Niemand muss mit der AfD paktieren oder gar koalieren. Es gibt gute Gründe für die heutigen Spitzenpolitiker von SPD und CDU/CSU, dass in der jetzigen Lage nicht zu tun.
#2 Erlebte Abstiege treiben den AfD-Aufstieg
Der Aufstieg der Populisten rechts und links ist das politische Spiegelbild unseres ökonomischen Abstiegs. Nicht die deutschen Produkte haben ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren, wohl aber der deutsche Industriearbeiter. Erlebte und befürchtete Abstiege sind der soziale Treibsatz, der den Aufstieg von AfD und Linkspartei befördert.
Wettbewerbsverlust: In einem Weltarbeitsmarkt, in dem deutsche Automobilfacharbeiter, Stahlkocher und Maschinenbauer mit den Hochqualifizierten aus China, Indien, Vietnam und Südkorea konkurrieren, haben sich die Spielregeln und die Preise verändert. Der deutsche Sozialstaat, der die Arbeit in Deutschland auf Rekordniveau verteuert hat, führt in dieser Konkurrenz der Standorte millionenfach zum Verlust gut bezahlter Industriejobs. An ihrer Stelle ist ein Niedriglohnsektor mit mehr als sechs Millionen Beschäftigten entstanden, der das Aufstiegsversprechen der alten Bundesrepublik dementiert.
Das stumme Heer der Billigarbeiter, Tagelöhner und Aufstocker klagt die etablierten Parteien an. Für diese Menschen hat – auch angesichts eines dysfunktionalen Bildungssystems mit geringer Aufwärtsmobilität – das Versprechen vom „Wohlstand für Alle“ seine Gültigkeit verloren. Die etablierten Parteien werden, so eine Studie des Progressiven Zentrums unter Leitung von Paulina Fröhlich, als „Versprechensbrecher“ gesehen.
#3 Befürchtete Abstiege wirken ebenfalls als AfD-Beschleuniger
Niemand braucht die „Wirtschaftswende“ und den „Herbst der Reformen“ dringlicher als die Mittelschicht,
die
durch die Entkoppelung von Arbeit und Kapital auf sich selbst geworfen
zurückblieb und auch durch eine Top-Ausbildung keine Garantie auf den
Aufstieg besitzt. Der technologische Fortschritt wird in Deutschland reguliert und nicht gefördert.
Die Startup-Kultur wird sonntags versprochen und werktags verraten. Die
Belastung der Jüngeren, verstärkt durch die Transferversprechen
gegenüber den Älteren, treibt zunehmend junge Akademiker in die Arme der
AfD.
Erfolg auch bei Jüngeren: Von den 18- bis
24-Jährigen haben laut Bundeszentrale für politische Bildung im Frühjahr
2025 bei der Bundestagswahl dreimal mehr Menschen die AfD als die CDU
gewählt und fast doppelt so viele die AfD wie die SPD. Für sie geht es
nicht um Abstieg, sondern um den strukturellen Ausschluss vom Aufstieg. Es wiederholt sich ein Muster, das von Götz Aly in seinem neuen Buch „Wie konnte das geschehen?“ als Erfolgsformel der frühen NSDAP beschrieben wird:
"Sie bot den vielen Halt, die auf ihrem Weg nach oben von Statusunsicherheit geplagt wurden."
Fazit: Der Kampf gegen Rechts wird in den Städten und Fabriken geführt, nicht vorm Verfassungsgericht und in den TV-Talkshows. Die Gesprächsverweigerung ist dabei die Wurzel allen Übels. Der Philosoph Karl Jaspers, dessen Denken zeitlebens um den richtigen Umgang mit dem Andersdenken kreiste, sagte dazu:
"Wer das Gespräch verweigert, verweigert die Wahrheit."
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