Der andere Blick
Die SPD ist zu einer traurigen Gestalt geworden. Ihre Irrfahrt belastet das ganze deutsche Parteiensystem (NZZ)
Auf dem Arbeitgebertag wurde Arbeitsministern Bärbel Bas zu Recht
ausgelacht. Die SPD-Chefin steht für das Elend einer Regierungspartei,
die die Zeichen der Zeit nicht mehr erkennt.
von Oliver Maksan, Berlin, 26.11.2025, 3 Min
Zugegeben:
Als Sozialdemokrat in diesen Zeiten vor den deutschen Arbeitgebern zu
sprechen, ist kein Heimspiel. Das war es auch früher nicht. Was die deutsche Arbeitsministerin Bärbel Bas am Dienstag in Berlin aber erleben musste, war eine Demütigung auf offener Bühne. Eine verdiente. Höhnisches
Gelächter schallte ihr seitens der versammelten Wirtschaftselite
mehrfach entgegen, als sie tiefen Einblick in sozialdemokratisches
Denken gewährte. Mit Blick auf den Plan, das Rentenniveau bis 2031
stabil zu halten, sagte sie: «Wir finanzieren diese Haltelinie aus
Steuermitteln. Sie belasten damit die Beitragszahler nicht.» Formal ist
das nicht falsch. Die SPD-Chefin Bas scheint aber zu glauben, dass es
sich bei Beitrags- und Steuerzahlern letztlich um zweierlei Arten Mensch
handelt.
Die SPD hat den Ernst der Lage nicht erkannt
Die
SPD verkennt damit den Ernst der Lage Deutschlands. Sie ist zur Partei
von der traurigen Gestalt geworden. Und Rettung ist nicht in Sicht. Die
Partei hat keine Vorstellung davon, wohin sie will. Jüngstes Beispiel:
In Berlin ekeln Parteilinke die pragmatische Parteispitze raus, weil sie
mit der Bekämpfung von Clankriminalität und linkem Antisemitismus gegen
linke Dogmen verstoßen hat.
Folgenlos
bleibt die Orientierungslosigkeit nicht. Die Partei muss fürchten, im
kommenden Jahr in Mecklenburg-Vorpommern von der AfD vom Thron gestoßen
zu werden. In Sachsen-Anhalt könnte ihr gar der Wiedereinzug in den
Landtag misslingen. Und im Bund würde die Partei ihr historisch
schlechtes Wahlergebnis vom Februar unterbieten, wenn jetzt eine Wahl
anstünde. Die SPD kann sich auf Bundesebene nur deshalb als Scheinriesin
aufführen, weil CDU und CSU sich an sie gekettet haben und alle Partner
Neuwahlen fürchten müssen.
Dieses
Abo auf Regierungsbeteiligung – Brandmauer sei Dank – ermöglicht es der
SPD, das Ausfechten des Richtungsstreits abermals aufzuschieben, für
das sie seit Jahren die Kraft nicht aufbringt. Lars Klingbeil,
Vizekanzler, Finanzminister und Co-Chef der Partei, würde die SPD
eigentlich gerne als pragmatische Kraft der linken Mitte positionieren.
Schließlich hat die SPD bei den Parlamentswahlen im Februar deutlich
mehr Wähler nach rechts als nach links verloren. Die Parteilinke hat ihn
aber an die Kette gelegt, indem sie ihn bei seiner Wahl zum Parteichef mit einem miserablen Ergebnis demütigte, während Bas reüssierte. Diese
irrlichternde SPD wird freilich nicht nur zur Belastung für sich
selbst. Sie wird es auch für die Regierungskoalition von Kanzler
Friedrich Merz. Mit viel Pathos wurde das schwarz-rote Bündnis zur
letzten Chance der demokratischen Mitte aufgeladen. Parallelen zu 1930
wurden bemüht, als das Kabinett des Sozialdemokraten Müller an der Frage
des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung zerbrach. Bis zur
Machtübertragung an Hitler verfügte danach keine Regierung mehr über
eine eigene parlamentarische Mehrheit.
Eine
Partei freilich, die überzeugt wäre, nach dem Scheitern des heutigen
Regierungsbündnisses stürzte die Berliner Republik in den Weimarer
Abgrund, würde sich anders verhalten. Sie würde den vom Wähler
bestellten Politikwechsel etwa bei der Reform der Sozialsysteme nicht
verweigern.
Die AfD ist die Partei der Arbeiter geworden
Indem
sich die Sozialdemokraten aber stur stellen, beschleunigen sie die
tektonische Veränderung, der das deutsche Parteiensystem unterworfen
ist. Unter der Kanzlerschaft von Olaf Scholz verdoppelte sich die AfD
schliesslich. Und dass erstmals weniger als die Hälfte der Deutschen
ausschließt, jemals die AfD zu wählen, hat auch mit einer SPD zu tun,
die die Zeichen der Zeit nicht erkennt. Längst ist die AfD die Partei
der Arbeiter. Das zeigte sich kürzlich auch bei den Kommunalwahlen in der einstigen SPD-Hochburg Nordrhein-Westfalen.
Mit
der parteipolitischen Stabilität Deutschlands ist es also endgültig
vorbei. Die seit 1998 mit nur vier Jahren Unterbrechung (mit-)regierende
SPD hat daran massiven Anteil. Das einzusehen, wäre der erste Schritt
zur Genesung.
Der
zweite wäre, einzusehen, dass der Erfolg der Regierung Merz auch in
ihrem eigenen Interesse ist. Doch davon ist bis jetzt nichts zu
erkennen. Zum Schaden des Landes.
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