20 November 2025

Cicero im Dezember - Neue Stadtbilder

Cicero im Dezember
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Neue Stadtbilder
Unser Stadtbild hat sich radikal verändert. Das sieht ein jeder, der die Realität nüchtern betrachtet. Unkontrollierte Migration ist eine Ursache, aber nicht die einzige. Für unsere Dezember-Ausgabe haben wir uns in ganz Deutschland umgesehen.
VON ALEXANDER MARGUIER am 20. November 2025 3 min
Von unserer Wohnung in Berlin-Charlottenburg aus sind es fünf Gehminuten bis zur Wilmersdorfer Straße. Der Abschnitt, von dem ich rede, ist eine klassische deutsche Fußgängerzone mit den üblichen Filialen und kleineren Geschäften. Besser gesagt: So war es bis vor ein paar Jahren. Inzwischen hat hier der große Galeria-Kaufhof dichtgemacht, nachdem mehrere Rettungsversuche gescheitert waren. Zwei Gebäude weiter ebenfalls Leerstand, das vormals gut besuchte Backshop mit Kaffeeausschank konnte sich nicht halten. Graffitis machen sich an der Fassade breit. Es geht erkennbar abwärts in meinem Kiez.Vor kurzem wollte ich früh morgens in mein Fitnessstudio, das ebenfalls an der „Wilmi“ liegt, wie die Straße immer noch in liebevoller Vertrautheit von vielen genannt wird. Vor dem Eingang wurde ich begrüßt von einem offenbar osteuropäischen Obdachlosen, der mit weit aufgerissenen Augen schreiend auf mich zugestolpert kam, während er einen Stock schwang.

Dass Friedrich Merz mit seinem „Stadtbild“-Statement eine Debatte lostreten wollte, kann ausgeschlossen werden. Denn sonst hätte er diese Debatte geführt, er hätte Impulse gegeben und Ideen ventiliert. Nichts davon geschah, der Kanzler blieb praktisch stumm und schaltete auf Durchzug. Dass dennoch das halbe Land seither über Stadtbilder spricht, hat einen guten Grund. Denn jeder merkt, wie sich seine Nachbarschaft verwandelt – und zwar selten zum Guten. Diese ästhetische Veränderung ist einerseits das Ergebnis von unkontrollierter Massenzuwanderung; Merz selbst brachte das „Stadtbild“ ja unmittelbar mit Migration in Verbindung. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.
Tatsächlich geht es auch um ökonomische Faktoren, etwa den seit Corona beschleunigt verödenden Einzelhandel. Und selbstverständlich muss die „Stadtbild“-Diskussion geführt werden vor dem Hintergrund desolater Kommunalhaushalte, wo inzwischen der Großteil der Ausgaben für Sozialleistungen draufgeht. Fehlende Finanzmittel in Städten und Gemeinden machen sich eben bemerkbar, sie bilden sich im Wortsinn für alle wahrnehmbar im öffentlichen Raum ab.
Wir wollten das Thema deshalb weiter fassen und haben uns in ganz Deutschland auf die Suche nach den Ursachen der Malaise begeben. Fündig wird man leider überall. Aber das ist kein unaufhaltsamer Prozess. Der Niedergang ließe sich aufhalten und sogar rückgängig machen. Man muss es allerdings wollen. Es ist eine Generationenaufgabe. Mit ein paar unbedachten Kanzlerworten ist da nichts gewonnen.

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