattfand.
Am Wahltag gab es in vielen Wahllokalen keine oder die falschen Stimmzettel, nicht genug Kabinen, stundenlange Wartezeiten. Die 2256 Wahllokale waren wegen fehlender Stimmzettel während der Öffnungszeit insgesamt 83 Stunden geschlossen, so dass eine unbekannte Zahl von Personen nicht wählen konnte, nach der Öffnungszeit hingegen zusammengerechnet 350 Stunden geöffnet, so dass während des Anstehens schon die Hochrechnungen verfolgt werden konnten, und zwar in nahezu der Hälfte der Wahllokale, nämlich 1066. Das alles entspreche nicht den Anforderungen an eine ungehinderte und unbeeinflusste Wahl, sagte Selting.
Ein bisschen Einspruch, bitte
Nach dem Paukenschlag waren die Beteiligten dran. Die Landeswahlleiterin Rockmann rechnete vor, warum ihre Annahmen plausibel waren, und positionierte sich gegen eine vollständige Neuwahl. Man könne ja die Stimmen, die auf hektisch zusammenkopierten und daher ungültigen Stimmzetteln abgegeben und dennoch gezählt wurden, noch finden, nachzählen und rausrechnen. Dann werde sich auch zeigen, dass sich am Ergebnis nichts ändere. Ja gut, eine «hohe vierstellige Zahl» sei das gewesen, doch auf das Ganze von Berlin gerechnet, mache das ja nichts aus. Es sei ja fast überall gutgegangen.
Noch weiter ging Innenstaatssekretär Torsten Akmann. Sinngemäß sagte er, in neunzig Prozent der Fälle sei alles korrekt abgelaufen, das reiche doch wohl. Die Innenverwaltung hatte auch Einspruch eingelegt, aber nur für einzelne Wahllokale in 3 der 78 Wahlkreise und nur für die Erststimmen. Ihr Anwalt Ulrich Karpenstein räumte zwar ein, dass es «Ärgernisse» gegeben habe, doch eine Wiederholung der kompletten Wahl gehe ja nun zu weit.