„Deutschland darf keine klimaneutrale grüne Wirtschaftsruine werden“
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU) hatte
WELT TV gesagt, ein starres Festhalten an den bislang gesetzten
Klimaschutzzielen würde zu massiven Verwerfungen in der deutschen
Wirtschaft führen. „Ich glaube, dass dieses Ziel unter den jetzigen
Bedingungen mit Ukraine-Krieg,
Weltwirtschaftskrise, letztendlich auch der Wirtschaftspolitik von
Amerika nicht zu erreichen ist – es sei denn unter Verlust von ganzen
Industriezweigen oder wesentlichen Teilen davon.“
Deutschland will die Klimaneutralität fünf Jahre vor dem Zieljahr erreichen, das sich die Mitgliedsländer der Europäischen Union insgesamt gesetzt haben. Unions-Politiker hatten in der Vergangenheit wiederholt Kritik am sogenannten Gold-Plating Deutschlands geübt. Dabei wird bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht über die Vorgaben von Brüssel hinausgegangen.
Der
CDU-Bundestagsabgeordnete und Europapolitiker Tilman Kuban hatte zu
Beginn der Woche mit seiner Kritik an der bisherigen Klima-Politik eine
Debatte in der Union entfacht. Kuban hatte im WELT-Interview gesagt, er
plädiere dafür, die Ziele beim Klimaschutze „der neuen Realität
anzupassen“. Damit werde Deutschland klimafreundlicher, bleibe aber
Industrieland.
So weit wollen viele Unions-Politiker nicht gehen. „Wir haben uns 2024 in unserem neuen Grundsatzprogramm zur Klimaneutralität bis 2045 bekannt, genauso in unserem Wahlprogramm, und wir haben das im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbart – wir wollen und werden davon jetzt nicht abrücken“, sagte Andreas Jung, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU, WELT.
Allerdings fordert auch Jung eine Korrektur des Kurses der Ampel-Koalition und der schwarz-roten Bundesregierungen unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Klimaschutz bleibt für uns als Christdemokraten ein wichtiger Wert und angesichts des fortschreitenden Klimawandels von herausragender Bedeutung. Aber der Weg zur Klimaneutralität, wie er bisher eingeschlagen wurde, war zum Teil zu eng oder falsch. Darüber müssen wir reden, das müssen wir korrigieren“, so Jung, der klimapolitische Sprecher seiner Fraktion im Bundestag. „Wir brauchen bei klarer Rahmensetzung echten Pragmatismus, neue Offenheit und mehr Marktwirtschaft.“
Dazu herrscht in weiten Teilen der Union
Konsens. Ministerpräsident Haseloff schlägt vor: „Wir müssen vor allen
Dingen die energieintensive Industrie befreien von den Auflagen, die wir
eingebaut haben wie Zertifikatehandel und Ähnlichem.“ Haseloff nannte
konkret die Bereiche Stahl, Grundstoffchemie, Automobilzulieferer und
Unternehmen der Metallverarbeitung. Der CDU-Politiker forderte „eine
Modifikation des bisherigen Fahrplans“, ohne das grundsätzliche Ziel der
Klimaneutralität aufzugeben. „Wir brauchen einen anderen Pfad dorthin“,
sagte der Ministerpräsident.
Der CDU-Abgeordnete Mark Helfrich hält zwar nichts davon, die Klimaschutzziele infrage zu stellen. Das gehe zu weit und lenke von der Problemlösung ab. Doch der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Umwelt der Unions-Fraktion sagt auch: „Niemand will, dass Produktion aufgrund von Klimaschutz aus Deutschland abwandert. Wir hatten mal den Grundkonsens, dass die Belastungen der Energiewende nicht dazu führen dürfen, dass die deutsche Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig ist, das müssen wir uns jetzt wieder in Erinnerung rufen.“ Es müsse verhindert werden, „deutsche Hersteller mit solchen aus dem Ausland konkurrieren zu lassen, die nach niedrigeren Standards im Klima- und Umweltschutz produzieren und dann hier ihre Produkte verkaufen. Das funktioniert nicht.“
Auch der Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, Wolfgang Steiger, fordert „mehr Flexibilität beim Klimaschutz“. Steiger: „Der planwirtschaftliche Ansatz mit einer Vielzahl von Maximalzielen, Hundert-Prozent-Werten, Technologieverboten und -geboten sowie immer kürzeren Fristen in einer künstlich alarmistischen Grundstimmung stammt aus einer anderen Zeit, in der Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit noch keine Themen waren.“
Steiger dringt darauf, dass sich die
Bundesregierung in den kommenden Jahren vor allem auf die Instrumente
Emissionshandel und Kompensationsmechanismus des Pariser Abkommens
stützen soll. „Sie bieten eine deutlich kostengünstigere Lösung für
wirksamen Klimaschutz als die vielen Goldrandlösungen in der deutschen
Industrie, die zunehmend Arbeitsplätze kosten, ohne dem Klima wirklich
zu nützen.“
Auch Parteivize und Klima-Politiker Jung setzt auf den Emissionshandel. Dabei legt der Staat eine Obergrenze für Treibhausgasemissionen fest, und die beteiligten Unternehmen müssen für ihre Emissionen Zertifikate erwerben. Der Handel müsse allerdings „neu justiert“ werden, damit die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärker berücksichtigt werden könne, so Jung. „Und wir müssen im Bereich der Mobilität auf mehr als eine technische Lösung bei den Antrieben setzen.“ Neben Batterieautos sollten unter anderem alternative Kraftstoffe oder die Brennstoffzellentechnologie zur Vermeidung des CO₂-Ausstoßes eine stärkere Rolle spielen. Ebenso wie der Einsatz von Wasserstoff, selbst wenn der zunächst noch unter dem Einsatz von Gas, also einem fossilen Energieträger, produziert werden müsse.
CDU-Parteivize Jung warnte: „Wir müssen Klimaschutz, die Interessen der Wirtschaft und den sozialen Ausgleich in Einem denken. Sonst verlieren wir die Akzeptanz. Und ohne Akzeptanz gibt es bei Wahlen keine politischen Mehrheiten für Klimaschutz. Dann geht es ganz woanders hin.“
Nikolaus Doll berichtet über die Unionsparteien und die Bundesländer im Osten.
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