14 August 2025

The Pioneer - Alaska - Merz und der böse Wolf

The Pioneer
Alaska
Merz und der böse Wolf
Gabor Steingart, 14.08.2025
Bevor das Rotkäppchen sich auf den Weg machte, die kranke Großmutter mit Kuchen und Wein zu besuchen, gab ihr die Mutter den wohlgemeinten Rat:

"Geh hübsch sittsam und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas."

Ähnlich altklug muten die Ratschläge an, die die Europäer dem amerikanischen Präsidenten mitgeben, bevor er sich morgen auf den Weg zu Putin macht.
Auch Donald Trump soll hübsch sittsam bleiben und sich auf keinen schmutzigen Deal mit dem bösen Wolf einlassen. Er soll auf jenem Weg laufen, den die Europäer ihm vorgezeichnet haben. Und auf keinen Fall soll er wieder stolpern und das Glas zerbrechen.
Im Märchen der Gebrüder Grimm hat sich das Rotkäppchen nicht an den gut gemeinten Rat gehalten. Als sie dem Wolf begegnet und der sie auffordert, doch der Großmutter ein paar Blumen zu pflücken, verliert sie sich in der bunten Wiese.
So lässt sie dem Wolf genau die Zeit, die er braucht, um die Großmutter zu fressen. Seine List hat funktioniert. Der Wolf war schlauer als die Großmutter und das Rotkäppchen zusammen.
Ob der wohlfeile Rat der Europäer am Ende die böse Tat des Wolfes Putin verhindert, darf auch in der Gegenwart bezweifelt werden. Bisher droht Trump ihm lediglich mit „sehr schwerwiegenden Konsequenzen“, falls er sich nicht auf einen Frieden in der Ukraine einlasse. Vier Anmerkungen:
Anmerkung 1: Europäer engen Trumps Spielraum ein

Irrsinn mit den Deutschkursen (Focus Nesletter)

Irrsinn mit den Deutschkursen (Focus Nesletter)
Tanita Koch,13.08.2025
Die Biographie von Bärbel Bas flößt Respekt ein. Von der Hauptschule zur Bundesministerin – wie viel Fleiß und Disziplin dafür nötig waren, weiß nur sie.
Vielleicht will die SPD-Chefin gerade deshalb, dass andere es leichter haben. Im ARD-Sommerinterview bewies sie jedoch gerade, dass ihre Prioritäten Teil des Problems sind, nicht der Lösung.
Auf die Frage, warum so viele ukrainische Flüchtlinge in Deutschland nicht arbeiteten, verwies sie reflexhaft auf „Hemmnisse” wie etwa fehlende Deutschkurse: „Wer stellt denn jemanden ein, der die Sprache nicht richtig spricht?“
Naja, in den 1960ern wäre die Antwort gewesen: Daimler, VW, BMW, Bosch, Ford, Rheinische Braunkohlewerke… Heute lautet sie: McDonalds, DHL, Hermes, Amazon…
Nicht zu vergessen all jene Unternehmen, die über die hochgelobte „Westbalkanregelung” Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien anwerben. Ohne Anerkennung einer Qualifikation, ohne Deutschkenntnisse – Arbeitsvertrag genügt.
Offenbar hat Bas sich also länger keine Pizza liefern lassen, fährt nicht mit Uber und isst selten in Berliner Restaurants, wo die Bedienung oft nur Englisch spricht. Das beklagte Jens Spahn bereits 2017.
Seither hat sich eher das Fremdsprachenniveau der Kunden verbessert als das Deutsch der Kellner. Wenn die Läden nicht ohnehin wegen Personalmangels dicht machen.
Speditionen suchen Trucker, Verkehrsbetriebe Busfahrer, und die Liste wird immer länger. Doch den Arbeitsmarkt scheint die Arbeitsministerin zu ignorieren: Die Nachfrage an Spezialisten wächst rapide, ebenso aber der Bedarf an Helferjobs. Einfache, manuelle Tätigkeiten, die sich schlecht automatisieren lassen.
Glaubt die SPD wirklich, dass das bloß prekäre, unwürdige Beschäftigungen sind? In der Realität arbeitet fast die Hälfte der erwerbstätigen Geflüchteten als Geringqualifizierte – und sie werden dringend gebraucht.
Allein der Logistikkonzern DHL hat seit 2015 mehr als 30.000 Flüchtlinge eingestellt. Bessere Sprachkenntnisse hätten manch falsch abgelegtes Paket verhindert – doch man stelle sich vor, was ohne ausländische Boten bei uns los wäre: Weihnachten im Mai. Vielleicht.
Deutschkenntnisse fördern Integration und Aufstiegschancen. Arbeit aber auch. Der deutsche Irrsinn: Derzeit arbeiten massenweise Menschen nicht, da sie auf Deutschkurse warten, die nicht stattfinden, weil – Überraschung – Tausende Lehrer fehlen.
Arbeitsmarktforschern zufolge dauert es durchschnittlich sechs bis acht Jahre, bis Asylbewerber bei uns in eine reguläre Beschäftigung kommen. Teure Jahre, für den Sozialstaat, den Steuerzahler und den gesellschaftlichen Frieden. Leisten können wir uns das längst nicht mehr. Das müsste eigentlich auch Ministerin Bas wissen.

The Pioneer - Europa: Falsche Bescheidenheit

The Pioneer
Europa: Falsche Bescheidenheit
Gabor Steingart, Nico Giese 12.08.2025
Chinese müsste man sein. Dann wird man von Donald Trump weniger ruppig behandelt als wenn man das Pech hat, Europäer zu sein.
The Chinese people are strong, they are smart, they are great negotiators“, sagt Trump über die Außenhandelspolitik der Chinesen.
„They ripped us off.“ Das sagt Trump über die Handelspolitik der Europäer.
Der chinesische Staatspräsident war schon in Trumps erster Amtszeit nach Mar-a-Lago zum Abendessen eingeladen. Ursula von der Leyen, Angela Merkel und Friedrich Merz kennen die Residenz mit den goldenen Wasserhähnen nur aus dem Fernsehen.
Die Zölle für chinesische Importe wurden mehrfach angedroht und gestern wieder aufgeschoben. Die Zölle für europäische Importe hat man der EU-Kommissionspräsidentin ohne Verhandlungen mitgeteilt. Smile or die.
Dabei ist Europa zwar politisch ein Zwerg, aber ökonomisch ein Kämpfer der Mittelgewichtsklasse. Es gibt keinen Grund für Unterwürfigkeit.
#1 Der amerikanische Energiemarkt lebt von europäischen Abnehmern

The Pioneer - Krankenkassen wollen ihr Geld zurück

Bürgergeld
Krankenkassen wollen ihr Geld zurück
Nils Heisterhagen, 11.08.2025
Krankenkassen sind auf der Zinne. Zehn Milliarden Euro kosten sie die Bürgergeldbezieher im Jahr. Sie fordern ein Ende dieser Kostenbelastung
Die Kosten steigen: Das Bürgergeld hat 2024 insgesamt 46,9 Milliarden Euro gekostet. Das ist ein Plus von rund vier Milliarden Euro im Vergleich zu 2023.
Was viele nicht wissen: Auf dieses Geld kommen die Kosten für die Krankenversicherung der Bürgergeldempfänger noch obendrauf. Für Beiträge zahlt der Staat den Kassen 133 Euro pro Person. Macht bei 5,6 Mio. Bürgergeldempfängern rund 750 Mio Euro. Nur, möchte man sagen. Denn die gesetzlichen Krankenkassen zahlen laut ihrem GKV-Spitzenverband rund zehn Milliarden Euro im Jahr für die Gesundheitskosten der Bürgergeldempfänger.
Dieses Geld sollte eigentlich der Staat zahlen, zurzeit zahlen es allerdings überwiegend die Krankenkassen und damit die Versicherten. Heißt: Das sind Bürgergeld-Kosten, die noch draufzurechnen sind.
Oliver Blatt, Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, sagt zu The Pioneer:

"Kurzfristig sollte die gesundheitliche Versorgung der Bürgergeldbeziehenden fair und korrekt vollständig aus dem Bundeshaushalt finanziert werden."

Es gehe um zehn Milliarden Euro, „mit denen die Krankenkassen jährlich den Bundeshaushalt subventionieren“.
Und Blatt ergänzt: „Mittel- bis langfristig brauchen wir zudem dringend nachhaltige Strukturreformen, um die überbordende Kostenentwicklung in den Griff zu bekommen. Ausgabensteigerungen von bis zu zehn Prozent kann kein Gesundheitssystem der Welt auf Dauer finanzieren.“
Aus dem Gesundheitsministerium von Nina Warken heißt es: Die Ministerin habe mehrfach darauf verwiesen, dass die GKV strukturell unterfinanziert ist und dass grundlegende Reformen nötig seien, um die Krankenversicherung zu stabilisieren. Deswegen werde zeitnah – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – eine Kommission eingesetzt, die eine grundlegende Reform der GKV vorbereiten solle.

12 August 2025

339 Wissenschaftler - Der Persilschein für Frauke Brosius-Gersdorf (WELT+)

339 Wissenschaftler
Der Persilschein für Frauke Brosius-Gersdorf (WELT+)
Von Volker Rieble, 11.08.2025Lesedauer: 5 Minuten
Mit einem Persilschein versuchten 339 Wissenschaftler, jeden Zweifel an Frauke Brosius-Gersdorf zu unterbinden. Angesichts der erheblichen Plagiatsvorwürfe müssen sich die Unterzeichner nun unangenehme Fragen stellen lassen – erklärt der Jurist Volker Rieble.
In ihrer (t)rotzigen Verzichtserklärung hat Frauke Brosius-Gersdorf, Ex-SPD-Kandidatin fürs Bundesverfassungsgericht, neben einem solipsistischen Weltbild offenbart, dass sie Misogynie durch „einzelne Journalisten (nicht: Journalistinnen)“ am Werk sieht. Dass also die Kritik an fragwürdigen Grundrechtspositionen und ein erheblicher und gut begründeter Plagiatsverdacht auf sie als Frau zielten. Dass obskure Männer von Kritik verschont würden, weist sie nicht nach.
Brosius-Gersdorf versteigt sich sogar dahin, dass die Nichtwahl ihren Gebrauch eigener Wissenschaftsfreiheit sanktioniere. So schreibt sie über ihre Aussage zur „Menschenwürdegarantie erst ab Geburt“, dass „dieser Satz Ausdruck wissenschaftlicher Freiheit ist, die durch meine Nichtwahl sanktioniert wird“. Als ob das Parlament jeden kritiklos zu wählen habe, nur um nicht gegen die Wissenschaftsfreiheit zu verstoßen. Mit dieser Erklärung hat die Kandidatin ihre Nichteignung besser unter Beweis gestellt, als das jeder Kritiker vermochte.
Bestärkt wurde sie durch eine Stellungnahme der eigenen Fakultät und Universität in Potsdam, vor allem aber durch ein auf dem „Verfassungsblog“ veröffentlichtes Solidaritätsschreiben. Brosius-Gersdorf wird dort als „hoch angesehene und renommierte Staatsrechtslehrerin“ notiert – hat sich damit jede Kritik erledigt? Kritische Stimmen werden als „mit Unwahrheiten und Diffamierungen gespickte[n] Kampagnen“ abgetan. Einen konkreten und einlassungsfähigen Beleg für unwahre Tatsachenbehauptungen, ehrabschneidende Diffamierungen oder gar die Steuerung eines Meinungsfeldzuges durch einen Kampagnenführer liefert jener vorauseilende Freispruch nicht. Alles nur heiße Luft. Die Solidaritätsadresse spricht Nicht-Staatsrechtlern das Recht ab, das Menschenwürdeverständnis der Kandidatin zu beleuchten.
Doch geht es nicht um ein akademisches Seminar. Das Bundesverfassungsgericht hat die Macht, Würdeschutz und Lebensrecht neu zu konturieren – nicht nur beim Schwangerschaftsabbruch, auch gegenüber Dementen, Komatösen und Sterbenden. Und das Bundesverfassungsgericht hat das letzte Wort zu Impfpflichten. Wird der Staat totalitär, wenn er den Zugriff des Staates oder Privater auf Leib und Leben legitimiert? Diese Frage wollen eingebildete Professoren lieber unter sich ausmachen.

05 August 2025

Ermittlungen und Prozesse dürfen nicht als Strafe eingesetzt werden. Doch genau das geschieht in Deutschland immer öfter (NZZ)

Ermittlungen und Prozesse dürfen nicht als Strafe eingesetzt werden. Doch genau das geschieht in Deutschland immer öfter (NZZ)
Die deutsche Justiz geht immer aktivistischer vor. Das groteske Verfahren gegen den Gründer der «Querdenken»-Bewegung ist nur das jüngste Beispiel.
von Oliver Maksan, 01.08.2025, 3 Min
Der deutsche Staat schiesst seit einigen Jahren mit wachsendem Eifer mit Kanonen auf Spatzen. Aus seiner Sicht mag das verständlich sein. Er sieht sich schliesslich von Bürgern umstellt, die ihn und seine Institutionen systematisch diskreditieren wollen.
Die Schublade der «verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates» hatte der deutsche Inlandgeheimdienst auf dem Höhepunkt der Pandemie im Frühjahr 2021 eigens geschaffen, um die eigentlich ziemlich bunte Schar der Kritiker der staatlichen Corona-Massnahmen darin ablegen zu können. Schon damals wurden so Bürger, die für ihre Rechte demonstrierten, unter Generalverdacht gestellt.
Überschiessender Verfolgungseifer des Staates
Es ist seither nicht besser geworden. Das zeigt der Fall Michael Ballweg. Der Gründer der massnahmenkritischen «Querdenken»-Bewegung aus der Corona-Zeit wurde jetzt in Stuttgart vom Vorwurf des versuchten Betrugs freigesprochen. Verurteilt wurde er unter anderem wegen Steuerhinterziehung in Höhe von etwa 20 Euro, darunter unrechtmässig geltend gemachte Ausgaben für eine Hundematte.
Dieser Farce vorausgegangen waren eine unverhältnismässig lange Untersuchungshaft von fast neun Monaten und ein Prozess, den das Gericht selbst einstellen wollte, in den sich aber eine aktivistische Staatsanwaltschaft trotz offenkundiger Aussichtslosigkeit unbeirrbar verbissen hatte.
Dass jetzt Vermutungen leicht verfangen, wonach hier möglicherweise politische Motive leitend waren, hat sich die Staatsanwaltschaft selbst zuzuschreiben. Da deutsche Staatsanwälte weisungsgebunden sind, ist eine politische Einflussnahme durch die Justizminister zudem grundsätzlich immer denkbar.
Hausdurchsuchungen bei Rentnern

Der Fall Michael Ballweg - Wenn Politik und Justiz eine unheilige Allianz eingehen (Cicero)

Der Fall Michael Ballweg
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Wenn Politik und Justiz eine unheilige Allianz eingehen (Cicero)
Michael Ballweg ist freigesprochen worden, trotz des Furors der Staatsanwälte. Was bleibt, ist eine Verwarnung wegen 19,53 Euro in der Steuererklärung des „Querdenken“-Gründers. Und ein böser Verdacht: War das ein politischer Prozess?
VON VOLKER BOEHME-NESSLER am 2. August 2025 7 min
In Stuttgart ist ein bemerkenswertes Urteil gefallen. Das dortige Landgericht hat den Unternehmer Michael Ballweg freigesprochen. Nach 279 Tagen Untersuchungshaft und 44 Verhandlungstagen hat das Gericht keine Grundlage für eine Verurteilung gesehen. Anders, als es viele Medien aktuell berichten, ist Ballweg auch nicht wegen (versuchter) Steuerhinterziehung verurteilt worden – auch wenn das manche Medien, die an einer Hexenjagd gegen Michael Ballweg beteiligt waren, nicht wahrhaben wollen.
Das Urteil ist ein Freispruch – ohne Wenn und Aber. Das Gericht hat lediglich eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen. Eine Verwarnung ist juristisch gesehen natürlich keine Strafe. Und der Grund für die Verwarnung ist denkbar banal: Ballweg hat Waren – ein Parfüm und eine Hundematte – im Wert von 19,53 € bei seiner Steuererklärung falsch verbucht. Also: glatter Freispruch nach einem langen Prozess – und noch längerer Untersuchungshaft. Das klingt nach einer herben Blamage für die Staatsanwälte. Was ist da schiefgelaufen?
Michael Ballweg und „Querdenken 711“
Die juristische Blamage hat eine Ursache: Der Prozess hat einen politischen Hintergrund. Er lässt sich nicht verstehen, ohne die Rolle, die Michael Ballweg schon sehr früh als starker und deutlicher Kritiker der staatlichen Coronamaßnahmen gespielt hat. Im Frühjahr 2020 hat er in Stuttgart die kritische Protestbewegung „Querdenken 711“ gegründet. Hier haben sich Menschen gesammelt, die aus unterschiedlichsten Perspektiven Kritik an den repressiven Coronamaßnahmen der Regierung übten. 
Zu dieser Zeit war querdenken noch ein positiv besetzter Begriff: Querdenker waren seit Jahrhunderten Menschen, die eigenständig, kritisch und unorthodox dachten. Sie stellten herrschende Meinungen, Ideologien und Dogmen infrage. Ohne sie hätte es keinen geistigen Fortschritt und keine Aufklärung gegeben. „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ – mit diesem berühmten Diktum hat Immanuel Kant 1784 auf den Punkt gebracht, was querdenken heißt. Seitdem war sein „Sapere aude“ der Schlachtruf der Aufklärung.

Neue Vorwürfe gegen Frauke Brosius-Gersdorf – Plagiatsprüfer sieht schweres Fehlverhalten (NZZ)

Neue Vorwürfe gegen Frauke Brosius-Gersdorf –
Plagiatsprüfer sieht schweres Fehlverhalten (NZZ)
Hat die Rechtswissenschafterin betrogen? Ein bekannter Gutachter behauptet, ihr Mann habe ihre Doktorarbeit geschrieben. Die SPD-Kandidatin für eine Richterstelle am deutschen Verfassungsgericht will sich juristisch gegen die Anschuldigungen wehren.
Jonas Hermann, Berlin, 05.08.2025, 3Min
Die Debatte um die deutsche Juristin Frauke Brosius-Gersdorf hat eine neue Wendung genommen. Der österreichische Plagiatsgutachter Stefan Weber hat am Montagabend ein umfangreiches Gutachten veröffentlicht, in dem er Vorwürfe gegen das Ehepaar Brosius-Gersdorf erhebt. Laut Weber spricht vieles dafür, dass der Rechtswissenschafter Hubertus Gersdorf die Dissertation seiner Frau geschrieben hat.
Im Juli hatten die Unionsparteien CDU und CSU die Wahl von Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin verhindert und als Begründung Plagiatsvorwürfe genannt. Damals schien es so, als sei dieser Einwand vorgeschoben, um die Kandidatin auf den letzten Metern zu stoppen. Die Anschuldigungen waren von Weber erstmals kurz vor der Wahl erhoben worden. Er hatte sie aber wenig später relativiert.
Nun die Wende: Weber hat ein Gutachten im Umfang von 86 Seiten vorgelegt, um zu beweisen, dass Hubertus Gersdorf der Ghostwriter der Doktorarbeit seiner Frau ist. Zuerst hatte die «Bild»-Zeitung über die neuen Vorwürfe berichtet. Laut der Zeitung hatten die Anwälte von Brosius-Gersdorf versucht, die Redaktion davon zu überzeugen, nicht über den Vorgang zu berichten. Die Anwälte wollen juristisch gegen Weber vorgehen. Seine Anschuldigungen seien falsch und würden Persönlichkeitsrechte verletzen.
91 verdächtige Passagen

Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf - Plagiatsexperten: „Das ist ganz sicher kein Zufall“ (BZ-Berlin)

Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf

Plagiatsexperten: „Das ist ganz sicher kein Zufall“ (BZ)
Was ist wirklich dran an den neuen Vorwürfen gegen die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf?
In einem Abschlussbericht, der BILD vorliegt, erhebt „Plagiatsjäger“ Stefan Weber den Verdacht, ihr Ehemann – der Jurist Hubertus Gersdorf – habe ihre Doktorarbeit mindestens teilweise als „Ghostwriter“ (deutsch: heimlicher Autor) verfasst.
Schon im Juli hatte Weber der Juristin angebliche Ungereimtheiten in ihrer Dissertation vorgehalten. Die Folge: Nachdem schon zuvor Kritik an der Juristin wegen ihrer Positionen zu Abtreibung oder AfD‑Verbot aufkam, nahm die CDU-Fraktion den Plagiatsvorwurf zum Anlass, Brosius-Gersdorf im Bundestag nicht mehr zu wählen – ein Eklat, der die Koalition aus SPD und Union massiv belastete.
Plagiatsvorwurf: Wie belastbar ist der Ghostwriting-Vorwurf
Nun hat BILD den neuen Weber-Bericht zwei der renommiertesten Plagiatsexperten Deutschlands vorgelegt – und sie gefragt: Wie belastbar sind der Ghostwriting-Vorwurf und Webers Gutachten?
Die Fachleute zeigen sich angesichts von Webers Ghostwriting-These vorsichtig. Sie machen aber klar, dass die Gemeinsamkeiten in den Arbeiten von Brosius-Gersdorf und ihrem Mann kein Zufall sein können.
Gemeinsamkeiten nur Zufall? „Würde ich ausschließen“

04 August 2025

Die CDU nach zehn Jahren „Grenzöffnung“ - Als Angela Merkel den deutschen Rechtspopulismus mit aus der Taufe hob (Cicero)

Die CDU nach zehn Jahren „Grenzöffnung“
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Als Angela Merkel den deutschen Rechtspopulismus mit aus der Taufe hob (Cicero)
Vor zehn Jahren setzte die Bundeskanzlerin eine unkontrollierte Massenmigration in Gang. Deren Folgen belasten das Land bis heute – und haben den Aufstieg der AfD befördert. Dass die CDU jetzt in der Koalitionsfalle sitzt, hat sie vor allem ihrer einstigen Vorsitzenden zu verdanken.
VON ALEXANDER MARGUIER am 3. August 2025 7 min
Als Angela Merkel vor zehn Jahren mit ihrer sogenannten Grenzöffnung eine bis heute anhaltende und weitgehend unkontrollierte Massenmigration auslöste, begann eine in der Geschichte der Bundesrepublik nie gekannte Erosion des Vertrauens der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit des Staates. Daran konnten auch homöopathische Verlegenheitsmaßnahmen wie das „Türkei-Abkommen“ nichts ändern, denn nun waren „sie eben hier“, wie die Kanzlerin in ihrer lakonisch-wurstigen Art konstatierte.
Die damalige CDU-Vorsitzende hält es bis heute kaum für nötig, sich für ihre folgenschwere Entscheidung vom Spätsommer des Jahres 2015 zu rechtfertigen – es ist der Trotz einer Frau, der aus unerfindlichen Gründen der Ruf vorauseilte, die Dinge stets bis zum Ende zu durchdenken. Denn aus heutiger Sicht wäre sie damit willentlich die Architektin der AfD gewesen, weil der Aufstieg dieser Partei rechts der deutschen Christdemokratie ohne Merkels Zutun schlicht undenkbar ist – wofür allein schon deren Name spricht.
„Alternative für Deutschland“ war eine Replik auf die von der Regierungschefin behauptete Alternativlosigkeit ihrer Politik. Debatten, zumal solche über die Grundfesten deutscher Staatlichkeit, waren schon damals unerwünscht, erst recht in einer Machtpartei wie der Union, zu deren Selbstverständnis es gehört, die Kanzler zu stellen und deren Amtsführung nicht zu hinterfragen.
Demonstration des Kadavergehorsams
Der CDU-Parteitag vom Dezember 2015 mit seinen standing ovations für Angela Merkel war eine verstörende und einer lebendigen Demokratie unwürdige Demonstration des Kadavergehorsams, weil natürlich den allermeisten Delegierten bereits klar war, dass die Vorsitzende wenige Monate zuvor die Büchse der Pandora geöffnet hatte. Der Bevölkerung jedenfalls blieb nichts anderes übrig, als über dieses verlogene Schauspiel ungläubig zu staunen – beziehungsweise sich einer anderen Partei zuzuwenden, von der der einstige CDU-Generalsekretär Peter Tauber selbstherrlich sagte, er wolle kein einziges dorthin übergelaufenes Mitglied zurück.

Terroristen unter uns - Im Visier der Hamas (Cicero)

Terroristen unter uns
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Im Visier der Hamas (Cicero)
In Berlin läuft ein aufsehenerregender Prozess gegen vier mutmaßliche Hamas-Anhänger, die Anschläge in Deutschland geplant haben sollen. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Der lange Arm der Terrororganisation Hamas reicht schon längst bis in die Bundesrepublik und das tiefer denn je.
VON CLEMENS TRAUB am 4. August 2025 17 min
Die Sicherheitsvorkehrungen für Saal 142 sind massiv. Laptops, Rucksäcke und Jacken müssen in einem Spind verstaut werden. Mit einem Metalldetektor suchen die Beamten nach gefährlichen Gegenständen. Selbst die Schuhe müssen ausgezogen werden, um die Füße absuchen zu können. Und wer das Prozedere erfolgreich durchlaufen hat, sitzt anschließend dennoch hinter einer dicken Glasscheibe, welche die Zuschauer vom eigentlichen Gerichtssaal im Strafsenat des Berliner Kammergerichts in Moabit trennt.
Auf den Beobachterbänken flüstern vereinzelt Frauen mit Kopfverschleierung. Die Stimmung ist angespannt. Ein Dolmetscher übersetzt aus dem Arabischen. Die Angeklagten – Abdelhamid Al A., Ibrahim El-R., Mohamed B. und Nazih R. – sitzen wie in einem Glaskäfig. Sie stehen wegen des Verdachts auf „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ seit Februar 2025 vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, als Auslandsoperateure der Hamas gearbeitet und für Waffendepots in Polen, Bulgarien und Dänemark zuständig gewesen zu sein.
Deutschland: Noch Rückzugsort oder schon Ziel?
Es ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Bundesanwaltschaft spricht von einem „Pilot-Verfahren“: Erstmals läuft ein Prozess gegen Hamas-Operateure, die wohl gezielt nach Europa geschleust wurden – mit dem Ziel, Anschläge zu ver­üben. Doch dieses Verfahren in Berlin ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn der lange Arm der Hamas, das wird bei den Recherchen zu diesem Beitrag deutlich, reicht längst weit hinein in die deutsche Gesellschaft – und über Tarnorganisationen und widersprüchliche Clan-Verbindungen bis hin zu gezielter Propaganda auf Social Media. Eine Terrororganisation aus Nahost hat die Bundesrepublik im Visier.
In den Monaten vor und nach dem Hamas-Terror am 7. Oktober 2023 gegen Israel sollen die Männer, die in Berlin vor Gericht stehen, in Europa nervös nach Waffendepots gesucht haben, ehe sie nach einer intensiven Phase der Observation festgenommen wurden – drei der Beschuldigten in Berlin und einer in Rotterdam. Die 160 Seiten umfassende Anklage nennt mehrere potenzielle Anschlagsziele: die israelische Botschaft, das Tempelhofer Feld in Berlin und die US-Airbase Ramstein. Und einmal mehr soll ein „ausländischer Geheimdienst“ – mutmaßlich der israelische Geheimdienst Mossad – dafür die Hinweise geliefert haben.

01 August 2025

Wie groß ist der Hunger? Was ist wahr in Gaza, was ist Propaganda: Israel-Experte erklärt den Krieg um Fakten (Focus Online)

Wie groß ist der Hunger
Was ist wahr in Gaza, was ist Propaganda: Israel-Experte erklärt den Krieg um Fakten (Focus-Online)
Ben Segenreich, Freitag, 01.08.2025
Im Gazastreifen herrscht eine humanitäre Notlage – aber ob von einer echten Hungersnot gesprochen werden kann, ist umstritten. Während die Hamas von Hungeropfern spricht, verweisen Hilfsorganisationen auf „Ernährungsunsicherheit“. Israel spricht von gezielter Propaganda.
Die BBC berichtet von „extremem Hunger“ in Gaza, der deutsche Linken-Chef Jan van Aken bezeichnet die israelische Führung gar als „Hungermörder“. In Israel hingegen ist man entsetzt darüber, dass Medien und Regierungen in aller Welt einer „lügenhaften Hungerkampagne“ aufgesessen seien. Dadurch sei es der islamistischen Terrororganisation Hamas gelungen, politischen Druck auf Israel aufzubauen und, zumindest vorläufig, ihr eigenes Überleben zu sichern. Aber wie ist das nun wirklich mit der „Hungersnot“ im Gazastreifen?
Eine knappe und klare Antwort auf diese Frage ist nicht möglich. Bemerkenswert ist, dass sogar die gegenüber Israel sehr kritische UNO in der Wortwahl vorsichtig bleibt: Das Palästinenserhilfswerk UNRWA und das World Food Programme sprechen nicht von „Hunger“ („starvation“ oder „hunger“), sondern von weit verbreiteter „Unterernährung“ („malnutrition“) oder „Ernährungsunsicherheit“ („food insecurity“), was ja auch schon schlimm genug ist.
Gaza: „Todesfälle durch Unterernährung konnten nicht nachgewiesen werden“
„Eine Hungersnot wurde nicht ausgerufen, weil … Todesfälle durch Unterernährung nicht nachgewiesen werden konnten“, hieß es erst am 29. Juli auf der Internetplattform UN News. Wer behauptet, überblicken zu können, was im Gazastreifen vorgeht, ist nicht seriös. Die Fläche ist zwar nur halb so groß wie die von Hamburg, aber in den verschiedenen Abschnitten sind das Kriegsgeschehen, die Bevölkerungsbewegungen, die Nahrungsmittelversorgung, die Präsenz von israelischem Militär, Hamas, Zivilbevölkerung jeweils verschieden und im Fluss. Der Bereich um das Beduinendorf Al-Mawasi war von Israel schon im Dezember 2023 zur „sicheren Zone“ erklärt worden, und Hunderttausende waren in diese Richtung geflohen. 
Doch im Gazastreifen ist alles kompliziert. Eine „sichere Zone“ ist nicht unbedingt sicher, weil Hamas-Männer sich systematisch gerade an Orten verstecken und organisieren, die grundsätzlich geschützt sein sollten, also in Krankenhäusern, Schulen oder eben „sicheren Zonen“. Deshalb werden auch „sichere Zonen“ manchmal von Israel angegriffen, was den Zivilisten die tägliche Nahrungsbeschaffung erschwert.
Ab 19. Mai ließ Israel dann doch wieder Hilfslieferungen durch, aber jetzt in Verbindung mit einem Plan, die Hamas zu umgehen und dadurch vielleicht als Verwaltungsmacht auszuschalten. Die Verteilung wurde der US-amerikanischen Agentur Gaza Humanitarian Foundation (GHF) anvertraut, was verhindern soll, dass die Güter der Hamas in die Hände fallen.  
Gaza gibt es ein Verteilungsproblem von Lebensmitteln

Wie groß ist der Hunger? Was ist wahr in Gaza, was ist Propaganda

Wie groß ist der Hunger?
Was ist wahr in Gaza, was ist Propaganda
Zu obigem Artikel passt nachfolgendes Video bis Minute 6:10

Hartes Urteil über DFB-Frauen

Wo sie Recht hat, hat sie recht
Hartes Urteil über DFB-Frauen
Was, wenn der Traum vom EM-Titel nie mehr als eine hübsch verpackte Illusion war? Während viele Fans das Abschneiden der DFB-Frauen als respektabel empfanden, zeichnet die erfahrene Trainerin Friederike Kromp ein wesentlich ernüchternderes Bild – eines, das nachdenklich macht. Denn obwohl das deutsche Team sich mit etwas Glück bis ins Halbfinale kämpfte, war laut Kromp die spielerische Kluft zu Nationen wie Spanien unübersehbar. Schon im Viertelfinale gegen Frankreich und im Gruppenspiel gegen Schweden wurde nicht etwa mutiger Angriffsfußball geboten, sondern ein zurückhaltender Stil, den Kromp als „Außenseiterfußball“ bezeichnet. Dabei reicht es ihrer Meinung nach nicht, rote Karten als Ausrede heranzuziehen, denn selbst gegen Polen und Dänemark blieb die spielerische Überlegenheit überschaubar. Was sie besonders irritierte: Der fast schon überschwängliche Optimismus im Vorfeld des Turniers, obwohl die Mannschaft in vielen Bereichen sichtbar wackelte – insbesondere in der Defensive, die selbst bei Siegen nicht stabil wirkte. Statt bescheidener Aufbauarbeit und realistischen Zielen wurde der Titelgewinn ausgerufen, ein Anspruch, der laut Kromp einfach nicht zur aktuellen Verfassung des Teams passte. Wer so hoch greift, sagt sie, muss sich auch an der Fallhöhe messen lassen.

25 Juli 2025

„Jedes Land erwärmt sich schneller als der Rest der Welt“ (Dieter Nuhr)

„Jedes Land erwärmt sich schneller als der Rest der Welt“
In diesem Video zerlegt Dieter Nuhr die Klimaberichterstattung à la Correctiv und Co. – und fragt sich, wie lange man die Menschen noch mit Statistiktricks veräppeln kann, bevor keiner mehr zuhört.

16 Juli 2025

The Pioneer - Sigmar Gabriel zur Kausa Brosius-Gersdorf

Sigmar Gabriel zur Kausa Brosius-Gersdorf
Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel wirft der SPD-Kandidatin für das Verfassungsgericht ein fehlendes Verständnis für die Würde des Amtes vor.
Der ehemalige Vizekanzler und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kommentiert die Ereignisse für The Pioneer wie folgt:
"Ich sehe die Diskussion um die für das höchste deutsche Gericht vorgeschlagene Juristin Brosius-Gersdorf mit wachsendem Unbehagen. Ja, es stimmt: Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jens Spahn hat offenbar wenig Gespür für die Stimmung in seiner Fraktion, sonst hätte er diesen Personalvorschlag der SPD bereits im Richterwahlausschuss stoppen müssen.
Aber dass die Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht jetzt durch Talkshows tingelt und sich in den politischen Meinungsstreit begibt, scheint mir ein deutlicher Hinweis dafür zu sein, dass sie offenbar ihr künftiges Amt völlig missversteht.
Das Verfassungsgericht soll weder wie das Parlament die Meinungsvielfalt der Gesellschaft abbilden noch sich in den politischen Meinungskampf begeben. Sondern es soll hinter verschlossenen Türen darüber beraten, wie unsere Verfassung angemessen ausgelegt und geschützt werden kann. Nicht als Teil des politischen Meinungsstreits, sondern als letzte Instanz, deren Entscheidungen den Rechtsfrieden herstellen.
Noch ist das Bundesverfassungsgericht die in unserer Bevölkerung mit weitem Abstand am meisten geachtete Institution unserer Demokratie. Wie CDU/CSU und SPD sowie leider auch die Kandidatin selbst damit umgehen, ist dazu geeignet, diesen Respekt vor dem Verfassungsgericht zu untergraben. Derzeit erscheint die Wahl vielen Beobachtern als ein für die Politik leider typisches Geschacher um Posten zu sein.
Wenn jetzt die SPD auch noch den Bestand der eben erst gebildeten Regierungskoalition an dieser Wahl infrage stellt, ist der Kladderadatsch vorprogrammiert. Koalitionen bestehen dann erfolgreich ihre Herausforderungen, wenn jeder Partner sich immer wieder die Mühe macht, sich in die Schuhe des anderen zu stellen, um dadurch den Raum für Kompromisse auszumessen.
Wer sich diese Mühe nicht macht, ist entweder denkfaul oder will die Koalition in Wahrheit gar nicht. Beides ist in der fragilen Lage unserer Demokratie unverantwortlich und hilft nur den Feinden unserer Verfassung."

The Pioneer - Verpasste Chance: Frauke Brosius-Gersdorf bei Lanz

Business Class Edition
Verpasste Chance: Frauke Brosius-Gersdorf bei Lanz
Guten Morgen,
Twitter-Schlacht, TV-Kontroverse, Unterschriftensammlung und dazu der routiniert erhobene Vorwurf, es handele sich um eine Schmutzkampagne: So werden Wahlkämpfe geführt. Die Enthemmung der Enthemmten bildet in der Regel das Grande Finale, das wir „die heiße Wahlkampfphase“ nennen. So wird man Kanzler oder Präsident. Der Anstand wird später – wenn man im hohen Staatsamt angekommen ist – nachgereicht.
Wenn aber die Nominierung einer Verfassungsrichterin sich wie die Fortsetzung des Wahlkampfes anfühlt, ist sie in dieser Sekunde schiefgelaufen. Der Schutz der Verfassung ist nicht das oberste, sondern das einzige Ziel des Bundesverfassungsgerichts. Wer nach Karlsruhe will, spricht nicht mit feuchter Aussprache. Er oder sie hat die Hand nicht zur Faust geballt, sondern ausgestreckt.
Ein Verfassungsrichter ist nicht links oder rechts, sondern moderat.
Dieses Mäßigungsgebot wird seit Tagen von allen Beteiligten verletzt. Die Elefanten tanzen Polka im Porzellanladen. Die Kandidatin selbst hätte gestern Abend in der Tonalität den Unterschied machen können. Aber das tat sie nicht. Das wollte sie offenbar auch gar nicht.
Sie war zu Markus Lanz gekommen, um anzuklagen („Kampagne“), um Mitleid zu erregen („Wir haben Drohungen bekommen“) und um Recht zu haben. Sie wollte Furor mit Furor erwidern. Sie wollte sich spüren, aber nicht andere überzeugen.
Ihr fehlte es nicht an Widerstandsgeist, Mut, Angriffslust und rhetorischer Raffinesse. Nur das, worauf es angekommen wäre, ließ sie vermissen: Sie zeigte weder Mitgefühl mit ihren christlichen Kritikern noch Verständnis für deren politische Vertreter im Bundestag. Sie kam nicht als Brückenbauerin, sondern als Sprengmeisterin.
Zweimal fragte Lanz, ob sie die Störgefühle ihrer Kritiker nachvollziehen könne. Zweimal lautete ihre Antwort: Nein.
Den philosophischen Lehrsatz – „Mäßigung ist nicht die Schwäche des Wollens, sondern seine Erhabenheit“ – mag sie für sich nicht gelten lassen.
So wird der moderate Geist der Verfassung durch die politische Überhitzung der Debatte verraten und durch das Temperament der Kandidatin dementiert. Karlsruhe ist ein Ort der parteipolitischen Windstille, wo der Parteienhader Zutrittsverbot hat. Hier herrscht eine kristalline Überparteilichkeit, hier legt man – wie bei der Priesterweihe – sein sündiges Vorleben ab und wird als neuer Mensch geboren.
Das Vorleben im Lasterhaften – so heißt es im Katechismus der Kirche – wird nicht ausgelöscht, aber von Gnade überformt.
Die Richterwerdung von Frauke Brosius-Gersdorf ist im Geburtskanal der Parteipolitik stecken geblieben. Heute Nacht haben wir den Höhepunkt und womöglich auch das Ende ihrer Kampagne erlebt. Sie kann dem Beruf des Verfassungsrichters nur noch durch Verzicht einen Dienst erweisen. Das muss für ihr Privatleben und für ihre Reputation als streitbare Juristin kein Nachteil sein. Oder wie Franz von Assisi zu sagen pflegte:
                    "Verzichte auf alles, was du besitzt, und du wirst reich sein".

The Pioneer - Brosius-Gersdorf: Die Selbstverteidigung bei Markus Lanz

Die Selbstverteidigung: Beim Thema Abtreibung blieb Brosius-Gersdorf auch in der Sendung bei Markus Lanz unbeirrt:
"Es ist falsch, dass ich gesagt hätte, ich bin für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt. Es ist auch falsch, dass ich gesagt oder geschrieben haben soll, dass der Embryo kein Lebensrecht hat."
(Diese Aussage ist unwahr, wie die Recherche von Julian Reichelt zu ihrem Gutachten für Lauterbach und Paus zeigt)
Ihre Kritiker korrigierte sie in juristisch abgeklärter Tonalität: 
"Richtig ist, dass ich für eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase eingetreten bin. Straffrei ist er schon heute, aber er ist rechtswidrig. Und ich bin der Meinung, dass er aus verfassungsrechtlichen Gründen rechtmäßig sein sollte."
Zu den Zuschauern vor den Fernsehgeräten sprach sie wie zu ihren Studenten im Jura-Hörsaal:
"Dahinter steht ein ganz schwieriger und hochsensibler Güterkonflikt zwischen den Grundrechten des Embryos auf der einen Seite und den Grundrechten der Frau auf der anderen. Für die Auflösung dieses Güterkonflikts war für mich entscheidend, dass die Grundrechte des Embryos und die Grundrechte der Frau nicht in allen Phasen der Schwangerschaft gleich zu gewichten waren."
Der Rückzug: Beim Thema AfD-Verbotsverfahren revidierte Brosius-Gersdorf ihre Aussagen („Man muss sehen, dass damit natürlich nicht die Anhängerschaft beseitigt wird.“) aus einer Lanz Sendung im Juli 2024.
"Ich habe mich an einer Stelle, das gebe ich auch gerne zu, nicht sehr glücklich ausgedrückt."
Und weiter:
"Ich bin kein Medienprofi. Das ist mir leider passiert und das ist bedauerlich – überhaupt keine Frage."
Der Vorwurf: Brosius-Gersdorf verteidigte sich gegen die negative Berichterstattung, indem sie zum Angriff überging:
"Es geht auch darum, was passiert, wenn sich solche Kampagnen, und das war in Teilen eine Kampagne, durchsetzten. Was das mit uns macht, was das mit dem Land macht, mit unserer Demokratie."
Ihr Selbstbild:
"Meine Positionen und Thesen stehen absolut in der Mitte der Gesellschaft. Ich vertrete gemäßigte Positionen als Wissenschaftlerin."
Die Selbstgerechtigkeit: Sie warnte davor, ihre Personalie zum Politikum zu machen:
"Diese Art der Politisierung einer Verfassungsrichterwahl – ich halte das für brandgefährlich. (...) Irgendwann ist auch mal ein Punkt gekommen, an dem wir uns Sorgen machen müssen um das Ansehen und die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts."
Die vermeintliche Selbstlosigkeit: Am Ende wollte Frauke Brosius-Gersdorf nicht die Verantwortung für Schaden am politischen System übernehmen und übte schon mal eine Rückzugserklärung, die nicht nach Niederlage, sondern nach Opfergabe klingt:
"Sobald [eine Beschädigung des Verfassungsgerichts] auch nur droht, würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten. Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten. Ich möchte auch nicht verantwortlich für eine Regierungskrise in diesem Land sein, weil wir nicht wissen, was dann hinterher passiert."

Das Schreckens-Gutachten von Brosius-Gersdorf für Lauterbach und Paus

Das Schreckens-Gutachten von Brosius-Gersdorf für Lauterbach und Paus

Von Julian Reichelt

Die verhinderte Fast-Verfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf sagt in ihrer Stellungnahme:

„Die Aussage, ich wäre für eine ... Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt, ist unzutreffend und stellt eine Verunglimpfung dar.“

Mit gleichen Worten („Sätze falsch wiedergegeben und aus dem Zusammenhang gerissen“) rechtfertigte sie sich gestern bei Markus Lanz. Doch ihre Aussage ist wichtig, weil Brosius-Gersdorf hier dem zentralen Vorwurf gegen sie widerspricht. Und diese Aussage von Brosius-Gersdorf ist eindeutig unwahr.

Ich habe das komplette Gutachten gelesen, dass Brosius-Gersdorf im Auftrag von Lisa Paus und Karl Lauterbach erstellt hat. Offenbar hat das bisher kaum jemand gelesen.

Es ist ein erschreckendes Dokument, indem ausführlich für die Abtreibung bis zur Geburt argumentiert wird. Im Kern der Argumentation steht die „Unzumutbarkeit“ der Schwangerschaft: „Auch in der Spätphase der Schwangerschaft muss der Gesetzgeber aber Ausnahmen vom Verbot des Schwangerschaftsabbruchs vorsehen und den Abbruch erlauben (Rechtmäßigkeit und Straffreiheit), wenn der Frau die Fortsetzung der Schwangerschaft unzumutbar ist ... Der Gesetzgeber sollte erwägen, die medizinische Indikation partiell neu zu regeln.“

Zur „medizinischen Indikation“ sollen nicht mehr bloß lebensbedrohliche Situationen zählen, sondern zum Beispiel auch „Belastungen durch die postnatale Existenz des Kindes und der Verantwortung für das Kind nach der Geburt“. Und: „Bei der medizinischen Indikation besteht allerdings Neuregelungsbedarf. Sie erscheint problematisch in Konstellationen, in denen die Gefahr für die Frau nicht in einem akut lebens- oder gesundheitsbedrohenden Befund besteht, der durch die Schwangerschaft selbst bewirkt wird, sondern aus den Belastungen durch die Verantwortung für das Kind nach der Geburt resultiert.“
Bedeutet: Wenn das Kind in der späten Phase der Schwangerschaft als zu belastend empfunden wird, könnte auch das zur „Unzumutbarkeit“ zählen und Abtreibung bis zum neunten Monat begründen.

Brosius-Gersdorf und ihre Kollegen schreiben: „Der Schwangeren geht es beim Abbruch (bis zum 9. Monat) um die Verweigerung des Austragens der Schwangerschaft, weil ihr die damit verbundenen Gefahrtragungs-, Gebär-, Verantwortungsübernahme- und Sorgepflichten eine eigene Rechtsaufgabe und zugleich Lebensneugestaltung abverlangen, die von ihr jenseits der Zumutbarkeit schlicht nicht eingefordert werden können.“

Bedeutet: Sein Leben mit Kind neu gestalten zu müssen, kann als so unzumutbar empfunden werden, dass es eine Abtreibung in der späten Phase der Geburt rechtfertigt und diese deswegen straffrei sein sollte.

Das Gutachten von Brosius-Gersdorf behandelt auch ausführlich mögliche Tötungsmethoden für Babys in der letzten Phase einer Schwangerschaft: „Mittels Fetozid kann demnach der Eintritt des Todes des Fetus als Folge der Einwirkung während der Schwangerschaft mittels intrauteriner tödlicher Mittelgabe (idR in das Herz) sichergestellt werden. Eine demgegenüber sog. palliative Geburt erfordert, das lebend geborene Kind palliativmedizinisch in den Tod zu begleiten.“ Dass die Zulässigkeit solcher Methoden nicht klar gesetzlich geregelt ist, findet Brosius-Gersdorf „problematisch“. An zahlreichen Stellen legt Brosius-Gersdorf dem Gesetzgeber nahe, Abtreibungen in der späten Phase der Schwangerschaft straffrei zu stellen: „Soweit der Gesetzgeber Schwangerschaftsabbrüche in der Spätphase der Schwangerschaft nicht erlaubt, liegt es in seiner Einschätzungsprärogative, dies kriminalstrafrechtlich abzusichern. Alternativ kommen Regelungen in anderen Rechtsgebieten, insbesondere berufsrechtliche Regelungen nach dem Vorbild anderer Rechtsordnungen, in Betracht.“ 
Fazit: Wenn irgendwer in der CDU dieses Gutachten vor der Nominierung von Frauke Brosius-Gersdorf gelesen hätte, wäre sie nie und nimmer auch nur auf die Shortlist möglicher Richter gelangt.

15 Juli 2025

Prof. Rödder in The Pioneer

Prof. Rödder, ehemaliger Vorsitzender der CDU-Gundwerte-kommission
Dazu passt: Prof. Andreas Rödder ordnet im Pioneer-Podcast den Vorgang und dessen Bedeutung für die Union ein. Ist die gescheiterte Richterwahl nur ein parlamentarischer Betriebsunfall, wie Friedrich Merz meint?
Das Grundproblem stecke in den politischen Handlungsmöglichkeiten der Union:
„Die Union hat einen Kandidaten nominiert und da haben die Grünen gesagt, der ist uns zu konservativ. Und dann hat die Union den brav zurückgezogen. Die SPD nominierte eine linksaktivistische Kandidatin und hält eisern daran fest. Das ist das Problem, das wir im Moment sehen. Diesseits der Brandmauer hat die Union 28,5 Prozent und Rot-Rot-Grün hat 36,8 Prozent. Und das ziehen die Rot-Rot-Grünen jetzt durch.“

The Pioneer - Lars Klingbeil: Feminist wider Willen

Business Class Edition

Lars Klingbeil: Feminist wider Willen
Guten Morgen,
die SPD lebt nicht nur. Sie ist putzmunter – und frech ist sie auch.
Für Deutschlands älteste Partei werden in den aktuellen Prognosen nur 15 Prozent gemessen. Aber das hat die Genossen nicht demütig, sondern tollkühn gemacht.
Als Zeichen des Widerstandes lud man ein Bild auf Instagram hoch, das die Geschlossenheit der Fraktion symbolisiert. Demonstrativ provokant posierten alle 120 SPD-Bundestagsabgeordneten (inklusive Olaf Scholz) zu folgender Bildunterschrift:
"Frau Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf ist eine herausragende Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht mit einwandfreiem Werdegang und bester Qualifikation. Die SPD-Fraktion steht hinter ihr".
Geradezu lustvoll nimmt die SPD-Bundestagsfraktion die Machtprobe um die Berufung der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zum Anlass, die CDU vorzuführen und dem Kanzler und seinem Fraktionschef einen gefährlichen Schlag zu verpassen.
Im Adenauer-Haus ist man nicht besorgt, sondern entrüstet. Und ratlos ist man auch: Woher nimmt die SPD diesen Mut? Was macht den Juniorpartner so stark, dass er sich diesen Affront zutraut?
Die Antwort lautet: Es sind fünf Zutaten, die in ihrer Addition wie ein Aufputsch-Cocktail auf die SPD wirken:
Zutat #1: Die Brandmauer wirkt – und zwar gegen die CDU
Die feierliche Festlegung der CDU, niemals mit der AfD gemeinsame Sache zu machen, engt die Christdemokraten ein. Sie darf jetzt nicht mal mehr mit der AfD drohen, um nicht die Medien und Angela Merkel auf den Plan zu rufen. „Merkel heißt jetzt Merz“, scherzt die NZZ.
Damit liegt das Machtzentrum der Koalition bei der SPD, die hinter sich einen Linksblock aus Grünen und der Linkspartei weiß, der es im Bundestag auf 36,8 Prozent der Stimmen und damit 269 Abgeordnete bringt.
Rechnet man ehrlich, also ohne die AfD-Abgeordneten (mit denen ja keiner koalieren oder paktieren will und darf), dann bringt es Rot-Rot-Grün sogar auf 56 Prozent der Sitze im Parlament. Merz hat die Wahl gewonnen, aber verfügt über keine eigene Mehrheit.

13 Juli 2025

Beschädigung des Bundesverfassungsgerichts?

Beschädigung des Bundesverfassungsgerichts?
Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel:
"Es ist blühender Unsinn, dass das Bundesverfassungsgericht durch die Vorgänge um die Richterwahl beschädigt worden wäre. Das Gegenteil ist richtig: Schaden wurde vom Verfassungsgericht abgewendet. Und das haben wir der Union zu verdanken.
Das Bundesverfassungsgericht ist das Herz unserer Verfassungsordnung. Seine Unabhängigkeit ist nicht nur juristische Zierde – sie ist das letzte Bollwerk gegen Willkür und Machtmissbrauch. Wenn Richterinnen oder Richter nicht mehr wegen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenz, sondern wegen ihrer ideologischen Nähe zu einer bestimmten politischen Richtung berufen werden, untergräbt das das Vertrauen in das ganze System.
Das ist kein parteipolitisches Spiel mehr – das ist eine Gefahr für den Rechtsstaat. Brosius-Gersdorf sollte angesichts des massiven Widerstands gegen ihre Kandidatur erkennen, dass sie und ihre Positionen den Bürgern nicht zu vermitteln sind und das Format aufbringen, auf ihre Kandidatur zu verzichten. Tut sie das nicht, disqualifiziert sie sich für das Amt". 

FOCUS-Kolumne von Jan Fleischhauer Die linke Politisierung der Justiz ist 1000 Mal gefährlicher als eine geplatzte Wahl (Focus)

Fleischhauer: "Wie kommt man an der Mehrheit vorbei, die einem nicht passt? Man installiert Richter, die korrigieren, was die Politik auf den Weg gebracht hat. Wir sehen das bei der Migration. Oder bei Bürgergeld-Sanktionen. Es ist der Trump-Weg, jetzt eben von links".
Die linke Politisierung der Justiz ist 1000 Mal gefährlicher als eine geplatzte Wahl
Jan Fleischhauer, Samstag, 12.07.2025
Die einzige Berufsgruppe, bei der sich jede Kritik verbietet, sind Richter. Was immer sie entscheiden, hat der Bürger klaglos hinzunehmen. Dabei zeigt das Ringen um die Besetzung des Verfassungsgerichts, wie politisch auch Gerichte sind.
Eines der zentralen Versprechen der Union ist es, den ungesetzlichen Zustand an den Grenzen zu beenden. Jeden Tag kommen Menschen, die auf Nachfrage nicht einmal sagen können, wie sie heißen oder wie alt sie sind. Beziehungsweise sie zeigen Papiere vor, die zwar Namen und Altersangaben enthalten, sich aber schon bei flüchtigem Augenschein als gefälscht erweisen.
Bisher ist die übliche Praxis, diese Menschen erst einmal freundlich ins Land zu bitten, um dann mit ihnen gemeinsam den mühseligen Prozess der Prüfung ihres Asylantrags zu beginnen. Da dieses Verfahren oft Jahre dauert, hat sich ihr Aufenthaltsstatus am Ende allein aufgrund der inzwischen verflossenen Zeit so verfestigt, dass an eine Abschiebung nicht mehr zu denken ist.
Die neue Regierung will das ändern. Deshalb hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt die Grenzpolizei angewiesen, Asylbewerber in das Nachbarland zurückzuweisen, aus dem sie gekommen sind. Er kann sich dabei auf die Verfassung berufen. Wer aus einem sogenannten sicheren Drittstaat einreist, und das sind nach Lage der Dinge alle Länder um Deutschland herum, hat keinen Anspruch auf Asyl. So steht es in Artikel 16a des Grundgesetzes.
Anfang Mai griff die Polizei im Bahnhof von Frankfurt (Oder) drei Somalier auf, die über Polen eingereist waren. Es war ihr dritter Versuch, in Deutschland Fuß zu fassen. Kurioserweise waren die Flüchtlinge mit jedem Grenzübertritt nicht nur juristisch besser beraten, sondern auch von Mal zu Mal jünger. Der Fall ging vor das Verwaltungsgericht in Berlin, das in einem Eilentscheid die Abschiebung für rechtswidrig erklärte. Seitdem herrscht große Aufregung. Der Innenminister tat das Urteil als Einzelfall ab, was ihm wiederum den Vorwurf eintrug, geltendes Recht zu brechen. Von einem „gruseligen Rechtsverständnis“ sprach die „Tagesschau“ in einem Kommentar, das Verhalten des Ministers sei „besorgniserregend“. Dass in dem Zusammenhang auch die (grüne) Parteizugehörigkeit des Richters zur Sprache kam, wurde als besonders anstößig empfunden.
Behrendt: Ein besonders eifriger Advokat der linken Sache

Verfassungsrichterwahl- Aufmüpfige Abgeordnete sind bessere Demokraten als willige Ja-Sager (Cicero)

Verfassungsrichterwahl-
Aufmüpfige Abgeordnete sind bessere Demokraten als willige Ja-Sager (Cicero)
Es kommt selten vor, dass eine Fraktion dem eigenen Kanzler und dem eigenen Fraktionschef die Gefolgschaft verweigert. Aber das ist keineswegs gleichbedeutend mit dem Untergang der Demokratie. 
VON HUGO MÜLLER-VOGG am 12. Juli 2025, 4 min
Die Empörung im medialen Mainstream ist unüberhörbar. „Ein besonderer Morgengruß gilt hier Fraktionschef Jens Spahn, am Tag eins nach seiner politischen Vollkatastrophe“, ätzt Spiegel online am Samstag. Die Kontrolle über die eigene Fraktion verloren (…) und dem eigenen Kanzler die erste Bilanz verhagelt.“ Man ahnt, wie groß die Häme in der Spiegel-Redaktion ist.
Ganz ähnlich urteilt die Süddeutsche Zeitung. Sie wirft der Union „Hasenfüßigkeit“ vor: „Von einer Minute auf die andere entziehen sie einer respektablen Rechtswissenschaftlerin das Vertrauen und liefern sie so dem Gejohle auf der Plattform X sowie der AfD aus. Fehlte es ihnen an Urteilskraft? (…) Schon seit Tagen erweckte die Union den Eindruck, ohne inneren Kompass unterwegs zu sein“.
Die Frankfurter Rundschau spricht gar von einem „Schwarzen Freitag im Bundestag“, der zeige, „dass es um die Demokratie in Deutschland schlechter bestellt ist als bisher gedacht. Der rechte Kulturkampf beschädigt nun auch die Organe des Staates und seiner Rechtsprechung.“
Der unabhängige Abgeordnete soll plötzlich eine Gefahr für die Demokratie sein?
Wieso ist es eigentlich um die Demokratie schlecht bestellt, wenn eine größere Zahl von Abgeordneten ihrer Führung klar macht, nicht so abzustimmen, wie das „von oben“ gewünscht und erwartet wird? Der unabhängige, Weisungen nicht unterworfene Abgeordnete soll plötzlich eine Gefahr für die parlamentarische Demokratie sein?

Richterwahl abgesagt : So schnell ist das Verfassungsgericht nicht beschädigt (FAZ)

Richterwahl abgesagt :
So schnell ist das Verfassungsgericht nicht beschädigt (FAZ)
Die Unionsfraktion ließ sich in einer Gewissensfrage nicht führen. Wenn die Verfassungsrichterwahl zum Kulturkampf wurde, dann ist das auch ein Zeichen: Die Demokratie lebt.
Lesezeit:
Das Bundesverfassungsgericht ist nicht beschädigt, weil eine Richterwahl abgeblasen wurde. Die SPD sollte das auch nicht herbeireden. Uneinigkeit und Verzögerungen liegen in der Natur einer parteiübergreifenden Auseinander­setzung über wichtige Personalien.
Darin gibt es auch eine gewisse Übung, die man aber nicht zu weit treiben sollte. Denn es geht nicht um die Besetzung einer beliebigen Kommission, sondern um ein Gericht, das Verfassungsorgan ist. Das heißt wiederum nicht, dass dafür nur Kandidaten in Betracht kommen, die „über jeden Zweifel erhaben“ (Spahn) sind. Wo gibt es die?
Die Wahl der Bundesverfassungsrichter durch das Parlament ist eine politische Entscheidung und keine fachliche Olympiade mit objektiver Messung. Hier geht es um Einschätzungen und persönliche rote Linien. Vertretbare Ansichten oder Beliebigkeiten sind das eine, die Frage, bei wem man etwa den Schutz des ungeborenen Lebens in Karlsruhe am besten aufgehoben sieht, ist das andere. Auch die anderen Parteien haben es bei der Richterwahl so gehalten, auch nicht mit besseren Gründen.
Die Führung der Union hat unterschätzt, was in der Fraktion hochkochte
Jeder Kandidat, und davon hat auch die SPD genug, muss für eine Mehrheit vermittelbar sein. Dass „Paketlösungen“ scheitern können, ist nichts Neues. Früher sind Schwierigkeiten freilich in der Regel zeitig erkannt und gelöst worden.
Offenbar hat ausgerechnet die Führung der Union lange massiv unterschätzt, was in der Fraktion hochkochte. Da kommt vieles zusammen: nicht zuletzt das eigene Wertefundament und das der Partei. Offenbar war die Führung davon überrascht, dass sich die Fraktion in einer Gewissensfrage nicht führen ließ.