FOCUS Briefing
Die Brandmauer muss weg! „Sie nützt vor allem der AfD“
Thomas Tuma, Freitag, 07.11.2025;
Die beiden Fragen lauten: Wie geht’s weiter mit der AfD? Und wie geht’s weiter mit der schwarz-roten Koalition, die manche Beobachter in ihrer Zerstrittenheit ja schon nach einem halben Jahr an die Spätphase der Ampel erinnert? „Wir werden nicht gemeinsam mit denen sterben“, soll CDU-Fraktionschef Jens Spahn unionsintern jüngst über den Koalitionspartner SPD geschimpft haben.
Und sei es, um ihre Fiktionen zu zerstören, sie allein sei im Besitz der einzigen Wahrheit. Selbst die schönsten Sprechblasen zerplatzen ja meist an der scharfkantigen Wirklichkeit des politischen Tagesgeschäfts. Und dass die AfD davon bislang ferngehalten wird, hilft ihr verrückterweise am meisten.
So
wie’s ist, kann es jedenfalls nicht bleiben, befand schließlich vor
wenigen Tagen der Siegener Politologe Philip Manow in einem Gastbeitrag
für den „Stern“. Die Brandmauer provoziere nur Probleme:
Den erodierenden Etablierten fällt die Bildung von Regierungsmehrheiten
immer schwerer. Das verpflichtet sie zu programmatischer
Selbstverleugnung, was wiederum zu Koalitionskrächen führt und die AfD
als vermeintlich einzige Antwort prompt noch stärker macht.
Nächste Ausfahrt Selbstverzwergung?
Kurz:
Je höher die Mauer, umso ungestörter blühen dahinter die Extreme. Manow
bilanziert: „Die Brandmauer nützt vor allem der AfD.“
Ein Teufelskreis, denn während der einen Seite anstrengungsfrei die Wählerstimmen in den Schoß fallen, strampeln sich die anderen geradezu in die eigene Selbstverzwergung. Manows Idee: ein dritter Weg zwischen Brandmauer und Gekuschel mit der AfD. Warum nicht doch mal eine Minderheitsregierung versuchen, die sich ihre Mehrheiten stets neu sucht? Mal links, mal rechts, mal mitten durch?
Das wäre ehrlicher, transparenter und natürlich auch mühsamer, vor allem wenn es um langfristige Ziele ginge. Und klar könnte die Schwäche so einer Minderheitsregierung sie auch erpressbar machen. Aber obwohl die deutsche Demokratie über 70 Jahre lang eine Art politische Monogamie vorgelebt hat – Pflicht ist derlei nicht.
Minderheitsregierungen können klappen
In Skandinavien etwa sind Minderheitsregierungen geradezu Alltag. Oft schaffen flexible Allianzen erst die Kraft zu beherzter Modernisierung. Auch Kanada, Spanien und andere Länder haben das Werkzeug schon genutzt. Soweit ich das beurteilen kann, ist keines dieser Länder daraufhin dem Faschismus anheimgefallen.
Zumindest die Diskussion darüber sollte man auch in der Bundesrepublik mal eröffnen dürfen. Lebendiger als eine tote Mauer wäre das allemal.

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