21 November 2025

Neue Zahlen des BKA Gewalt gegen Frauen nimmt gravierend zu – „Nicht-Deutsche deutlich überrepräsentiert“ (WELT+)

Neue Zahlen des BKA
Gewalt gegen Frauen nimmt gravierend zu – „Nicht-Deutsche deutlich überrepräsentiert“ (WELT+)
Stand: 21.11.2025 Lesedauer: 2 Minuten
Frauen werden stündlich Opfer von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt, so das Bundeskriminalamt. Das Dunkelfeld dürfte um ein Vielfaches größer sein. Bei einer Pressekonferenz in Berlin schlüsselte Innenminister Dobrindt die Zahlen auf.
Häusliche Gewalt, vor allem gegen Frauen, ist ein wachsendes Problem. Im vergangenen Jahr gab es fast 266.000 Opfer häuslicher Gewalt, davon gut 187.000 Frauen und Mädchen, wie aus einem aktuellen Lagebild des Bundeskriminalamtes hervorgeht. Das entsprach einem Anstieg um 3,8 Prozent im Vorjahresvergleich sowie um 17,8 Prozent im Vergleich zu 2022. Die deutliche Mehrheit der Gewalttaten passierte in der Partnerschaft.
„Die Politik tut noch nicht genug zum Schutz von Frauen“, gestand Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) bei der Vorstellung ein. Es brauche dringend weitere Maßnahmen. Die geplante Einführung der elektronischen Fußfessel für Täter sowie Sender für Opfer, das Verbot von K.-o.-Tropfen sowie der Ausbau von Frauenhäusern seien wichtige Schritte.
Dobrindt verwies zusätzlich darauf, dass mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Tatverdächtigen bei partnerschaftlicher Gewalt Nicht-Deutsche seien. „Nicht-Deutsche Tatverdächtige sind damit deutlich überrepräsentiert“, sagte Dobrindt bei der Pressekonferenz. Aber auch bei den Opfern sei rund ein Drittel nicht deutsch und damit „deutlich überrepräsentiert“.

Gewaltphänomene im öffentliche Raum - «Die deutschen Täter tragen Namen wie Ali, Ahmed, Mohammed» (NZZ)

Gewaltphänomene im öffentlichen Raum
«Die deutschen Täter tragen Namen wie Ali, Ahmed, Mohammed» (NZZ)

Als Psychiater hat Frank Urbaniok Hunderte Straftäter begutachtet. Viele Gewaltphänomene, die derzeit für Schlagzeilen sorgen, führt er auf Migration zurück. Für Jugendliche, die sich wegen Polizeikontrollen ausgegrenzt fühlen, hat er aber Verständnis.
Herr Urbaniok, Gewalt war in diesem Sommer ein grosses Thema. In Schwimmbädern werden Gäste abgewiesen, weil sie Frauen belästigen und Gäste oder Personal angreifen. Jugendliche attackieren die Polizei, fast täglich gibt es aus europäischen Ländern Berichte über Messerattacken. Erleben wir eine Zunahme der Gewalt im öffentlichen Raum?
Es gibt ganz klar eine Zunahme in gewissen Bereichen. Wir haben früher keine Weihnachtsmärkte vor Terroristen schützen müssen. Es gibt eine dramatische Zunahme der Messerkriminalität, das zeigen unter anderem deutsche Statistiken. Ich hatte gerade Kontakt mit einem Journalisten aus Leipzig. Allein in den zwei größten sächsischen Städten, Leipzig und Dresden, gab es im vergangenen Jahr fast 600 Messerattacken, so viele wie noch nie, begangen vorwiegend von der ausländischen Bevölkerung. Überall trifft man auf Phänomene, die es früher kaum gab, sei das im Schwimmbad oder in der Gesundheitsversorgung.
Sie meinen Attacken auf das Gesundheitspersonal?

Vor zwei Jahren war ich an einer Konferenz der Berufsgenossenschaften, das ist eine große Organisation, die betreiben selber Kliniken und vertreten Krankenpfleger, die Spitex, aber auch Polizisten, Feuerwehrleute oder Mitarbeiter aus den verschiedensten Ämtern. Bei denen ging es nicht mehr hauptsächlich darum, wie man sich vor Arbeitsunfällen schützt, mit Helm, Schutzbrillen und dergleichen. Nein, das Hauptthema bei diesen Berufsleuten waren ihre «Kunden» – von denen sie bedroht, angepöbelt und attackiert werden. Bei der Polizei kennt man das schon länger. Aber dass jetzt auch Feuerwehrleute und Sanitäter zu einem Einsatz gerufen und dann manchmal von ganzen Familien angegriffen werden? Das war für mich ein Aha-Erlebnis.
In Ihrem kürzlich erschienenen Buch «Schattenseiten der Migration» behaupten Sie, diese Phänomene hingen maßgeblich mit der Migration aus bestimmten Ländern zusammen.

Dieses Bild zeigt sich, wenn man Statistiken aus der Schweiz, Deutschland und Österreich nach Nationalitäten und nach Delikten aufschlüsselt. Etwa schwere Gewalt und Sexualdelikte. Dann sieht man: Es ist nicht so, dass Migration per se Probleme verursacht. Asiatische Länder wie Vietnam, Malaysia oder Indonesien haben sogar tiefere Kriminalitätsquoten als die einheimische Bevölkerung. Auf der anderen Seite gibt es Herkunftsländer, die drei, fünf, acht oder sogar zehn Mal häufiger bei schweren Verbrechen auftauchen.

Der andere Blick Deutschland lernt nichts dazu: Die Verschiebung von Stuttgart 21 ist ein Symbol für das Versagen bei Grossprojekten (NZZ)

Deutschland droht zum Gespött der Welt zu werden
Der andere Blick

Deutschland lernt nichts dazu: Die Verschiebung von Stuttgart 21 ist ein Symbol für das Versagen bei Grossprojekten (NZZ)
Es ist unsicher, wann der unterirdische Bahnhof eröffnet wird. Deutschland macht sich zum Gespött. Die Schweiz zeigt, wie es besser gehen kann.
Wieder einmal wurde die Eröffnung des Superbahnhofs Stuttgart 21 verschoben, und man kann es nur noch achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Die jahrelangen Verzögerungen sind längst zur Gewohnheit geworden, ebenso wie die Kostenexplosion, die Bürgerproteste, die Gerichtsverfahren gegen Subunternehmer und einiges mehr. Mittlerweile wäre die Fertigstellung des Bahnhofs eine Sensation.
Doch das Prestigeprojekt der Bahn in der baden-württembergischen Landeshauptstadt ist das grösste Milliardengrab des Landes. Stuttgart 21 ist zu einem Symbol für das Versagen der öffentlichen Hand bei Grossprojekten geworden, ein Mahnmal gescheiterter Bahnpolitik. Für die Mehrkosten von rund 6 Milliarden Euro muss der Steuerzahler aufkommen.
Wie konnte es so weit kommen? Experten sehen eine ganze Reihe von Fehlern im System. Bei Ausschreibungen würden die Kosten kleingerechnet. Niedrige Baukosten lassen sich für Politiker, egal ob Bürgermeister oder Ministerpräsident, besser rechtfertigen. Doch alle wissen: Die Kostenrechnungen sind von Anfang an Makulatur.
Dann schlägt die Bürokratie zu. Auf den Bauherrn kommt in Deutschland ein Wust von Vorschriften und langen Genehmigungsverfahren zu, verteilt auf verschiedene Behörden.
Politische Einflussnahme verzögert Bauvorhaben

Im ZDF-Talk "maybrit illner" - In einer Minute erklärt Strafrechtlerin das ganze deutsche Migrations-Dilemma

ZDF-Talk "maybrit illner"

In einer Minute erklärt Strafrechtlerin das ganze deutsche Migrations-Dilemma
Am Donnerstagabend debattierte Maybrit Illner mit ihren Talk-Gästen über den Zustand Deutschlands. Dabei wurde auch über Migration, kriminelle Ausländer und Merz‘ „Stadtbild“-Aussage diskutiert.
Abschließend erklärte die Juristin und Strafrecht-Professorin Elisa Hoven in unter einer Minute, wie sich die deutsche Politik in den letzten Jahren in ein Dilemma hineinmanövriert hat.
"Ich denke nur, in der Diskussion Migration ist auch ein weiterer Punkt ganz wichtig, nämlich das, was wir eingangs schon mal erwähnt hatten: das ehrliche miteinander reden. Und das war […] lange Zeit gar nicht möglich. Es wurde entweder von einer Seite ein völlig überzeichnetes Bild veröffentlicht, wo man das Gefühl hatte, es gibt eigentlich nur noch kriminelle Migranten. Von anderer Seite wiederum wurden dann die statistischen Werte immer relativiert, und zwar nicht nur eingeordnet, was völlig richtig ist, sondern relativiert und bagatellisiert", so die Juristin. 
"Wir haben eine ganz massiv stärkere Kriminalitätsbelastung von Nichtdeutschen"
Elisa Hoven weiter: "Und die Werte sind klar. Also wir haben eine ganz massiv stärkere Kriminalitätsbelastung von Nichtdeutschen und auch von Zuwanderern und darüber muss man ehrlich reden. Und selbst das ist ja ganz lange nicht passiert. Aus politisch ideologischen Gründen muss man sagen. Weil man sich nicht auf die gleiche Position begeben wollte wie andere Parteien, weil man Migration auch nur als Erfolgsgeschichte verkaufen wollte. Um diese Ambivalenz aber auszuhalten, ich glaube, das ist so wichtig, zu sagen, wir brauchen Migration, es gibt wunderbare, tolle Beispiele und gleichzeitig haben wir Probleme, die wir ernsthaft adressieren."

Focus Briefing - Was brauchen Weihnachtsmärkte 2025 ? „zertifizierten Zufahrtschutz bis 7,5 Tonnen“

Focus Briefing
Was brauchen Weihnachtsmärkte 2025? - „zertifizierten Zufahrtschutz bis 7,5 Tonnen“
Von Thomas Zuma, 21.11.2025
Liebe Leserin, Lieber Leser
was braucht ein Weihnachtsmarkt 2025 nach Christi Geburt an Wohlfühl-Accessoires? Überteuerte Bratwurst, Nutella- Crêpes und alkoholische Heißgetränke dubioser Herkunft, klar. Benötigt wird aber auch ein „zertifizierter Zufahrtschutz bis 7,5 Tonnen“. So verlangte es das Landesverwaltungsamt, womit wir in Magdeburg sind.
Taleb al-Abdulmohsen hatte dort den Weihnachtsmarkt elf Monate vorher in ein Schlachtfeld verwandelt. Er tötete sechs Menschen und verletzte über 300 teils schwer. Deshalb muss sich der diesjährige Weihnachtsmarkt in eine Art Open-Air-Hochsicherheitstrakt verwandeln. Bloß kein Risiko eingehen! Ich verstehe das gut. Es ist nur sehr teuer und trifft alle rund 3250 Märkte, die es bundesweit gibt – von Schafscheißmühlen bis Berlin-Mitte.
Nach der Amokfahrt 2024 müssen erst recht alle aufrüsten mit Betonblöcken, Absperrgittern und Pollern. Eine Viertelmillion Euro gibt Magdeburg dieses Jahr für zusätzliche Maßnahmen aus. In Halle mussten 600.000 Euro investiert werden. Der Bremer Senat hat drei Millionen Euro bereitgestellt.
Wer sich immer noch über den „Stadtbild“-Satz von Friedrich Merz empört, sollte sich ansehen, was diverse Terroranschläge seit der Flüchtlingskrise 2015 aus unseren Innenstädten gemacht haben. Territorien der Selbstentfremdung. Refugien der Angst, die nicht dadurch gemütlicher werden, dass sie nach gebrannten Mandeln duften.
Gestern schlug Essens CDU-Oberbürgermeister Thomas Kufen in „Bild“ Alarm, fast jede deutsche Stadt stehe inzwischen vor der Pleite. Ende 2024 lag allein der Schuldenstand der NRW-Kommunen bei über 70 Milliarden Euro. Laut Kufen hat das unter anderem mit steigenden Sozialausgaben, Erziehungshilfen, Ausgaben für Flüchtlingsunterkünfte und Integration zu tun.
Wo das mit der Integration nicht so klappt, muss halt mit den letzten Kröten eine Heimeligkeit gerettet werden, die sich eh längst in ein Potemkin‘sches (Weihnachts-)Dorf verwandelt hat.
Wirke ich schon zynisch? Ach nein, manchmal halt nur ein bisschen müde.

20 November 2025

Cicero im Dezember - Neue Stadtbilder

Cicero im Dezember
-
Neue Stadtbilder
Unser Stadtbild hat sich radikal verändert. Das sieht ein jeder, der die Realität nüchtern betrachtet. Unkontrollierte Migration ist eine Ursache, aber nicht die einzige. Für unsere Dezember-Ausgabe haben wir uns in ganz Deutschland umgesehen.
VON ALEXANDER MARGUIER am 20. November 2025 3 min
Von unserer Wohnung in Berlin-Charlottenburg aus sind es fünf Gehminuten bis zur Wilmersdorfer Straße. Der Abschnitt, von dem ich rede, ist eine klassische deutsche Fußgängerzone mit den üblichen Filialen und kleineren Geschäften. Besser gesagt: So war es bis vor ein paar Jahren. Inzwischen hat hier der große Galeria-Kaufhof dichtgemacht, nachdem mehrere Rettungsversuche gescheitert waren. Zwei Gebäude weiter ebenfalls Leerstand, das vormals gut besuchte Backshop mit Kaffeeausschank konnte sich nicht halten. Graffitis machen sich an der Fassade breit. Es geht erkennbar abwärts in meinem Kiez.Vor kurzem wollte ich früh morgens in mein Fitnessstudio, das ebenfalls an der „Wilmi“ liegt, wie die Straße immer noch in liebevoller Vertrautheit von vielen genannt wird. Vor dem Eingang wurde ich begrüßt von einem offenbar osteuropäischen Obdachlosen, der mit weit aufgerissenen Augen schreiend auf mich zugestolpert kam, während er einen Stock schwang.

Dass Friedrich Merz mit seinem „Stadtbild“-Statement eine Debatte lostreten wollte, kann ausgeschlossen werden. Denn sonst hätte er diese Debatte geführt, er hätte Impulse gegeben und Ideen ventiliert. Nichts davon geschah, der Kanzler blieb praktisch stumm und schaltete auf Durchzug. Dass dennoch das halbe Land seither über Stadtbilder spricht, hat einen guten Grund. Denn jeder merkt, wie sich seine Nachbarschaft verwandelt – und zwar selten zum Guten. Diese ästhetische Veränderung ist einerseits das Ergebnis von unkontrollierter Massenzuwanderung; Merz selbst brachte das „Stadtbild“ ja unmittelbar mit Migration in Verbindung. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.
Tatsächlich geht es auch um ökonomische Faktoren, etwa den seit Corona beschleunigt verödenden Einzelhandel. Und selbstverständlich muss die „Stadtbild“-Diskussion geführt werden vor dem Hintergrund desolater Kommunalhaushalte, wo inzwischen der Großteil der Ausgaben für Sozialleistungen draufgeht. Fehlende Finanzmittel in Städten und Gemeinden machen sich eben bemerkbar, sie bilden sich im Wortsinn für alle wahrnehmbar im öffentlichen Raum ab.
Wir wollten das Thema deshalb weiter fassen und haben uns in ganz Deutschland auf die Suche nach den Ursachen der Malaise begeben. Fündig wird man leider überall. Aber das ist kein unaufhaltsamer Prozess. Der Niedergang ließe sich aufhalten und sogar rückgängig machen. Man muss es allerdings wollen. Es ist eine Generationenaufgabe. Mit ein paar unbedachten Kanzlerworten ist da nichts gewonnen.

Deutschlands Stadtbild - Chroniken des Niedergangs (Cicero)

Deutschlands Stadtbild -
Chroniken des Niedergangs Cicero)
Die Menschen Deutschland erleben einen scheinbar unaufhaltsamen Verfall ihrer Lebensräume. Das Virus der Verwahrlosung ist ansteckend. Und es führt zu einem Leiden, welches immer mehr Bürger befällt – nämlich zur langsamen Entfremdung von ihrer Heimat.
VON CARSTEN KORFMACHER, FERDINAND KNAUSS UND BEN KRISCHKE am 20. November 2025 21 min
Stadtbild. Das ist das, was Sie sehen, wenn Sie vor die Tür gehen. Und wenn Sie heutzutage einen Spaziergang durch Ihre Innenstadt machen, dann wird sich Ihnen ein anderes Stadtbild offenbaren als noch vor 20 Jahren. Dieser Aussage werden wohl die meisten Menschen hierzulande zustimmen. Strittig mag sein, was genau diese Unterschiede ausmacht und wie sie zu bewerten sind. Doch die Tatsache, dass der öffentliche Raum heute anders aussieht als früher, ist unstrittig.
Problematisch wird es erst, wenn Sie artikulieren sollen, was genau sich verändert hat. Denn nicht nur Ihre Meinung, sondern auch Ihre direkte Wahrnehmung ist mittlerweile zu einem Politikum geworden. Teile der Gesellschaft wenden die politische Waffe der Moralisierung nämlich nicht mehr bloß auf den Sprechakt an, sondern beginnen früher, auf der Ebene der Kog­nition. Sie nötigen Sie dazu, an Ihrer Urteilsbildung auf Basis Ihrer direkten Wahrnehmung zu zweifeln. Sie sollen sich selbst verbieten, negativ auf die Dinge zu reagieren, die Sie sehen, an den Bahnhöfen, auf den Straßen und an den öffentlichen Plätzen der Republik. Das ist niederträchtig. Mehr noch: Es ist ein zutiefst autoritärer Akt.
Bundeskanzler Merz macht den Anfang
Meinungen zum Stadtbild schwingen seit Jahren im Lebensgefühl der Menschen im Land mit, zu einer größeren öffentlichen Diskussion ist es aber erst nach einer Aussage des Bundeskanzlers gekommen. „Wir“, sagte Friedrich Merz, und meinte damit vermutlich alle Menschen, die in Deutschland leben, haben „immer im Stadtbild noch dieses Problem.“ Und deswegen müssten jetzt „in sehr großem Umfang“ Abschiebungen durchgeführt werden. Obwohl diese Worte für sehr viel Unmut sorgten, werden sie doch von einer Mehrheit der Bevölkerung geteilt, laut ZDF-Politbarometer sogar von zwei Dritteln. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Menschen sehen, dass sich im Stadtbild etwas verändert hat. Und dieses Sichtbare, dieses für alle Menschen Erlebbare, löst bei vielen ein Unbehagen, etwas Befremdliches aus.

19 November 2025

„Schüler sagen, dass sie Bürgergeldempfänger werden“ (WELT+)

„Schüler sagen, dass sie Bürgergeldempfänger werden“ (WELT+)

Absolutes Desinteresse, Lese-Rechtschreib-Störungen, Vollverschleierung: Noch immer habe die Gesellschaft nicht im Blick, wie es tatsächlich im Unterricht an deutschen Schulen zugeht, sagt Realschullehrer Jonas Schreiber. Was im Sportunterricht geschieht, macht ihm besonders große Sorgen. Von Sebastian Beug, Redakteur Nachrichten & Gesellschaft, 19.11.2025, 11 Min
Jonas Schreiber wollte schon immer Lehrer werden – und seiner Leidenschaft für Fußball nachgehen. Seit fünf Jahren unterrichtet der 31-Jährige Wirtschaft, Betriebswirtschaftliches Rechnungswesen, IT und Sport an einer Realschule in München. In seiner Freizeit ist er Fußballtrainer. Nun hat er ein Buch geschrieben, indem er über seinen Alltag als junger Lehrer berichtet.
WELT: Herr Schreiber, warum haben Sie ein Buch mit dem Titel „Realtalk Lehreralltag“ geschrieben?
Jonas Schreiber: Ich mache meinen Job als Lehrer super gerne. Aber wenn es noch 40 Jahre so weiterläuft wie bisher, gehe ich daran kaputt. Deshalb will ich berichten, was eigentlich in unseren Schulen abgeht – und was für Schüler wir heranziehen.
WELT: Sie sagen, viele Schüler haben gar keine Lust, überhaupt zu lernen oder sich anzustrengen. Wie äußert sich das?
Schreiber: Sie sagen einem direkt ins Gesicht: Der Unterricht interessiert sie nicht, und sie hören eh nicht zu. Sie sind anwesend, mehr aber auch nicht. In einer meiner Wirtschaftsklassen steht eine Projektpräsentation an, bei der sie sich das Thema hätten aussuchen können. Einige Schüler haben vier Vorbereitungstermine verstreichen lassen und mir gesagt, sie holen sich lieber die Sechs ab.

Forsa-Analyse - „Hätte sie nur genügend Kompetenz“ – SPD verliert in Vierteljahrhundert rund 60 Prozent ihrer Wähler (WELT+)

Forsa-Analyse

„Hätte sie nur genügend Kompetenz“ – SPD verliert in Vierteljahrhundert rund 60 Prozent ihrer Wähler (WELT+)
Die aktuelle Forsa-Umfrage zeigt die steigende Unzufriedenheit mit Kanzler Merz. Die SPD kann davon aber nicht profitieren. Insgesamt hat sie im letzten Vierteljahrhundert bundesweit schon 60 Prozent ihrer Wähler verloren.
Von Cornelia Hendrich, Redakteurin, 19.11.2025, 3 Min
Trotz wachsender Unzufriedenheit mit Bundeskanzler Friedrich Merz kann die SPD aus der Schwäche des Regierungschefs keinen Nutzen ziehen. Laut der aktuellen Forsa-Umfrage liegen die Sozialdemokraten mit 14 Prozent weiterhin unter der
15-Prozent-Marke, das entspricht bei einem derzeitigen Nichtwähleranteil von 25 Prozent nur etwa 10,5 Prozent aller Wahlberechtigten. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, wäre das mit Abstand der geringste Anteil, den die SPD bei einer Bundestagswahl seit 1945 und auch bei den Reichstagswahlen in der Weimarer Republik erreichen würde.
Seit mehr als zwei Monaten ist die AfD im RTL/Ntv-Trendbarometer stärkste politische Partei mit 26 Prozent vor der Union und weit vor der zurzeit mitregierenden SPD. Im aktuellen Trendbarometer verbessert sich die Union um einen Punkt auf 25 Prozent, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) rutscht nach der Rückzugsankündigung seiner Gründerin unter die Drei-Prozent-Marke. Die Grünen liegen bei 12 Prozent, die Linken bei 11. Schwarz-Rot hätte mit 39 Prozent keine Mehrheit.

Rentenstreit eskaliert „Davor wird die SPD Angst haben, weil sie dann nichts mehr zu sagen hat“, urteilt Sinn bei Lanz (WELT+)

Minderheitsregierung?
„Dann fällt die Brandmauer sofort. Und davor wird die SPD Angst haben, weil sie dann ja gar nichts mehr zu sagen hat mit ihren 13 Prozent.“
Rentenstreit eskaliert
„Davor wird die SPD Angst haben, weil sie dann nichts mehr zu sagen hat“, urteilt Sinn bei Lanz (WELT+)
Die Debatte bei Markus Lanz über das geplante Renten-Paket zeigte erneut, wie tief der Riss in der Koalition geht. Ökonom Hans-Werner Sinn stärkte der Jungen Union den Rücken – und gab eine Prognose ab, was nun passieren werde.
19.11.2025, 4 Min

Es ist ein Satz, der Deutschland nicht nur rund 120 Milliarden Euro kosten könnte, sondern auch eventuell seine schwarz-rote Regierung. „Auch nach 2031 liegt das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht“, heißt es im Gesetzesentwurf zur geplanten Rentenreform. Wie tief der Riss zwischen den Koalitionspartnern in der Debatte wirklich geht, zeigte sich erneut in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ – und in der Frage, wer am Ende die Rechnung wirklich bezahlen muss.
„Die Jungen haben diese Schulden an der Backe“, sagte Ökonom Hans-Werner Sinn und stellte sich dabei erneut klar an die Seite der Jungen Union, die den Gesetzentwurf ablehnt, den Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) vorgelegt hat. Zudem warnte Sinn davor, die Diskussion zu verzerren, denn von Rentenkürzungen, wie dies oft dargestellt werde, könne überhaupt keine Rede sein: „Keiner redet davon, dass die Renten als solche fallen sollen, sondern nur in Relation zu den Löhnen“, sagte Sinn und mahnte zur korrekten Semantik. „Das ist ein Missbrauch des Wortes Rentenkürzungen. Denn wenn das Rentenniveau konstant ist oder auch leicht fällt, dann fallen die Renten noch lange nicht.“
Sinn beschrieb stattdessen das, was die Politiker ohnehin schon seit Jahren wissen: Das deutsche Rentensystem ist grundsätzlich überfordert. „Es gibt kein Konto“, auf das jeder einzahle und das Geld dann später abrufen könne, erklärte er. Vielmehr lebe das Umlagesystem „von der Hand in den Mund“. Die Babyboomer-Generation habe „zu wenige Kinder bekommen und macht jetzt Schulden, um für sich selbst die Konsequenzen zu vermeiden“. So entstehe eine Schieflage zwischen den Generationen: Die Jungen – die zum Teil noch gar nicht geboren seien – würden dabei übermäßig belastet. Sein Ausweg: länger arbeiten statt neue Schulden machen. „Zehn Monate länger arbeiten – das wäre der sozialverträglichste Weg“, sagte Sinn.

Der andere Blick Die SPD verharrt in der Scholz-Starre: Die Unbeweglichkeit im Rentenstreit ist anmassend (NZZ)

Der andere Blick

Die SPD verharrt in der Scholz-Starre: Die Unbeweglichkeit im Rentenstreit ist anmassend (NZZ)
Von Susann Kreutzmann, 19.11.2025, 3 Min
SPD-Chef Lars Klingbeil schliesst Kompromisse im Streit über das Rentenpaket aus. Damit untergräbt er die Arbeit des Parlaments und schadet dem Land.
Die Abgeordneten haben das letzte Wort. Das sind nicht nur die Spielregeln, sondern die Grundfesten einer parlamentarischen Demokratie. Es ist die ureigenste Aufgabe des Parlaments, Gesetze zu beschliessen, zu verändern oder zu verwerfen. Das gilt auch für das Rentenpaket, an dem die Sozialdemokraten im Bundestag so starrsinnig festhalten.
Umso befremdlicher ist die Basta-Ansage des SPD-Chefs Lars Klingbeil. «Am Gesetz wird nichts verändert», sagte er und gab damit schon am Wochenende die Linie vor. Damit erteilte Klingbeil jeglicher Kompromisslösung von vornherein eine Absage und machte dadurch den Bundestag zu einem Abnickverein. Das ist anmassend.
Mit ihrer Sturheit schaden die Sozialdemokraten sich selbst, aber zuallererst dem Land. Sollte die Rentenreform im Bundestag scheitern, wäre auch die Koalition aus Union und SPD erschüttert.
Es wäre das endgültige Eingeständnis, dass Schwarz-Rot, angetreten als ein Bündnis der Mitte, nicht zu Reformen im Sinne des Landes und der Menschen in der Lage ist.
Zustimmung für Schwarz-Rot schwindet
Die Unbeweglichkeit im Rentenstreit ist den Wählern kaum vermittelbar. Denn es geht hier nicht um ökonomische Vernunft, sondern um Symbolpolitik. Im Gegenzug für eine härtere Migrationspolitik, eine berechtigte Forderung der Union, haben die Sozialdemokraten Zugeständnisse bei der Rente verlangt.

The Pioneer - Schwarz-Rot: Angst vor dem Regierungsbruch

1930 lässt grüßen...
Business Class Edition
Schwarz-Rot: Angst vor dem Regierungsbruch
Gabor Steingart, 19.11.2025
Guten Morgen,
die politische Lage im Reichstag ist mittlerweile explosionsgefährdet. Der Kanzler, der in seiner ersten Regierungserklärung noch zum „Dienst für Demokratie und Republik“ aufgerufen hatte, weiß nicht, ob sich die unterschiedlichen Teile seiner Koalition noch zu einem Kompromiss zusammenfügen lassen.
Fest steht: Die verschiedenen Vorfestlegungen der Parteien stehen wie ein Sperrgürtel vor ihm. Die Gesichter der Minister sind versteinert. Ihre Positionen betoniert. Kein Entgegenkommen, nirgends.
Die Sozialdemokraten wollen auf keinen Fall, dass die Wähler von den leeren Kassen der Sozialversicherung erfahren. Nicht jetzt. Nicht später. Lieber sollen die Beiträge noch mal um einen halben Prozentpunkt erhöht werden, bevor die giftige Schlagzeile von der „Kürzung von Sozialleistungen“ in die mediale Umlaufbahn gerät. Man will den Rechten nicht noch das Streichholz liefern, mit dem sich das Gebäude der Demokratie anzünden ließe.
Die Konservativen würden die Gelegenheit gerne nutzen, die ohnehin fälligen Kürzungen beim Sozialstaat vorzunehmen. Wann, wenn nicht jetzt? Die finanziellen Mittel werden auch in Zukunft nicht reichen, die dem Wähler gemachten Versprechungen zu erfüllen. Man träumt von einer Stunde der Wahrheit, sehnt sich nach tabula rasa.
Beide Koalitionspartner werden flankiert von mächtigen Lobbygruppen, die ihren Entscheidungsspielraum weiter einengen. Die Gewerkschaften verlangen Solidarität statt Sozialabbau. Die Unternehmer und ihre Verbände halten jede Erhöhung der Sozialbeiträge und damit der Lohnnebenkosten in dieser ökonomischen Lage für selbstmörderisch.
Der Chef der Notenbank hatte eben erst das Finanzgebaren der gesamten Regierung als unseriös bezeichnet. Recht hatte er. Aber im Angesicht der Öffentlichkeit ist damit ein weiterer Reputationsschaden für die demokratische Mitte verbunden.
Der Streit um die Zukunft der Sozialversicherung gewinnt seine Dramatik nicht allein aus der Sache, sondern vor dem Hintergrund einer sich verdüsternden Lage: Die Wirtschaft krümmt sich vor Schmerzen, als habe man ihr einen Schlag in die Magengrube verpasst. In den Betrieben werden Kündigungen wie am Fließband ausgefertigt und die öffentliche Kasse ist wie leergefegt.
Die Autorität des Kanzlers erlischt ausgerechnet in dieser Situation. Die Frankfurter Zeitung spricht von einem „schwarzen Tag …, doppelt unheilvoll, weil der Gegenstand des Streits mit seiner Kleinheit in einem so grotesken Missverhältnis zu den verhängnisvollen Folgen steht, die daraus erwachsen können“. Der sozialdemokratische Finanzminister wird später sagen, es war falsch, „aus Angst vor dem Tode Selbstmord zu begehen“.
Das war die Lage, als die Große Koalition am 27. März 1930 unter SPD-Reichskanzler Hermann Müller zerbrach. Es war die letzte Regierung der Weimarer Republik, die sich auf eine demokratische Mehrheit stützen konnte. Die von der SPD geführte Koalition besaß eine satte Mehrheit, verfügte über 300 von 450 Sitzen. Man hätte regieren können – ohne Nazis, ohne Hitler, ohne Geschrei und ohne Neuwahlen, einfach nur regieren, wie es in der Sache geboten war.
Aber man schmiss die Macht weg – und startete das größte Naziförderprogramm aller Zeiten. Die NSDAP verzehnfachte bei der nächsten Reichstagswahl ihre Sitzzahl. Danach übernahm Reichspräsident Hindenburg mit seinen Präsidialkabinetten und Notverordnungen das Kommando.
Der Historiker Prof. Hans Mommsen wird später „von der verspielten Freiheit“ sprechen. FAZ-Herausgeber Joachim Fest urteilte nicht weniger streng:
"Die Demokratie blieb formal bestehen, aber der demokratische Kern war bedeutungslos geworden."
Fazit: Ihre Lehren aus diesem tragischen Schlussakkord der Weimarer Republik müssen Friedrich Merz, Lars Klingbeil und das heutige Kabinett schon selber ziehen. Aber der spanisch-amerikanische Philosoph George Santayana weist allen, die jetzt zündeln wollen, den Weg: „Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

18 November 2025

Der andere Blick - Der aktuelle Rentenstreit lässt das eigentliche Problem ausser acht: Ein Systemwechsel ist dringend notwendig (NZZ=

Der andere Blick
Der aktuelle Rentenstreit lässt das eigentliche Problem ausser acht: Ein Systemwechsel ist dringend notwendig (NZZ)
Statt Flickschusterei an einem maroden System zu betreiben, sollte die Koalition die Chance auf eine echte Rentenreform ergreifen. Es geht längst um mehr als Generationengerechtigkeit. Es geht um den Wirtschaftsstandort Deutschland.
von Susann Kreutzmann 18.11.2025, 4Min
Der Wirtschaftsweise Martin Werding hat der derzeitigen Regierung ein vernichtendes Zeugnis im Rentenstreit ausgestellt. Dieser sei «kein seriöser Umgang mit dem Alterungsprozess» und dem, was noch auf die Deutschen zukomme, sagte er kürzlich. Das ist keine Übertreibung.
Die Debatte über eine Festschreibung des Rentenniveaus lässt das wirkliche Problem ausser acht. Es geht um Flickschusterei an einem völlig überholten und kaputten Rentensystem.
Solange nicht wirklich eine tiefgreifende Reform angegangen wird, muss die Rentenkasse jedes Jahr mit dreistelligen Milliardenbeträgen gestützt werden – zugleich steigen die Beiträge immer weiter. Volkswirtschaftlich ist das ein Ritt auf der Rasierklinge, der nicht gutgehen kann.
Die Abgeordneten der Jungen Union haben durchaus recht, wenn sie auf eine Zusatzbelastung von etwa 120 Milliarden Euro ab dem Jahr 2031 verweisen und deshalb den von der sozialdemokratischen Arbeitsministerin Bärbel Bas vorgelegten Gesetzentwurf ablehnen. Für sie ist vor allem die Frage offen, ab welchem Ausgangsniveau die Rente nach diesem Stichtag berechnet wird.
Doch es ist völlig unerheblich, wann welche Sicherungslinien eingebaut werden. Beim jetzigen Rentensystem zieht immer eine Gruppe den Kürzeren: die jüngeren Einzahler. Das System ist nicht nur finanziell unhaltbar, es ist auch komplett ungerecht geworden.
Das Umlageverfahren funktioniert nicht mehr

The Pioneer - „Minderheitsregierungen sind die Zukunft“

The Pioneer „Hauptstadt – Das Briefing“
„Minderheitsregierungen sind die Zukunft“
Guten Morgen,
auffällig deutlich weisen die Spitzen von CDU und CSU dieser Tage die Option einer Minderheitsregierung zurück. Söder sagt nein, Merz sagt nein – und trotzdem geht die Debatte weiter. Mein Name ist Jonathan Packroff am 18.11.2025
Richterwahl, Stadtbild, aktuell die Rente: Die schwarz-rote Koalition stolpert von einem Streit zum nächsten. In der Union sehnen sich manche nach einem „Plan B“.
Die Idee einer Minderheitsregierung geistert im Regierungsviertel herum – spätestens seit Jens Spahn in einer internen Runde vor zwei Wochen in Richtung SPD gesagt haben soll
"Wir werden nicht gemeinsam mit denen sterben."
Kanzler Friedrich Merz versuchte gestern, die Diskussion einzufangen. Auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel sagte er:
"Glaubt jemand ernsthaft, wir könnten in diesem Bundestag mit wechselnden Mehrheiten arbeiten und dann noch vernünftige Gesetzgebung machen?"
Ja, das glauben manche: CDU-Mitglied und Wirtschaftslobbyist Thorsten Alsleben sagt meinem Kollegen Nils Heisterhagen
"Entweder die SPD bekommt die Kurve oder die Union muss ohne die SPD weitermachen."
Eine Minderheitsregierung könne „auch ohne Zusammenarbeit mit der AfD erfolgreich sein“, sagt Alsleben.
Kann eine Minderheitsregierung also funktionieren?

Der andere Blick - BSW hat recht. Ohne das Vertrauen der Bürger stirbt die Demokratie: Die Bundestagswahl sollte neu ausgezählt werden (NZZ)

"Ich halte es für völlig unwichtig wer abstimmt und für wen. Äußerst wichtig hingegen ist, wer die Stimmen auszählt und wie." Josef Stalin
Der andere Blick
Das BSW hat recht.
Die Bundestagswahl sollte neu ausgezählt werden (NZZ)
Das Bündnis Sahra Wagenknecht zweifelt das Wahlergebnis an und will mit Laternen vor das Parlament ziehen. Die Vertreter der anderen Parteien wären gut beraten, den Protest ernst zu nehmen.
von Marc Felix Serrao, 17.11.2025, 3 Min
Während der deutsche Kanzler mit seiner Partei um die Zukunft der Rente ringt und sein Stellvertreter von der SPD in China das harzige Verhältnis zum wichtigsten Handelspartner verbessern will, versammeln sich an diesem Montagabend ein paar Menschen mit Laternen vor dem Bundestag. Es ist ein Protest, der vermutlich keine Schlagzeilen machen wird. Dennoch wären die im Parlament vertretenen Parteien gut beraten, ihn ernst zu nehmen.
Mit seiner «Laternendemo» will das Bündnis Sahra Wagenknecht, kurz BSW, Druck auf den Wahlprüfungsausschuss des Bundestages ausüben. Das Gremium hat die Aufgabe, die Beschwerde des BSW gegen das jüngste Wahlergebnis zu überprüfen; der Partei fehlten im Februar nur 9529 oder 0,019 Prozent aller abgegebenen Stimmen zum Einzug ins Parlament. Doch der Ausschuss lässt sich Zeit. Seine Mitglieder sind seit Juni im Amt, die Beschwerde liegt schon seit April vor.
Nichts ist so wichtig wie der Wählerwille
Über das zähe Verfahren ist das BSW zu Recht verärgert. Nichts sollten Volksvertreter in einer Demokratie mit mehr Dringlichkeit behandeln als die Frage, ob der Wählerwille möglicherweise missachtet wurde. Schon der Verdacht ist heikel.
Dass es gute Gründe gäbe, die Wahl zu überprüfen, behauptet nicht nur die Wagenknecht-Partei selbst. Auch namhafte Juristen und Sozialwissenschafter unterstützen die Forderung. Die Politologen Uwe Wagschal und Eckhard Jesse etwa haben in einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» etliche «Ungereimtheiten» präsentiert.

17 November 2025

Deutsches Parteiensystem - Die Disruption muss kommen (Cicero)

Deutsches Parteiensystem
-
Die Disruption muss kommen (Cicero)
Die Konstellation, in der Deutschland regiert wird, ist offenbar nicht in der Lage, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Das liegt auch an der „Brandmauer“. Eine bürgerliche Sammlungsbewegung könnte die politische Sklerose beenden.
VON ALEXANDER MARGUIER am 16. November 2025 7 min
Das wahrscheinlich meistgebrauchte Argument in der CDU gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD lautet, die blaue „Alternative“ wolle die Christdemokraten „zerstören“. Weitgehend unbeantwortet bleibt in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, was genau mit „zerstören“ gemeint ist.
Dass die Rechtspartei mit der Union um Wählerzuspruch kämpft und damit sinnlogisch auch darum, den Stimmanteil der CDU zu minimieren, ist in einer Demokratie erst einmal völlig normal – und gilt auch für SPD, Grüne, die Linke und den ganzen Rest. So gesehen will umgekehrt ja ihrerseits die CDU die AfD „zerstören“: Kaum ein Parteifunktionär, der es nicht für geboten hält, einstige Wähler von dort ins eigene Lager zurückzuholen. Der Zerstörungswille scheint in formaler Hinsicht in Teilen der Christdemokratie sogar ausgeprägter zu sein als umgekehrt bei der Wettbewerberin von rechts, wenn etwa regelmäßig ein Verbotsverfahren ins Spiel gebracht wird. Aber sei’s drum.
Seltsame Zerstörungsrhetorik
Bei der Zerstörungsrhetorik geht es also offenbar um mehr als nur um die übliche politische Konkurrenz. Jedoch um was? Dass AfD-Trupps gedroht hätten, mit Planierraupen und Abriss-Birnen auf das Konrad-Adenauer-Haus vorzurücken, ist bisher jedenfalls nicht hinterlegt. Insofern dürfte es sich vielmehr um eine von der Weidel-Partei angestrebte generelle Marginalisierung der CDU auf inhaltlicher, kultureller oder gesellschaftlicher Ebene bis zur Unkenntlichkeit handeln.
Wer auf Unionsseite diese Gefahr beschwört, zeigt damit allerdings auch seine offene Flanke. Es wäre ein bisschen so wie mit den wiederkehrenden Warnungen vor einem aggressiven Putin-Russland: Die militärische Schwäche der Bundesrepublik könnte im Kreml ja in der Tat Expansionsphantasien befeuern. Aber dann hätte nicht zuletzt Deutschland selbst eben aus eigenem Verschulden auch Anlass dazu gegeben. Mit anderen Worten: Die CDU hat ihre potentiellen Zerstörer selbst auf den Plan gerufen, weil sie inhaltliche Lücken gelassen hat – von der Migrations- über die Ordnungspolitik bis hin zu Fragen der inneren Sicherheit.

The Pioneer - Führung: Löwe, Fuchs, Merz

Business Class Edition
Führung: Löwe, Fuchs, Merz
Gabor Steingart, 17.11.2025, 7 Min
Guten Morgen,
eine starke Führungskraft muss beides in sich vereinigen: den Fuchs und den Löwen, schrieb der italienische Theoretiker Machiavelli.
"Man muss also Fuchs sein, um die Schlingen zu wittern, und Löwe, um die Wölfe zu schrecken."
Wenn diese Definition vom Beginn des 16. Jahrhunderts weiter ihre Gültigkeit besitzt, dann steckt Friedrich Merz in Schwierigkeiten.
Erstens: Sein Koalitionspartner lässt sich von ihm nicht mehr erschrecken. Durch die Brandmauer lebt der Löwe Merz im Käfig seiner eigenen Festlegungen. Die SPD hält ihm gefahrlos die Stöckchen durch die Gitterstäbe.
Zweitens: Der Kanzler tut sich erkennbar schwer, die Fallen des Gegners zu erkennen. Und manche Fallen hat er sich sogar selbst aufgestellt. Zuweilen könnte man meinen, der alte Fuchs sei stumpf geworden, wie es in der Waidmannssprache der Jäger heißt.
Wir erinnern uns, wie Merz noch vor der Bundestagswahl mit der AfD zusammen den Beschluss zur Zurückweisung von Migranten an deutschen Grenzen fassen wollte. Dieses Manöver war auch deswegen nicht erfolgreich, weil die eigene Partei rebellierte, angeführt von der Altkanzlerin Angela Merkel. Der Fuchs stand als gerupftes Huhn da.
Bei der schließlich gescheiterten Berufung der Verfassungsrichterin Brosius-Gersdorf setzte sich der Eindruck fort, dass hier nicht mit der nötigen Raffinesse gearbeitet wird. In Verkennung der Stimmung im eigenen Lager hatte die Unions-Spitze der Ernennung zugestimmt – bis die Abtreibungsgegner in der Unionsfraktion dem Kanzler einen Strich durch die Rechnung machten. Der Fuchs musste den Stall verlassen, verkratzt, aber ohne Beute.
Als Merz mit seinem SPD-Finanzminister daran ging, die Schuldenbremse zu demontieren, hielt er das für besonders schlau. Endlich frisches Geld. Auf Kredit kann man schließlich alles kaufen, warum nicht auch den Aufschwung?
Doch in der bürgerlichen Öffentlichkeit war diese Kreditorgie kaum vermittelbar und der Aufschwung blieb auch aus. Man hätte es ahnen können: Private und staatliche Investitionen bewegen sich im Verhältnis von sechs zu eins. Wenn der Staat die privaten Investoren also nicht stimuliert, sondern womöglich mit seinem Geld verdrängt, hat er mit Zitronen gehandelt.
Und nun also die Sache mit der Rente, deren Steuerzuschuss in dreistelliger Milliardenhöhe steigen soll, obwohl das Geld gar nicht da ist. Das Rentenpaket folgt keiner ökonomischen Logik, wohl aber einer politischen. Die SPD möchte sich ein paar Wähler kaufen und Merz bietet mit.

16 November 2025

Neben der Spur Die Leute dürfen auch ohne Ihre Erlaubnis über Probleme sprechen, Herr Steinmeier! (WELT+)

Richard David Precht im Podcast mit Markus Lanz dazu: "Das kann man Kindergartenkindern erzählen"
Neben der Spur

Die Leute dürfen auch ohne Ihre Erlaubnis über Probleme sprechen, Herr Steinmeier! (WELT+)
Von Gnaden des Bundespräsidenten: Steinmeier erlaubt dem Volk, eklatante Missstände zu „besprechen“, und stellt ein AfD-Verbot in den Raum. Damit beweist er nur, wie wenig er und das restliche politische Establishment „unserer Demokratie“ von der Stimmung im Volk mitbekommen.
Von Harald Martenstein, Freier Kolumnist und Autor, 16.11.2025, 4 Minuten
Unser Bundespräsident hat kürzlich eine Rede gehalten. Der Bundespräsident soll, nach verbreiteter Ansicht, Repräsentant des ganzen Volkes sein, ein Ersatzkönig, der eher befriedet, als Konflikte zuzuspitzen.
Das hat Frank-Walter Steinmeier ja auch an der einen oder anderen Stelle versucht. Etwa, als er sagte, dass man nicht jede unliebsame Äußerung pauschal als rechtsextrem diskreditieren solle. Oder als er sagte: „Es ist gefährlich, wenn Themen wie Migration und Sicherheit nicht besprochen werden können, weil sofort der Rassismusvorwurf im Raum steht.“
Wie sich danach an den Reaktionen zeigte, sind viele Leute kein bisschen dankbar dafür, dass ihnen der Bundespräsident großzügig erlaubt, „Themen wie Migration und Sicherheit“ zu „besprechen“, die viele ohnehin eher ein „Problem“ nennen würden als ein Thema. Die Leute haben nämlich mal in der Schule gelernt, dass man in einer Demokratie sowieso über Probleme sprechen darf, egal ob mit oder ohne Erlaubnis des Präsidenten. Vor allem aber wollen die Leute – die meisten Leute, genau gesagt – gar nicht so sehr, dass sie Probleme „besprechen“ dürfen. Sie möchten, dass Probleme gelöst werden. Unter „Lösung“ verstehen die meisten Leute zum Beispiel, dass Migration ihre Stadt nicht in den Ruin treibt.
Wie wenig Steinmeier und seine Redenschreiber von der Stimmung in der Bevölkerung mitbekommen, zeigt auch ihre Verwendung der beliebten Phrase „unsere Demokratie“, die in den letzten Jahren zu einer Art Triggerwort geworden ist bei allen, die sich von den etablierten Parteien verabschiedet haben oder auf dem Weg dazu sind.
Denn „unsere Demokratie“ ist offenbar etwas völlig anderes als „die Demokratie“ ohne Possessivpronomen. Während „die Demokratie“ für alle da war und keine Unterschiede machte, scheint „unsere Demokratie“ vor allem für das Establishment und seine Hilfstruppen da zu sein, die sind mit dem „wir“ gemeint, auf das sich „unsere“ bezieht. Ihr, die Leute, seid nicht gemeint.
„Die“ Demokratie zeichnete sich unter anderem durch Gewaltenteilung aus und eine weit gehende Meinungsfreiheit. „Unliebsame“ Äußerungen waren in „der“ Demokratie Alltag und brauchen anders als in „unserer Demokratie“ keine Sondergenehmigung von ganz oben, es sei denn, jemand rief beispielsweise zur Gewalt auf.
Die wichtigste Eigenschaft „der“ Demokratie aber bestand darin, dass Regierungen abgelöst werden und die politische Richtung sich ändern konnte, wenn die Bevölkerung sich nicht mehr von ihren Repräsentanten repräsentiert fühlte. Für „unsere Demokratie“ scheint das nicht mehr zu gelten.
Ein paar Krümel Zuckerbrot – und die Peitsche

Der andere Blick - Keine Spur von einer Trump-Diktatur: Der amerikanischen Demokratie geht es prächtig (NZZ)

Der andere Blick -
Keine Spur von einer Trump-Diktatur: Der amerikanischen Demokratie geht es prächtig
In den USA geschehen Zeichen und Wunder: Die Demokraten gewinnen Wahlen. Und die Medien, die bereits vor Trumps Tyrannei warnten, machen eine Kehrtwende.
Eric Gujer, 14.11.2025, 5 Min
Bereits Konrad Adenauer wusste um die geringe Haltbarkeit jeder politischen Wahrheit. «Was geht mich mein Geschwätz von gestern an», pflegte der Kanzler zu sagen. In diesen Tagen haben viele Journalisten und Experten besonderen Grund, sich der Worte des Alten zu entsinnen. In den USA ereignete sich etwas, was viele Beobachter schon für unmöglich gehalten hatten: Wahlsiege der Demokraten.
Der neue Bürgermeister von New York, die Gouverneurinnen von New Jersey und Virginia gehören der Partei an, die orientierungslos durch die ersten Monate von Trumps Herrschaft geirrt war. Jetzt wittern viele Morgenluft.
In amerikanischen wie deutschsprachigen Medien hiess es, die Wähler hätten Trump ein Warnsignal gesendet. Zivilgesellschaftlicher Widerstand könnte seine Allmacht bremsen, befand die «Süddeutsche Zeitung» zufrieden.
Die «Washington Post» erklärte die Wahlresultate gleich zum Referendum über Trump, weil seine Partei auch in unzähligen Gemeinderäten und Schulbehörden unterlag. Im Bucks County im Umland von Philadelphia sei zum ersten Mal seit dem 19. Jahrhundert ein demokratischer Staatsanwalt gewählt worden, jubilierte das Blatt.
Was für ein Unsinn – Washington ähnelt nicht Berlin unter Hitler
Vor kurzem klang es noch ganz anders. Da warnte die «Washington Post» vor einer «unvermeidlichen Trump-Diktatur». Auch der Hinweis auf den Untergang der Weimarer Republik und die Machtergreifung Hitlers durfte nicht fehlen.
Die «FAZ» fühlte sich ebenfalls an finstere Zeiten erinnert und beklagte die Gleichgültigkeit vieler Amerikaner angesichts des heraufziehenden Unheils: «Hat es sich so in etwa für viele Deutsche angefühlt, die im Sommer 1935 am Wannsee spazieren gingen und dann im Biergarten ihre Berliner Weisse tranken?» Die «FAZ» raunte: «Beginnt so eine Diktatur?»
Der abrupte Wechsel in der Kommentierung ist erklärungsbedürftig. Eben erst verglich man Trump noch mit Hitler, dem absolut Bösen. Jetzt frohlockt die «Süddeutsche», die neue Gouverneurin von Virginia «lehrt Trumps Partei das Fürchten».