Gabor Steingart, 17.11.2025, 7 Min
"Man muss also Fuchs sein, um die Schlingen zu wittern, und Löwe, um die Wölfe zu schrecken."
Wenn diese Definition vom Beginn des 16. Jahrhunderts weiter ihre Gültigkeit besitzt, dann steckt Friedrich Merz in Schwierigkeiten.
So funktioniert Politik, aber so funktioniert nicht der
Wiederaufstieg des Landes. Und dummerweise gibt es jede Menge Wähler,
die das merken. Die Zustimmung des CDU-Kanzlers zu einer populistischen
SPD-Forderung folgt einer Mechanik, die der Philosoph Peter Sloterdijk als „Wählerverwirrung durch Programmvertauschung“ bezeichnet.
Die Wähler und auch die eigenen Mitglieder verlieren so allmählich die
Lust auf Friedrich Merz. Er hatte sich selbst als Löwe vorgestellt, und
in der Tat handelt die Geschichte seines Aufstiegs von einem Mann mit Löwenherz.
Er hat Angela Merkel nicht besiegt, aber überlebt. Er hat Markus Söder
nicht getötet, aber die Rangordnung zwischen CDU und CSU
wiederhergestellt.
Er war der richtige Mann zur richtigen Zeit, dachten viele. Frei nach Niklas Luhmann: Führung ist die Erwartung, dass die Erwartung erfüllt wird.
Doch Friedrich Merz ist ein Führer mit Defiziten. Er besitzt Entschlossenheit, Härte, Kompetenz. Aber zugleich fehlt es ihm an Geschmeidigkeit, List und Geduld. Er will die Politik schneller machen, als sie sein kann.
Er verwechselt Entschlossenheit mit Durchsetzungskraft. Doch mit Entschlossenheit, ohne machtvolle Netzwerke, die sie tragen und verstärken, so wie bei Kohl und Merkel, wird er den Übergang von der Rhetorik zur Realität niemals schaffen können. Oder anders formuliert: Das Beste an Friedrich Merz sind seine Absichten.
Zunehmend ist Merz in seiner Fraktion und in weiten Teilen der Partei ein einsamer Mann,
wie beim Deutschlandtag der Jungen Union zu besichtigen war. Er ist der
Kanzler, aber Söder war der Kommunikator. Der eine war einsam, der
andere umjubelt.
Helmut Schmidt verstand Führung als „Verantwortung unter Unsicherheit“. Damit meinte er jene Unsicherheit, die von der Außenwelt ausgeht – von den Finanzmärkten, von den Autokraten, in seinem Fall auch von Terroristen. Aber Friedrich Merz erzeugt große Teile dieser Unsicherheit selbst. Er weiß, was er will, aber er weiß nicht, welches Risiko er dafür zu tragen bereit ist. Wir können ihm beim Zaudern zuschauen.
Und so streift er mit spürbarer Unentschlossenheit, die auch dann eine Unentschlossenheit bleibt, wenn sie sich hinter kantiger Rhetorik versteckt, durch die politische Steppe. Das schützende Rudel ist außer Sichtweite. Seine Gegner lauern schon auf den Tag, da ihm die Kräfte schwinden.
Auch dann werden diese Gegner nicht unbedingt größer sein als er, aber mutiger. Oder wie Rudolf Augstein einmal schrieb:


Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen