Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordert den Bau von Small Modular Reactors, und damit eine Rückkehr zur Atomkraft. Prompt kritisierte ihn dafür in den Öffentlich-Rechtlichen die bisher unbekannte energiepolitische Sprecherin der SPD. Ihre Aussagen strotzen vor Unwahrheiten.
VON ULRICH GRÄBER am 23. November 2025 7 min
Musiklehrerin mit dem Hauptfach Violine lehnt die Rückkehr zur Atomkraft kategorisch ab. Das wäre an sich keine bemerkenswerte Meldung, wäre diese Musiklehrerin nicht Nina Scheer und, man höre und staune, „energiepolitische Sprecherin der SPD“. Man fragt sich zunehmend, nach welchen fachlichen Kriterien diese Partei ihr Personal auswählt. Zur Qualifikation von Carsten Schneider als Umweltminister habe ich schon des Öfteren meine Meinung geäußert. Von Frau Scheer hatte ich bisher noch nichts gehört. Aber nun überraschte sie nicht nur mich, sondern sicher auch die 14 europäischen Länder und deren 360 Mitglieder der Europäischen Industrieallianz für kleine modulare Reaktoren (SMRs), die sich zum Ziel gesetzt hat, die Entwicklung, Demonstration und den Einsatz von SMRs in Europa bis Anfang der 2030er Jahre zu erleichtern und zu beschleunigen.
Aber wie kam es zu dieser Äußerung von Frau Scheer? CSU-Chef Markus Söder forderte am vergangenen Wochenende in einem Interview einen umfassenden Kurswechsel in der deutschen Energiepolitik – bis hin zum Bau von neuen Atomkraftwerken. „Es geht nicht darum, dass wie früher große Meiler hochgezogen werden. Ich spreche von kleineren, smarten Reaktoren, wie es sie in Kanada bereits gibt“, sagte der bayerische Ministerpräsident der Welt am Sonntag. Er bezog sich in seiner Aussage auf das Projekt der Ontario Power Generation, die am 8. April dieses Jahres die Bewilligung für den Bau des ersten von geplanten vier kleinen modularen Reaktoren vom Typ BWRX-300 auf dem Gelände des bestehenden Kernkraftwerkes Darlington in der Provinz Ontario erhalten hat.
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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer legte nach. Er fordert niedrigere Strompreise und spricht sich daher für die Rückkehr der Atomkraft in Deutschland aus. „Wir haben die Chance verspielt, einen messbaren Teil der deutschen Energieversorgung CO2-frei zu günstigen Preisen zu bestreiten“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wir sind noch nicht an dem Punkt, an dem wir entscheiden müssen, ob wir ein neues Atomkraftwerk bauen“, sagte Sachsens Ministerpräsident. „Klar ist aber, dass Strom kein knappes, teures Gut sein darf.“ Kretschmer verweist auf das Nachbarland Polen, das in die Atomkraft einsteigt. Polen will 2028 mit dem Bau seines ersten Atomkraftwerks beginnen. Der erste Reaktorblock des in Slajszewo nordwestlich von Danzig geplanten Kernkraftwerks soll 2036 ans Netz gehen. Das neue Atomkraftwerk wird rund 250 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt entstehen. Im Jahr 2038 will die polnische Regierung das gesamte Bauvorhaben nahe der Ostsee abschließen.
Deutschland profitiert von den niedrigen Strompreisen seiner Nachbarn durch den Import von Atomstrom
Beide Äußerungen, von Söder und Kretschmer, sollten für Deutschland eigentlich ein energiewirtschaftlicher Lichtblick in diesen durch hohe Energiepreise und wirtschaftliche Stagnation geprägten Zeiten sein. Offensichtlich aber nicht für das für Energie zuständige Personal der SPD.
In der ARD bekam Frau Scheer dann an prominenter Stelle in der „Tagesschau“ umgehend Sendezeit eingeräumt, um den Äußerungen von Söder mit ihrer „fachlichen Expertise“ entschieden entgegenzutreten. So behauptete Scheer unter anderem, dass Atomenergie die teuerste Form der Energiegewinnung sei. Da fragt man sich natürlich, warum Deutschland im Vergleich zu seinen Nachbarn, die Atomkraftwerke betreiben, die höchsten Strompreise in Europa hat. Deutschland profitiert aber gerne von den niedrigen Strompreisen seiner Nachbarn durch den erheblichen Import von Atomstrom. Im Jahr 2024 stand der Atomstrom mit 18.313 Gigawattstunden an der Spitze der aller Stromimporte in Deutschland. Frankreich produziert den Atomstrom übrigens mit 6 Cent pro Kilowattstunde und die Schweiz mit 4 bis 7 Rappen. Frau Scheer favorisiert dagegen regenerative Energien und Stromspeicher. Das Preisszenario für Gewerbespeicher liegt derzeit bei 450 bis 800 Euro pro Kilowattstunde. Der Tagesstromverbrauch in Deutschland liegt bei 1250 Gigawattstunden, das sind 1.250.000.000 Kilowattstunden. Der derzeit größte Batteriespeicher Deutschlands in Bollingstedt (Schleswig-Holstein) hat eine Kapazität von etwa 239.000 Kilowattstunden. Damit könnte Deutschland bei Dunkelflaute also gerade mal 16 Sekunden lang mit Strom versorgt werden.
Und hier noch eine kleine (kostenlose) Nachhilfe in Sachen Kernenergie für Frau Scherer: Uran, der „Brennstoff“ der Kernkraftwerke, hat die höchste Energiedichte aller Energieträger. Ein Kilogramm Natururan liefert so viel Strom wie 16.000 Kilogramm Steinkohle oder 10.000 Kilogramm Gas. Was in einem Kohlekraftwerk volumenmäßig in einer Stunde verfeuert wird, würde in Form von Uran reichen, um drei Kernkraftwerke ein ganzes Jahr lang zu betreiben! Drei bis vier Uranpellets reichen aus, um eine vierköpfige Familie ein Jahr lang mit Strom zu versorgen.
Die SMR-Reaktoren sind inhärent sicher
Dementsprechend gering ist auch die Abfallmenge. Bei der Stromerzeugung in einem typischen 1000-Megawatt-Kernkraftwerk, das den Bedarf von über einer Million Menschen decken kann, entstehen jährlich lediglich drei Kubikmeter verglaster hochradioaktiver Abfälle, sofern der verbrauchte Brennstoff recycelt wird. Zum Vergleich: Ein 1000-Megawatt-Kohlekraftwerk produziert jährlich rund 300.000 Tonnen Asche und mehr als sechs Millionen Tonnen Kohlendioxid. Der CO2-Fußabdruck eines Kernkraftwerkes beträgt über die gesamte Lebenszeit, d.h. Bau und Betrieb, fünf Gramm CO2 pro Kilowattstunde, der eines Steinkohlekraftwerks 1080 Gramm pro Kilowattstunde. Der CO₂-Fußabdruck einer Photovoltaikanlage liegt beim Siebenfachen und jener einer Windkraftanlage beim Dreifachen des Wertes eines Kernkraftwerks.
Aber auch sonst kommt von Frau Scheer nichts Neues, das wir nicht schon kannten. Am Ende ist es immer das gleiche Mantra der seit Gorleben ideologisch geprägten Anti-Atom-Bewegung: zu unsicher, zu viel Atommüll.
Die international anerkannten Fakten zu den modernen SMR der Generation 4 sagen etwas anderes:
• Die SMR-Reaktoren sind inhärent sicher, d.h. die Reaktoren sind aufgrund ihrer Physik und Geometrie in der Lage, sich komplett autark herunterzufahren und die Nachwärme ohne aktive Kühlung und Stromversorgung von außen abzuführen.
• In den Dual-Fluid- und Molten-Salt-SMR kann aufbereiteter Atommüll eingesetzt werden, z.B. aus den in den Castoren eingelagerten Brennelementen, die noch 96 Prozent Uran enthalten. Die Menge des hochradioaktiven Abfalls, der endzulagern wäre, könnte damit drastisch reduziert werden.
Strategie der Grünen war es stets, die Endlagerung als unlösbares Problem darzustellen
Aber auch in Sachen Endlager noch eine kleine Nachhilfe für Frau Scheer: Das finnische Endlager in Olkiliuoto ist seit 2024 im Probebetrieb, das schwedische Endlager ist im Bau. Aber die Strategie der von Jürgen Trittin maßgeblich geprägten Anti-Atom-Politik der Grünen war es stets, die Endlagerung des Atommülls als schier unlösbares Problem darzustellen, denn es war eines ihrer wichtigsten Argumente gegen die Nutzung der Kernenergie.
Man fragt sich, wie lange es sich Deutschland noch leisten will und kann, sich durch anmaßende Halbwissende wie Nina Scheer die Zukunft verbieten zu lassen. Vielleicht wäre es angeraten, politische Ämter nicht nur nach der Parteizugehörigkeit, sondern auch nach der fachlichen Qualifikation für das Amt auszuwählen. Ich würde es mir auf jeden Fall nie erlauben, Frau Scheer über das Spiel der Violine zu belehren. Auch dem ÖRR wäre es angeraten, zukünftig bei der Auswahl seiner Experten:innen mehr Sorgfalt walten zu lassen.
Mich erinnert das an die von Angerla Merkel nach Fukushima einberufene Ethikkommission zur Absicherung ihres „Atommoratoriums“. In der Kommission saßen neben Philosophen, Soziologen und Politologen auch ein katholischer und ein evangelischer Bischof. Ich dachte mir damals: Was hätten eigentlich die Herren Bischöfe gesagt, wenn ein Maschinenbau-Ingenieur wie ich in eine Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs in der Kirche berufen worden wäre?
Aber wie kam es zu dieser Äußerung von Frau Scheer? CSU-Chef Markus Söder forderte am vergangenen Wochenende in einem Interview einen umfassenden Kurswechsel in der deutschen Energiepolitik – bis hin zum Bau von neuen Atomkraftwerken. „Es geht nicht darum, dass wie früher große Meiler hochgezogen werden. Ich spreche von kleineren, smarten Reaktoren, wie es sie in Kanada bereits gibt“, sagte der bayerische Ministerpräsident der Welt am Sonntag. Er bezog sich in seiner Aussage auf das Projekt der Ontario Power Generation, die am 8. April dieses Jahres die Bewilligung für den Bau des ersten von geplanten vier kleinen modularen Reaktoren vom Typ BWRX-300 auf dem Gelände des bestehenden Kernkraftwerkes Darlington in der Provinz Ontario erhalten hat.
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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer legte nach. Er fordert niedrigere Strompreise und spricht sich daher für die Rückkehr der Atomkraft in Deutschland aus. „Wir haben die Chance verspielt, einen messbaren Teil der deutschen Energieversorgung CO2-frei zu günstigen Preisen zu bestreiten“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wir sind noch nicht an dem Punkt, an dem wir entscheiden müssen, ob wir ein neues Atomkraftwerk bauen“, sagte Sachsens Ministerpräsident. „Klar ist aber, dass Strom kein knappes, teures Gut sein darf.“ Kretschmer verweist auf das Nachbarland Polen, das in die Atomkraft einsteigt. Polen will 2028 mit dem Bau seines ersten Atomkraftwerks beginnen. Der erste Reaktorblock des in Slajszewo nordwestlich von Danzig geplanten Kernkraftwerks soll 2036 ans Netz gehen. Das neue Atomkraftwerk wird rund 250 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt entstehen. Im Jahr 2038 will die polnische Regierung das gesamte Bauvorhaben nahe der Ostsee abschließen.
Deutschland profitiert von den niedrigen Strompreisen seiner Nachbarn durch den Import von Atomstrom
Beide Äußerungen, von Söder und Kretschmer, sollten für Deutschland eigentlich ein energiewirtschaftlicher Lichtblick in diesen durch hohe Energiepreise und wirtschaftliche Stagnation geprägten Zeiten sein. Offensichtlich aber nicht für das für Energie zuständige Personal der SPD.
In der ARD bekam Frau Scheer dann an prominenter Stelle in der „Tagesschau“ umgehend Sendezeit eingeräumt, um den Äußerungen von Söder mit ihrer „fachlichen Expertise“ entschieden entgegenzutreten. So behauptete Scheer unter anderem, dass Atomenergie die teuerste Form der Energiegewinnung sei. Da fragt man sich natürlich, warum Deutschland im Vergleich zu seinen Nachbarn, die Atomkraftwerke betreiben, die höchsten Strompreise in Europa hat. Deutschland profitiert aber gerne von den niedrigen Strompreisen seiner Nachbarn durch den erheblichen Import von Atomstrom. Im Jahr 2024 stand der Atomstrom mit 18.313 Gigawattstunden an der Spitze der aller Stromimporte in Deutschland. Frankreich produziert den Atomstrom übrigens mit 6 Cent pro Kilowattstunde und die Schweiz mit 4 bis 7 Rappen. Frau Scheer favorisiert dagegen regenerative Energien und Stromspeicher. Das Preisszenario für Gewerbespeicher liegt derzeit bei 450 bis 800 Euro pro Kilowattstunde. Der Tagesstromverbrauch in Deutschland liegt bei 1250 Gigawattstunden, das sind 1.250.000.000 Kilowattstunden. Der derzeit größte Batteriespeicher Deutschlands in Bollingstedt (Schleswig-Holstein) hat eine Kapazität von etwa 239.000 Kilowattstunden. Damit könnte Deutschland bei Dunkelflaute also gerade mal 16 Sekunden lang mit Strom versorgt werden.
Und hier noch eine kleine (kostenlose) Nachhilfe in Sachen Kernenergie für Frau Scherer: Uran, der „Brennstoff“ der Kernkraftwerke, hat die höchste Energiedichte aller Energieträger. Ein Kilogramm Natururan liefert so viel Strom wie 16.000 Kilogramm Steinkohle oder 10.000 Kilogramm Gas. Was in einem Kohlekraftwerk volumenmäßig in einer Stunde verfeuert wird, würde in Form von Uran reichen, um drei Kernkraftwerke ein ganzes Jahr lang zu betreiben! Drei bis vier Uranpellets reichen aus, um eine vierköpfige Familie ein Jahr lang mit Strom zu versorgen.
Die SMR-Reaktoren sind inhärent sicher
Dementsprechend gering ist auch die Abfallmenge. Bei der Stromerzeugung in einem typischen 1000-Megawatt-Kernkraftwerk, das den Bedarf von über einer Million Menschen decken kann, entstehen jährlich lediglich drei Kubikmeter verglaster hochradioaktiver Abfälle, sofern der verbrauchte Brennstoff recycelt wird. Zum Vergleich: Ein 1000-Megawatt-Kohlekraftwerk produziert jährlich rund 300.000 Tonnen Asche und mehr als sechs Millionen Tonnen Kohlendioxid. Der CO2-Fußabdruck eines Kernkraftwerkes beträgt über die gesamte Lebenszeit, d.h. Bau und Betrieb, fünf Gramm CO2 pro Kilowattstunde, der eines Steinkohlekraftwerks 1080 Gramm pro Kilowattstunde. Der CO₂-Fußabdruck einer Photovoltaikanlage liegt beim Siebenfachen und jener einer Windkraftanlage beim Dreifachen des Wertes eines Kernkraftwerks.
Aber auch sonst kommt von Frau Scheer nichts Neues, das wir nicht schon kannten. Am Ende ist es immer das gleiche Mantra der seit Gorleben ideologisch geprägten Anti-Atom-Bewegung: zu unsicher, zu viel Atommüll.
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• Die SMR-Reaktoren sind inhärent sicher, d.h. die Reaktoren sind aufgrund ihrer Physik und Geometrie in der Lage, sich komplett autark herunterzufahren und die Nachwärme ohne aktive Kühlung und Stromversorgung von außen abzuführen.
• In den Dual-Fluid- und Molten-Salt-SMR kann aufbereiteter Atommüll eingesetzt werden, z.B. aus den in den Castoren eingelagerten Brennelementen, die noch 96 Prozent Uran enthalten. Die Menge des hochradioaktiven Abfalls, der endzulagern wäre, könnte damit drastisch reduziert werden.
Strategie der Grünen war es stets, die Endlagerung als unlösbares Problem darzustellen
Aber auch in Sachen Endlager noch eine kleine Nachhilfe für Frau Scheer: Das finnische Endlager in Olkiliuoto ist seit 2024 im Probebetrieb, das schwedische Endlager ist im Bau. Aber die Strategie der von Jürgen Trittin maßgeblich geprägten Anti-Atom-Politik der Grünen war es stets, die Endlagerung des Atommülls als schier unlösbares Problem darzustellen, denn es war eines ihrer wichtigsten Argumente gegen die Nutzung der Kernenergie.
Man fragt sich, wie lange es sich Deutschland noch leisten will und kann, sich durch anmaßende Halbwissende wie Nina Scheer die Zukunft verbieten zu lassen. Vielleicht wäre es angeraten, politische Ämter nicht nur nach der Parteizugehörigkeit, sondern auch nach der fachlichen Qualifikation für das Amt auszuwählen. Ich würde es mir auf jeden Fall nie erlauben, Frau Scheer über das Spiel der Violine zu belehren. Auch dem ÖRR wäre es angeraten, zukünftig bei der Auswahl seiner Experten:innen mehr Sorgfalt walten zu lassen.
Mich erinnert das an die von Angerla Merkel nach Fukushima einberufene Ethikkommission zur Absicherung ihres „Atommoratoriums“. In der Kommission saßen neben Philosophen, Soziologen und Politologen auch ein katholischer und ein evangelischer Bischof. Ich dachte mir damals: Was hätten eigentlich die Herren Bischöfe gesagt, wenn ein Maschinenbau-Ingenieur wie ich in eine Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs in der Kirche berufen worden wäre?

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