Wir sind die 24 Prozent! (Cicero)
Wenn Sie sich jetzt ertappt fühlen, dann gehören Sie zum Wir dazu: Wir sind die 24 Prozent! Man kann mit uns vielleicht keine Regierung bilden, aber wir sind mindestens das Gemüse in der Suppe einer durch und durch lebhaften Demokratie. Vielleicht gilt für uns nicht immer #wirsindmehr. Aber zum Glück sind wir auch nicht weniger. Eine Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung hat uns jetzt ans Licht gebracht – wenn auch vorerst nur in den Scheinwerferkegel öffentlicher Despektion.
Bleiben nach Adam Riese und Schürmanns Rechenbuch
also noch einmal weitere 24 Prozent, die in der gelebten Demokratie
noch reichlich Luft nach oben sehen. Und während da viele Kommentatoren
schon den Hastag #aufschrei neu mit Leben füllen wollen – vom
„wachsenden Argwohn gegenüber der Demokratie“ spricht etwa die Frankfurter Rundschau,
Studienleiter Andreas Zick selbst warnt vor der „Demokratie am
Kipppunkt“ – könnten zumindest die hier angeführten Zahlen auch mal
andersherum gelesen werden: Sie sind Ausdruck von Hoffnung in einer Zeit
umsichgreifender Lethargie und eingeschlafener Füße.
Doch Pustekuchen! Die meisten Menschen, so sagt es schon ein altes
Sprichwort, wollen lieber durch Lob ruiniert als durch Kritik gerettet
werden. Wer hierzulande etwa meint, dass es um sein Vertrauen in
Behörden, Gerichte oder gar Wahlen nicht immer nur zum Besten steht
(aktuell sind das laut Studie immerhin 26 Prozent), der wird schnell zu
einer Art Verdachtsfall abgemeiert. Nicht die Sachverwalter der hier und
da durchbrechenden Dysfunktionalitäten müssen sich rechtfertigen; in
Deutschland sind immer noch und in erster Linie die Verdächtiger
verdächtig.
Den Finger in die Wunde
Dabei gibt es dafür streng genommen gar keinen Grund: Aktuell nämlich, auch das sagt die jetzt vorgelegte „Mitte-Studie“, verstehen sich 79 Prozent der Befragten als überzeugte Demokraten. Das sind sage und schreibe sechs Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2021! Und noch weitere Zahlen stimmen zuversichtlich: Nur drei Prozent der Deutschen zeigen ein rechtsextremes Weltbild – fünf Prozentpunkte weniger als noch bei der letzten Studie aus dem Jahr 2023. Und auch die Zustimmung zu politischer Gewalt ist um vier Prozentpunkte nach unten gegangen. Zweifel, Kritik sowie das selbstverständliche Anprangern von offensichtlichen Funktionsdefiziten sind also nicht notgedrungen demokratiegefährdend. Im Gegenteil: Demokratie ist nicht Blinde Kuh, sie ist der Finger in der Wunde. Es ist auch den 24 Prozent zu verdanken, dass sich Demokratie in Deutschland endlich nicht mehr nur auf Müdigkeit reimt.

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