09 Oktober 2025

Zehn Jahre „Wir schaffen das!“ - Die korrekte Meinung als Luxusgut (Cicero)

Zehn Jahre „Wir schaffen das!“
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Die korrekte Meinung als Luxusgut (Cicero)
Zehn Jahre nach 2015 leidet Deutschland immer noch. Auch unter der Dominanz des Merkel-Milieus und seines moralischen Dünkels – geprägt von geschönten Statistiken, einseitigem Journalismus und Luxusüberzeugungen, die fern der Realität gepflegt werden, während die Folgen ungelöst bleiben.
VON BERND STEGEMANN am 8. Oktober 2025 5 min
Zehn Jahre „Wir schaffen das!“ haben das Land geschafft. Die Folgen der grenzenlosen Migration sind alltäglich erfahrbar. Aber unter der Oberfläche der aufgeregten Debatten um Messerattentate und Willkommenskultur liegen die eigentlichen Verwerfungen. Die Berichte zum Jubiläum gaben einen Einblick, wie tief die intellektuelle Zerstörung von 16 Jahren Merkel-Regierung reicht. 
Merkel-Kritik scheint bis heute tabu im Qualitätsjournalismus zu sein. Dort werden die Statistiken zur Beschäftigung von Migranten so lange hin und her gewendet, bis sie halbwegs akzeptabel erscheinen. Und die Reportagen, die „objektiv“ nachfragen, nutzen die billigste Manipulationsdramaturgie: Die Probleme der Migration werden in dürren Zahlen von drögen Experten abgehandelt. Die Erfolgsgeschichten werden im rührenden Einzelschicksal erzählt. Und die Gefährdungen, die Migranten durch böse Deutsche erleiden, bilden das emotionale Ende des Berichts. Deutsche, die Opfer von migrantischer Gewalt wurden, bekommen selten Sendezeit. Und falls doch, gilt ihr Bericht als „rechtes Narrativ“. 
Stimmung statt Realität
Den Spitzenplatz in der Merkel-Hagiografie hält, wie nicht anders zu erwarten, der ÖRR. Ingo Zamperoni wurde bei der Altkanzlerin zum Gespräch vorgelassen. Die Aufregung des Schwiegersohns, der endlich die verehrte alte Dame persönlich mit seinem Charme bezaubern will, tropfte aus dem Fernseher. Es war ein „Wohlfühltermin“ von Anfang an, wie Merkel es für ihre Nachkanzlerinnen-Zeit als Devise ausgab.
Man mochte schier verzweifeln, als nach Merkels Feier der eigenen Lebensleistung keine der naheliegenden Fragen aus Zamperonis Mund zu hören waren. Am Ende der Plauderstunde gab die Kanzlerin ihrem Nachfolger noch einen vergifteten Rat: Es brauche Staatskunst, um die Europäische Union zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik zu bewegen. Wohlgefälliges Nicken beim Schwiegersohn. Verzweiflung vorm Fernseher. Wieso fällt nur dem TV-Zuschauer die Frage ein: Warum, Frau Merkel, hat Ihre Staatskunst dabei versagt? 

Doch auch die Liebedienerei des Journalisten ist nur eine Blase, die aus tieferen Verwerfungen aufsteigt. Der eigentliche Abgrund der Merkel-­Zeit besteht in einem Umbau von Politik und Öffentlichkeit. Die CDU und auch die SPD waren einst Regierungsparteien, die Kompromisse zwischen politisch gewollten und konkret machbaren Entscheidungen gesucht haben. Unter Merkel wurde der Machtkompass nicht mehr an der Realität, sondern an den Stimmungen eines Milieus ausgerichtet, das die Meinungsführerschaft innehat. Und dieses Milieu hat in Deutschland ein Set von Luxusüberzeugungen ausgebildet, die jedes Land ruinieren können. 

Luxusüberzeugungen sind fatal für die Demokratie

Eine Luxusüberzeugung ist eine Meinung, die man vor sich herträgt, um damit Anerkennung zu erlangen, für deren Konsequenzen man aber selbst keinerlei Einbußen gewärtigen muss. Die Königin der Luxusüberzeugungen ist: Refugees welcome! Ihre lautstärksten Vertreter wohnen in Stadtteilen, in denen Migranten sich keine Wohnung leisten können. Gelitten sind sie dort lediglich als eine neue Dienerklasse, als Essensboten, Putzkräfte und billige Aushilfen. 

Während die neuen Diener die Luxusüberzeugten entlasten, werden die Kinder auf Schulen geschickt, in denen der Anteil an nicht deutsch sprechenden Kindern verschwindend ist. Sollte es doch einmal zu migrationsfreundlich in der Schule werden, hat man genug Geld für eine Privatschule. Beim Elternabend im eigenen Milieu wird aber jeder, der Kritik an Merkels Politik der offenen Grenzen wagt, als Nazi ausgegrenzt.

Luxusüberzeugungen sind fatal für die Demokratie. Denn je mehr ihre Doppelmoral offensichtlich wird, desto wütender werden diejenigen, die davon gemaßregelt werden. Aber statt die Widersprüche des eigenen Moralismus zu bedenken, ignoriert Altkanzlerin Merkel nicht nur die schlimmen Folgen ihrer Migrationspolitik, sondern gibt einen absurden Fehler zu. Sie habe nicht gewusst, wie schwierig es sei, abgelehnte Asylbewerber wieder aus dem Land zu bringen. Wieder verzweifelt der mündige Bürger: Wie kann eine Kanzlerin das nicht wissen? Und wenn sie so grundlegende Probleme des Asylrechts nicht kennt, wie kann sie dann eine Entscheidung treffen, durch die mehr als eine Million Migranten ins Land kommen? 

Das Ende ist nicht in Sicht

Aber auch diese Nachfragen werden niemals gestellt. So gilt Merkel für das Milieu der Luxusüberzeugungen weiterhin als Königin einer moralisch hochwertigen Politik, um deren Folgeprobleme sich andere kümmern sollen. Der Vorteil der Luxusüberzeugung ist, dass man diese anderen, die dann die Drecksarbeit machen müssen, dafür verachten darf. 

Zehn Jahre „Wir schaffen das!“ haben ganze Arbeit vollbracht, indem Fakten geschaffen wurden. Es sind aber nicht nur die überlasteten Schulen und die kaputte Infrastruktur, die Energiepreise und die Bürokratie, die den Alltag erschweren, sondern es ist das Merkel-Milieu, das noch immer jeden Versuch, das kaputte Land zu reparieren, diffamiert. 

Mit geschönten Statistiken und einem Journalismus, der jedes Merkel-Interview als Queen’s Geburtstag feiert, wird es lange dauern, realistische Überzeugungen zu etablieren. Sich von den Luxusüberzeugungen zu befreien, ist aber die Voraussetzung für eine Befreiung aus der Merkel-­Misere. Und die wird länger dauern als zehn Jahre.

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