Minderheitsregierung?
„Dann fällt die Brandmauer
sofort. Und davor wird die SPD Angst haben, weil sie dann ja gar nichts
mehr zu sagen hat mit ihren 13 Prozent.“
„Davor wird die SPD Angst haben, weil sie dann nichts mehr zu sagen hat“, urteilt Sinn bei Lanz (WELT+)
Die Debatte bei Markus Lanz über das geplante Renten-Paket zeigte
erneut, wie tief der Riss in der Koalition geht. Ökonom Hans-Werner Sinn
stärkte der Jungen Union den Rücken – und gab eine Prognose ab, was nun
passieren werde.
19.11.2025, 4 Min
Es
ist ein Satz, der Deutschland nicht nur rund 120 Milliarden Euro kosten
könnte, sondern auch eventuell seine schwarz-rote Regierung. „Auch nach
2031 liegt das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im
geltenden Recht“, heißt es im Gesetzesentwurf zur geplanten Rentenreform.
Wie tief der Riss zwischen den Koalitionspartnern in der Debatte
wirklich geht, zeigte sich erneut in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ –
und in der Frage, wer am Ende die Rechnung wirklich bezahlen muss. „Die
Jungen haben diese Schulden an der Backe“, sagte Ökonom Hans-Werner
Sinn und stellte sich dabei erneut klar an die Seite der Jungen Union,
die den Gesetzentwurf ablehnt, den Sozialministerin Bärbel Bas (SPD)
vorgelegt hat. Zudem warnte Sinn davor, die Diskussion zu verzerren,
denn von Rentenkürzungen, wie dies oft dargestellt werde, könne
überhaupt keine Rede sein: „Keiner redet davon, dass die Renten als
solche fallen sollen, sondern nur in Relation zu den Löhnen“, sagte Sinn
und mahnte zur korrekten Semantik. „Das ist ein Missbrauch des Wortes
Rentenkürzungen. Denn wenn das Rentenniveau konstant ist oder auch
leicht fällt, dann fallen die Renten noch lange nicht.“
Sinn beschrieb stattdessen das, was die Politiker ohnehin schon seit
Jahren wissen: Das deutsche Rentensystem ist grundsätzlich überfordert.
„Es gibt kein Konto“, auf das jeder einzahle und das Geld dann später
abrufen könne, erklärte er. Vielmehr lebe das Umlagesystem „von der Hand
in den Mund“. Die Babyboomer-Generation habe „zu wenige Kinder bekommen
und macht jetzt Schulden, um für sich selbst die Konsequenzen zu
vermeiden“. So entstehe eine Schieflage zwischen den Generationen: Die
Jungen – die zum Teil noch gar nicht geboren seien – würden dabei
übermäßig belastet. Sein Ausweg: länger arbeiten statt neue Schulden
machen. „Zehn Monate länger arbeiten – das wäre der sozialverträglichste
Weg“, sagte Sinn. Immer wieder ging es auch um die Frage, wer den Schwarzen Peter in der
Debatte zugeschoben bekommt. „Wir haben uns bis 2031 auf ein stabiles
Rentenniveau geeinigt – aber nicht darüber hinaus“, sagte Johannes
Winkel, Chef der Jungen Union und CDU-Abgeordneter. Dass der
Gesetzentwurf nun eine Weiterführung über 2031 hinaus vorsieht,
bezeichnete er als Bruch des Kompromisses und als unzumutbare Belastung
für die Zukunft. „Wir müssen auch kommenden Generationen finanzielle
Spielräume lassen“, forderte Winkel und betonte, es gehe ihm nicht um
parteipolitische Taktik, sondern um Generationengerechtigkeit. „Wenn der
Satz nicht rauskommt, stimmen wir nicht zu.“
SPD-Politiker Karl Lauterbach, der selbst im Jahr 2004 in der
Rürup-Kommission zum Thema Rente saß, wies den Vorwurf jedoch zurück,
die SPD habe heimlich einen Satz in den Entwurf „reingeschmuggelt“.
„Diese Unterstellung ist falsch. Das bringt Gift in die Debatte.“ Das,
was jetzt im Vertrag stehe, sei 2018 in der Koalition so abgesprochen
gewesen. „Das war immer so gemeint“, sagte er mehrfach. Für Lauterbach
war das Rententhema auch kein technischer Disput, sondern vielmehr ein
Test auf Regierungsfähigkeit – und ein Risiko, das aus seiner Sicht „den
Kanzler beschädigt, unsere Zusammenarbeit beschädigt“. Letztlich, so
Lauterbach, sei es „nicht wert“, die Koalition darüber zu zerreißen.
Winkel wollte das nicht so gelten lassen: „Vertragsauslegung ist doch
der Wortlaut, und im Wortlaut steht bis 31 und nicht über 31 hinaus. Und
die Methode Vertragsauslegung – wer war irgendwo dabei – die gibt es
halt nicht.“
Auch beim Thema Kosten bekam Lauterbach Gegenwind. Denn immer wieder
versuchte er, die Dimension der Kosten dieses einen Satzes zu
relativieren. Für ihn seien die umstrittenen rund 120 Milliarden „nur
1,5 Prozent der gesamten Rentenausgaben bis 2040 – mehr ist es nicht.“
Markus
Lanz fragte nach: „Und 120 Milliarden ist als Streitwert nicht zu
klein?“ Es handele sich schließlich um Geld von Steuerzahlern, das
Deutschland zudem gar nicht habe.
Karl Lauterbach: „Zunächst einmal: Das Geld ist dann ja nicht weg,
sondern das Geld würde dann tatsächlich den Rentenwert ein Stückchen
länger stabilisieren. […] Aber dafür zersprenge ich eine solche
Koalition nicht. Das ist aber das, was hier auf dem Spiel steht.“
Wer
die Regierung für 1,5 Prozent aufs Spiel setze, „begeht einen
Megafehler“. Denn für Lauterbach gehe es auch um die soziale Dimension:
„Es geht nicht nur um jung gegen alt, sondern auch um arm gegen reich.
Ärmere Menschen, die ein Leben lang eingezahlt haben, erreichen zu 25
Prozent das Rentenalter gar nicht.“ Wer wenig verdient habe, bekomme oft
nur „200 Euro mehr, als wenn er nie gearbeitet hätte“.
Für Hans-Werner Sinn schien diese Argumentation sichtlich schwer
erträglich: „Dieses Klein-Klein zwischen den Parteien ist geradezu
schrecklich“, sagte er schließlich. Der Ökonom glaubte aber auch, dass
die SPD am Ende „einknicken“ und die Formulierung in der Rentenreform
abgeändert werde. Denn die Sozialdemokraten würden den Bruch der
Koalition fürchten, während Merz dagegen als Kanzler weiter im Amt
bliebe und sich dann in einer Minderheitsregierung erneut wählen lassen
könnte – inklusive seiner Reformvorschläge. „Dann fällt die Brandmauer
sofort. Und davor wird die SPD Angst haben, weil sie dann ja gar nichts
mehr zu sagen hat mit ihren 13 Prozent.“
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