Oliver Stock, 05.11.2025
Deutschlands kleinstes Flächenland, das Saarland, ist bei zwei Rekorden gleichzeitig ganz vorn, die nicht wirklich zusammenpassen: Dort ist die Wirtschaft real stärker geschrumpft als in jedem anderen Bundesland.
„Förderrechtlich erforderlich“: Bau unter Zeitdruck
Im
Sommer 2023 wurde das Projekt angekündigt, seither war es still – bis
die Uhr plötzlich zu ticken begann. In einer Sondersitzung des
Bezirksrats Mitte und des Bauausschusses des Stadtrats stand das Thema
jetzt wieder auf der Tagesordnung. Der Grund: „Förderrechtlich ist eine
Fertigstellung und vollständige Abrechnung im Jahr 2027 erforderlich“,
heißt es in der Verwaltungsvorlage. Sprich: Wenn man das Geld aus Berlin
bekommen will, muss man jetzt bauen.
Diese Art Zeitdruck treibt die Lokalpolitiker zu Höchstleistungen an.
Die Grünen jubeln, es sei „ein wichtiger Schritt zur Stärkung des
Radverkehrs“, die SPD nennt das Parkhaus „einen sehr wichtigen Baustein,
um das Radfahren attraktiver zu machen“. Und Oberbürgermeister Uwe
Conradt (CDU) ist auch der oberste Energiewender: „Damit leisten wir
einen weiteren wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.“ So einig war man sich
lange nicht mehr.
Prioritäten-Debatte: Kritik an der Symbolpolitik
Kritische Stimmen gibt es – aber leise. Ein paar Stadträte merken an, dass man vielleicht erst über das Radwegenetz reden sollte, bevor man Parkhäuser für Räder baut. Ein anderer fragt, ob der Bund nicht lieber dort fördern sollte, wo Menschen wirklich fahren, also im Alltag, zwischen Wohnvierteln, Uni und Industriegebiet. Doch wer will schon als Fortschrittsverhinderer dastehen, wenn Klimaschutz und Fördergelder auf dem Spiel stehen?
Und so geht das Projekt durch. Zwei schlanke Türme sollen es werden, zehn bis dreizehn Meter hoch, mit Glas- oder Holzfassade, begrüntem Dach und „stadtverträglicher Gestaltung“. Klingt nach viel Grün und wenig Beton, nach Zukunft und Nachhaltigkeit. Dass die Stellplätze im Vergleich zu jedem Auto-Parkhaus deutlich mehr kosten, spielt in der Debatte kaum eine Rolle.
Das Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg kommt in einer Berechnung zu dem Schluss, dass Stellplätze für Autos in oberirdischen Parkhäusern maximal rund 18.000 Euro pro Platz kosten. Ebenso wenig spielt in der Saarbrücker Euphorie eine Rolle, dass die Zahl der Plätze seit der ersten Planung um über 40 Prozent geschrumpft ist.
Musterbeispiel Förderlogik: Perspektiven fehlen
Tatsächlich ist das Ganze ein Musterbeispiel deutscher Förderlogik: Wenn Geld da ist, wird es ausgegeben – egal, ob das Projekt Priorität haben sollte. Dabei löst das Fahrradparkhaus keines der strukturellen Probleme des Saarlands. Es ist ein Prestigeprojekt, das mehr mit Symbolpolitik zu tun hat als mit Mobilitätswende.
Der saarländische FDP-Landesverband nennt zum Beispiel aus dem Stegreif drei Brücken, die dringend saniert werden müssten. Die Velotürme werden kommen, keine Frage – aber sie stehen sinnbildlich für eine Politik, die lieber Parkplätze für Fahrräder schafft als Perspektiven für Menschen.

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