In
einem Gastkommentar spricht der ehemalige Hamburger Umweltsenator Prof.
Fritz Vahrenholt unter anderem über die Versorgungssicherheit und
steigenden Strompreise in Deutschland, über die Folgen für Industrie und
Haushalte sowie den Stand und d ie Entwicklung der Energiewende
weltweit.
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt
In Kürze:
- Die Nachfrage nach Gaskraftwerken übersteigt die weltweite Produktionskapazität.
- Für den Ausbau der Stromnetze soll die Industrie sieben, Haushalte 20 Cent pro Kilowattstunde mehr zahlen.
- Die Pariser Klimaziele sind nicht mehr zu halten. Ein Großteil der Unterzeichner scheint dies nicht zu stören.
- Die weltweite Nutzung fossiler Rohstoffe steigt weiter, ebenso die Emissionen. Deutschland kann dies nicht ändern.
Die
Abweichung der globalen Mitteltemperatur vom langjährigen Mittel der
Satellitenmessungen betrug im September 0,53 Grad Celsius. Damit liegt
die Abweichung leicht über den Werten von Juli und August, die mit 0,36
respektive 0,39 Grad Celsius die geringsten Abweichungen seit mehr als
zwei Jahren verzeichneten.
Unberührt
von der leichten Steigerung bleibt der seit über einem Jahr andauernde
Abkühlungstrend intakt. Für diesen Winter sieht die amerikanische Ozean-
und Atmosphärenbehörde NOAA weiterhin eine kühle La Niña im Pazifik
aufziehen, was zu einem weiteren Rückgang der globalen Temperaturen
führen wird. Die Zusammenhänge von Meeresströmungen und Temperaturen
habe ich in früheren Beiträgen thematisiert.
Die Versorgungssicherheit Deutschlands mit Strom ist zukünftig nicht mehr gewährleistet
Mit jedem neuen Windpark, mit jeder neuen Solaranlage wird die Versorgungssicherheit brüchiger, solange weiter zuverlässige, regelbare Kraftwerke abgeschaltet werden. Die Bundesnetzagentur rechnet damit, dass bis 2031 sämtliche Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke vom Netz gehen. Dann ist in Zeiten von Windstille – immerhin ein Drittel der Jahresstunden – und fehlender Solareinstrahlung im Winter die Versorgung mit Strom in Deutschland nicht mehr sichergestellt.Da die Bundesregierung unverdrossen am ungebremsten Ausbau der erneuerbaren Energien und an der finanziellen Belastung von Kohlekraftwerken durch steigende CO₂-Preise festhält, ist also ein Zusammenbruch der Versorgungssicherheit in Deutschland bis 2030 absehbar.
Mit jedem neuen Windpark, mit jeder neuen Solaranlage wird die Versorgungssicherheit brüchiger, solange weiter zuverlässige, regelbare Kraftwerke abgeschaltet werden. Die Bundesnetzagentur rechnet damit, dass bis 2031 sämtliche Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke vom Netz gehen. Dann ist in Zeiten von Windstille – immerhin ein Drittel der Jahresstunden – und fehlender Solareinstrahlung im Winter die Versorgung mit Strom in Deutschland nicht mehr sichergestellt.Da die Bundesregierung unverdrossen am ungebremsten Ausbau der erneuerbaren Energien und an der finanziellen Belastung von Kohlekraftwerken durch steigende CO₂-Preise festhält, ist also ein Zusammenbruch der Versorgungssicherheit in Deutschland bis 2030 absehbar.
Bis dahin rechnet die Bundesnetzagentur mit Preisen von 120 Euro pro Tonne CO₂.
Zu diesem Zeitpunkt werden die Kohlekraftwerksbetreiber ihre Anlagen
nicht mehr wirtschaftlich betreiben können. Selbst die von Klaus Müller
(Grüne) geführte Bundesnetzagentur stellt in ihrem
Versorgungssicherheitsbericht fest:
„Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist gewährleistet, wenn bis 2035 zusätzliche steuerbare Kapazitäten von 22.400 MW (Zielszenario) bis zu 35.500 MW (Verzögerte Energiewende) errichtet werden.“
Mit anderen Worten: Ohne neue, zuverlässige Kraftwerke geht es nicht.
Teure Gaskraftwerke für Deutschland auf Kosten anderer?
Schon
2030 fehlen 17.000 bis 21.000 MW. Das sind 40 Gaskraftwerke bis 2030,
bis 2035 werden 70 Gaskraftwerke benötigt. Mindestens.
Diese Gaskraftwerke können jedoch niemals in den nächsten fünf Jahren gebaut werden. Es gibt weltweit im Wesentlichen drei Hersteller von Gasturbinen: Siemens Energy mit einem Marktanteil von 24 Prozent, GE Vernova (25 Prozent) und Mitsubishi (22 Prozent), die zusammen über 70 Prozent des Marktes bedienen. Diese Hersteller sind bis zum Jahr 2030 vollständig ausgebucht. Die notwendigen deutschen 70 Gaskraftwerke sind daher in der Planung der Gasturbinenhersteller noch nicht enthalten.
Diese Gaskraftwerke können jedoch niemals in den nächsten fünf Jahren gebaut werden. Es gibt weltweit im Wesentlichen drei Hersteller von Gasturbinen: Siemens Energy mit einem Marktanteil von 24 Prozent, GE Vernova (25 Prozent) und Mitsubishi (22 Prozent), die zusammen über 70 Prozent des Marktes bedienen. Diese Hersteller sind bis zum Jahr 2030 vollständig ausgebucht. Die notwendigen deutschen 70 Gaskraftwerke sind daher in der Planung der Gasturbinenhersteller noch nicht enthalten.
Diese explosive Entwicklung hat zwei wesentliche Ursachen. Einerseits werden in den USA allein bis 2028 rund 50 Gaskraftwerke gebaut,
um den massiven Bedarf der neu zu errichtenden Datenzentren zuverlässig
zu bedienen. Zum anderen wächst der Bedarf an Gaskraftwerken in den
Entwicklungsländern, um den dortigen Energiehunger zu befriedigen.
Allein Vietnam will 22 Gaskraftwerke bis 2030 mit 22.000 MW bauen.
Die
Preise für Gasturbinen sind mittlerweile auf das Dreifache gestiegen.
So könnte Deutschland allenfalls mit noch höheren Preisen Gasturbinen
aus Entwicklungsländern abzweigen. Das bedeutet dann, dass Vietnam,
Indonesien oder Pakistan auf Kohle zurückgreifen. Für die Gesamtemission
ist damit nichts gewonnen, wenn Deutschland seine Kohlekraftwerke durch
Gaskraftwerke ersetzt. Aber wer erwartet schon in Deutschland eine
realistische, durchdachte Energiepolitik?
Während
andere Nationen ihr Wirtschaftswachstum mit Gaskraftwerken abdecken,
will die deutsche Bundesregierung nur den Irrweg der Energiewende mit
extrem hohen Kosten absichern. Zur Finanzierung beabsichtigt die
Regierung Merz, auf den Vorschlag des ehemaligen Bundesministers Habeck
zurückzugreifen und eine Sonderabgabe auf den Strom
von bis zu 2 Cent pro Kilowattstunde zu erheben. Für einen
Zwei-Personen-Haushalt sind das 80 Euro im Jahr, für das produzierende
Gewerbe ist diese Abgabe ein weiterer Nachteil im globalen Wettbewerb.
Doppelbelastung der deutschen Industrie
Die
Bundesnetzagentur hat schon im kürzlich erschienenen
Versorgungssicherheitsbericht angedeutet, dass sie den bisherigen Weg
weiterverfolgt. Demnach wird die Industrie zum Lückenbüßer für die
verfehlte Energiepolitik, indem sie angehalten wird, möglichst dann zu
produzieren, wenn die Sonne scheint und der Wind weht.
Möglicherweise dachte die
energieintensive Industrie, dass dieser absurde Plan mit dem Ausscheiden
der Grünen aus dem Bundeskabinett ad acta gelegt ist. Aber die grünen
Strippenzieher in den Bundesoberbehörden, hier Klaus Müller als Chef der
Bundesnetzagentur, geben die Richtung vor.
In der Zusammenfassung des Berichts
auf Seite 7, wird festgestellt, dass die Versorgungssicherheit nur
erreicht werden kann, wenn die Stromnachfrage flexibilisiert wird. Er
droht: „Eine ausbleibende Flexibilisierung kann den Bedarf an
zusätzlichen steuerbaren Kapazitäten wie Kraftwerken weiter erhöhen, um
die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.“
Derweil arbeiten Müller und die Bundesnetzagentur unter dem Projekt AgNES
(Konsultationsverfahren zur Festlegung der Allgemeinen Netzentgelte)
unvermindert daran, die 560 Betriebe in Deutschland, die rund um die
Uhr, 24 Stunden an 7 Tagen, voll ausgelastet produzieren, zu bestrafen,
wenn sie gleichmäßig Strom aus dem Netz entnehmen und zu begünstigen,
wenn sie ihre Produktion nach Wind und Wetter gestalten.
Diese
Betriebe der Chemie-, Metall-, Papier-, Glas- und
Nahrungsmittelindustrie erhielten bislang wegen ihrer gleichmäßigen
Auslastung des Netzes einen sogenannten Bandlastrabatt. Dieser Rabatt
von insgesamt 1,42 Milliarden €, der nun gestrichen werden soll, ist für
die Grundstoffindustrie von existenzieller Bedeutung. Dies gilt
insbesondere dann, wenn – wie abzusehen – die Netzkosten aufgrund des
Netzausbaus für die Energiewende massiv steigen werden: um 7 ct/kWh für
die Industrie und sage und schreibe 20 ct/kWh für die privaten
Haushalte.
Diese Zahlen hatte kürzlich das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln berechnet.
Damit würde der noch verbliebene Rest der Industrie zerstört und die
privaten Haushalte mit einer mehr als 50-prozentigen Strompreiserhöhung
abkassiert werden.
Umweltschutz nur bei Sonne und Wind?
Kupfer-
oder Glasproduktion, aber auch Rechenzentren können nicht im
Stop-and-go-Betrieb gefahren werden. Allein für den Betrieb der
Umweltschutzanlagen, also der Abgasreinigungs- und Abwasseranlagen, wird
rund ein Drittel des Stroms in der metallverarbeitenden Industrie
verbraucht. Sollen die Elektrofilter abgestellt werden, wenn die Sonne
nicht scheint?
Die Bundesnetzagentur
erkennt mittlerweile die Schwachstelle ihrer absurden Planung und kommt
nun auf die Idee, dass die Industriebetriebe doch Batterien installieren könnten,
um den schwankenden Strom gleichmäßiger zu machen. Also: Weil die
Politik es zugelassen hat, dass zuverlässige Kraftwerke kaputtgemacht
worden sind und Solar- und Windkraftwerke, die von jeglichen
Netzfinanzierungskosten befreit sind, nur unzuverlässigen Strom liefern,
muss ein Industriebetrieb hunderte Millionen Euro in Batterien
investieren, um sich eine eigene zuverlässige Stromversorgung zu
basteln?
Wie sagte der Chef von Kali und Salz zutreffend in einem Interview:
„Am Kapitalmarkt werden wir hin und wieder gefragt, ob wir des
Wahnsinns sind, weil wir in Deutschland produzieren.“ Der Wahnsinn nennt
sich deutsche Energiepolitik. Die Bundesnetzagentur ist eine
nachgeordnete Behörde des Bundeswirtschaftsministeriums.
Wie
lange will sich Wirtschaftsministerin Katherina Reiche anschauen, wie
Herr Müller weitere Sargnägel zur Zerstörung der deutschen Industrie
platzieren kann? Wie lange kann der Bundeskanzler wegschauen, wenn unter
seiner Kanzlerschaft die deutsche Industrie auf dem grünen Altar der
Energiewende geopfert wird?
Zehn Jahre Pariser Abkommen: Verbrauch an Kohle, Öl und Gas steigt weltweit ungebremst
Rechtzeitig vor der Klimakonferenz in Brasilien zieht das Stockholm Environment Institute eine ernüchternde Bilanz:
Außerhalb Deutschlands und Europas hält sich kaum ein Land an die
Zusagen im Pariser Abkommen. Von den 195 Signatarstaaten hatten zum
festgesetzten Termin am 10. Februar 2025 nur 15 berichtet. Im Rahmen
einer Nachfrist im September waren es dann gerade einmal 70 der Staaten.
Das Interesse der Nationen an der Klimapolitik scheint nicht mehr
besonders hoch zu sein.
Die für die
Klimaalarmisten erschreckende Wahrheit ist, dass die meisten Staaten
weiter steigenden Einsatz von Kohle, Öl und Gas meldeten. Bis 2030
zeigen die Berichte einen Anstieg der weltweiten Kohlenutzung um 30
Prozent, bei Öl um 25 Prozent und bei Gas um 40 Prozent gegenüber 2015.
Der Weltklimarat hoffte, die weltweiten
CO₂-Emissionen bis 2030 gegenüber 2010 um 45 Prozent senken zu können,
jetzt steigen sie weiter an. Der Ausstieg der USA aus dem Pariser
Klimaabkommen ist dabei noch nicht berücksichtigt.
Doch
allein Indien wird in diesem Jahrzehnt um 25 Prozent mehr CO₂
emittieren, denn 70 Prozent der Elektrizität werden aus Kohle gewonnen.
Chinas Emissionen werden bis 2030 ebenso weiter anwachsen. Der neue
Fünfjahresplan hat noch Hunderte Kohlekraftwerke in Planung.
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