Wir können uns dieses System mit dem, was wir erwirtschaften, einfach nicht mehr leisten.
Die SPD-Arbeitsministerin und Parteichefin erwidert reflexartig: „Bullshit“.
Merz über das Stadtbild:
Wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.
Der SPD-Finanzminister und Co-Chef Lars Klingbeil:
Ich möchte in einem Land leben, bei dem nicht das Aussehen darüber entscheidet, ob man ins Stadtbild passt.
So
wird die Autorität des Kanzlers, der sich als Rassisten porträtiert
sieht, vorsätzlich ausgehöhlt. Steter Tropfen höhlt den Stein.
#2 Die CDU-Linke ballt die Faust in der Tasche
Der Sozialflügel der CDU, die Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft, war bereits zu Beginn von Merz' Amtszeit mit dem Kanzler unzufrieden. Da ging es nicht um Politik, sondern um Posten. Kein CDA-Mitglied in einem CDU-geführten Kabinett – das habe es seit Adenauer nicht gegeben, beschwerte sich Dennis Radtke.
Der CDA-Chef und EU-Abgeordnete fiel Merz in den letzten Monaten immer wieder in den Rücken. Von Debatten über längere Arbeitszeiten („Wir mahnen die notwendige Balance an“) bis hin zur Annäherung der CDU an die AfD („das ist saudämlich“) – Radtke hatte auch ohne Stadtbild-Debatte genug Kanonenfutter, um gegen Merz zu schießen.
Der lieferte nun nach und Radtke nahm dankend an. Vergangene Woche sagte er, Abschiebungen als Maßnahme zur Verbesserung des Stadtbildes seien „zu kurz gesprungen“ und würden der „Komplexität des Problems nicht gerecht“. Weiter:
Friedrich Merz ist nicht mehr der launige Kommentator am Spielfeldrand, der einen raushaut, sondern ihm kommt als Kanzler eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu.
Der Parteifreund hatte gesprochen: Setzen, Kanzler.
#3 In der Mitte der CDU gärt es
Teile der CDU, einst als Kanzlerwahlverein charakterisiert, verweigern Merz die strategische Gefolgschaft. Schon in der Debatte um die „kleinen Paschas“ und ihre Eltern („Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen.“) und heute in der Stadtbild-Debatte zelebrieren wichtige Unionsgrößen ihre Distanz zu Merz.
Es ist schick geworden, sich dezent abzusetzen. Wer weiß, wofür die kleine Illoyalität später noch gut ist. Gestern gaben mehr als 30 Unionschristen, darunter der Außen-Experte und Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, Ruprecht Polenz (Generalsekretär unter Merkel) und Monica Wüllner (stv. Bundesvorsitzende der CDA), die Gründung einer neuen Parteigliederung bekannt.
„Compass Mitte“, so der Name der neuen Gliederung, will „eine CDU/CSU, der man das ‚C‘ nicht nur in Sonntagsreden anmerkt.“ Die Partei solle „soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Vernunft und menschliche Verantwortung“ wieder in sich vereinen.
Im Klartext: Der CDU-Chef soll mittiger werden. Weniger Merz, mehr Merkel. Die noch unbefestigte Macht des Kanzlers hat seine Gegner mutig gemacht.
#4 Merkel überall
Die Altkanzlerin ist der Poltergeist seines Lebens.
Erst hat sie ihn vom Fraktionsvorsitz verdrängt. Jetzt nimmt sie ihm
auch im Bundeskanzleramt die Luft zum Atmen. Sie besitzt keine formale
Macht, aber gerade das macht sie frei und unverdächtig. Ihre
Wortmeldungen bedeuten vielen vieles.
Sie kritisierte seine zwischenzeitliche Bereitschaft, mit der AfD zu
stimmen. Sie verwirft seine Kommunikation: „Ich kann nicht immer nur
über die AfD sprechen und deren Tagesordnung aufnehmen.“ Sie lehnt schon die sanfte Koordinatenverschiebung nach rechts ab. Diese dürfe „nicht um den Preis“ erfolgen, „die eigenen Werte aufzugeben“.
Genüsslich erinnert sie ihn daran, dass die AfD bei
ihrer letzten Kanzlerwahl erst halb so groß war wie bei seiner ersten.
Sie wisse, dass es „sehr viele CDU-Mitglieder gibt, die sich freuen,
wenn ich an dieser Stelle den Mund aufmache“.
Fazit: Friedrich Merz kämpft einen Mehrfrontenkrieg, den er schwerlich gewinnen kann. Die Geschlossenheit der eigenen Truppe ist die Voraussetzung für alles Weitere. Oder wie die amerikanischen Kampagnenstrategen sagen:
Dazu passt: Den ehemaligen Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel verärgert die Debattenkultur seiner Partei. Er sagt heute Morgen im Pioneer-Podcast:
Wir verpassen mal wieder eine Chance, über die Probleme, die sich mit der Migration ergeben haben, ohne Schaum vorm Mund zu reden. Auf der linken Seite des politischen Spektrums ist nicht mehr vorhanden als der Versuch, auf die CDU und auf Merz mit dem Rassismusvorwurf einzudreschen.
Er erklärt sich das Verhalten der SPD so:
Es wäre aber zu kurz gegriffen, die Schuld für die aktuellen Empörungsdebatten der SPD allein in die Schuhe zu schieben. Gabriel:
Was wir in Deutschland verlernt haben, ist, mit dem Teil der Bevölkerung in Kontakt zu treten, der Ängste und Sorgen äußert, die man nicht teilen muss, die aber existieren und die man nicht einfach wegwischen kann.
In welchen zwei eindrücklichen Geschichten seiner langen politischen Laufbahn sich diese Beobachtung manifestiert, hören Sie hier.


Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen