Doch das Prestigeprojekt der Bahn in der baden-württembergischen Landeshauptstadt ist das grösste Milliardengrab des Landes. Stuttgart 21 ist zu einem Symbol für das Versagen der öffentlichen Hand bei Grossprojekten geworden, ein Mahnmal gescheiterter Bahnpolitik. Für die Mehrkosten von rund 6 Milliarden Euro muss der Steuerzahler aufkommen.
Wie konnte es so weit kommen? Experten sehen eine ganze Reihe von Fehlern im System. Bei Ausschreibungen würden die Kosten kleingerechnet. Niedrige Baukosten lassen sich für Politiker, egal ob Bürgermeister oder Ministerpräsident, besser rechtfertigen. Doch alle wissen: Die Kostenrechnungen sind von Anfang an Makulatur.
Dann schlägt die Bürokratie zu. Auf den Bauherrn kommt in Deutschland ein Wust von Vorschriften und langen Genehmigungsverfahren zu, verteilt auf verschiedene Behörden.
Der Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg wurde acht Jahre später als geplant eröffnet und war mehr als dreimal so teuer wie veranschlagt, 7,3 Milliarden Euro. Zeitweise wurde sogar ernsthaft über einen Abriss nachgedacht.
Auch Stuttgart 21 wurde zu einem hochpolitischen Projekt, zunächst von einer CDU-geführten Landesregierung aus der Taufe gehoben. Dann kamen die Grünen an die Macht, die von vornherein gegen das Projekt waren – es aber weiterführen müssen.
Die Schweiz zeigt, wie Grossprojekte gelingen
Rational ist bei Stuttgart 21 ohnehin vieles nicht mehr erklärbar. Ursprünglich sollte der Bahnhof laut der Bahn-Konzernspitze «spätestens» 2019 eröffnet werden und «allerhöchstens» 4,5 Milliarden Euro kosten. Inzwischen sind die Kosten auf etwa 11 Milliarden Euro geklettert.
Allerdings
ist das Scheitern von Grossprojekten kein Naturgesetz, wie die Schweiz
zeigt. Ein Jahr früher als geplant und im Kostenrahmen wurde
beispielsweise 2016 der Gotthard-Basistunnel eröffnet, ein Meisterwerk
der Ingenieurkunst.
Ein Grund für die Effizienz sind unter anderem die Erfahrungen in direkter Demokratie in der Schweiz. Das Volk entscheidet, ob solch ein Grossprojekt angegangen wird. Wenn das Votum positiv ist, wird es durchgezogen – mit einem exakten Kosten- und Zeitplan. Ein weiterer Vorteil: Die Verwaltungswege sind kürzer.
Deutschland sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Politiker sind keine Bauunternehmer. Sie haben in der Leitung von Grossprojekten nichts verloren, anders als Planer und Ingenieure. Die parteipolitische Einflussnahme auf Infrastrukturvorhaben muss enden. Sie hat schon manches Projekt zum Scheitern gebracht. Andernfalls macht sich das einstige Musterland der Ingenieurskunst endgültig zum Gespött der Weltgemeinschaft.

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