09 Oktober 2025

Nach ÖRR-Kritik im NRW-Landtag
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„Das ZDF hat mich beruflich kaltgestellt“
Wegen seiner öffentlichen Kritik am ÖRR erlebt der ZDF-Journalist Andreas Halbach in der Redaktion ein Tribunal, erzählt er exklusiv im Cicero-Interview. Die Chefs vom Dienst verweigern nun die Zusammenarbeit – womöglich auf Anweisung von oben.
INTERVIEW MIT ANDREAS HALBACH am 8. Oktober 2025
Andreas Halbach arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Journalist für die investigative ZDF-Sendung Frontal und sorgte im September 2025 für Aufsehen, als er vor dem Medienausschuss des Landtags NRW als Sachverständiger auftrat. Er kritisierte die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks scharf, berichtete von Unterdrückung interner Kritik und forderte verbindliche Regelungen zur „inneren Rundfunkfreiheit“. Halbachs Aussagen lösten eine breite Debatte über Transparenz und Reformbedarf beim ZDF aus, während der Sender die Vorwürfe zurückwies.
Herr Halbach, Sie arbeiten seit über 20 Jahren als investigativer Journalist für die ZDF-Sendung Frontal. Vor wenigen Wochen haben Sie im Landtag NRW offen Missstände im öffentlich-rechtlichen Rundfunk angeprangert. Sie haben von „Einschüchterungsversuchen“ im ZDF gesprochen und verglichen die Stellung des Intendanten mit den Strukturen in der katholischen Kirche. Haben Sie keine Angst vor Sanktionen?
Ehrlich gesagt, leider doch. In zwanzig Jahren habe ich über 300 Beiträge für ZDF Frontal gemacht – ich gehöre damit zu den produktivsten Investigativreportern des Senders. Nach meiner Kritik im NRW-Landtag weigern sich nun allerdings mehrere „Chefs vom Dienst“, mit mir zusammenzuarbeiten. Deshalb ist eine aktuelle Recherche von mir „on hold“ gesetzt worden, die schon mehrere tausend Euro gekostet hat. So bin ich beruflich faktisch kaltgestellt.
Sie stehen also weiter in einem Vertragsverhältnis, können aber nicht arbeiten, weil die CvDs die Zusammenarbeit verweigern?
Ja, genau so ist es. Drei oder vier CvD-Kollegen entscheiden faktisch darüber, dass ich mein Grundrecht auf freie Berufsausübung nach Artikel 12 und freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 des Grundgesetzes derzeit nicht wahrnehmen kann. Ich frage mich, wer das im Haus angeordnet hat. Auch der NRW-Landtagspräsident sollte sich Gedanken machen: Wenn Sachverständige nach einer parlamentarischen Anhörung für ihre Kritik von einer öffentlich-rechtlichen Institution sanktioniert werden, wer wird künftig noch bereit sein, seine Praxiserfahrung in ein Gesetzgebungsverfahren einzubringen?
Warum verweigern die CvDs die Zusammenarbeit?
Eine Begründung habe ich von den Kollegen nicht erhalten. Mir wurde lediglich mitgeteilt, dass gegen mich ein Beschwerdeverfahren nach der ZDF-Leitordnung eingeleitet wurde – vermutlich wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Gebot der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“. Offenbar, weil ich im Landtag kritisch über interne Strukturen gesprochen habe.

Haben Sie den Eindruck, dass diese Haltung von anderer Seite beeinflusst wurde?

Ja, den Eindruck habe ich. Ich empfinde das als ein deutliches Signal: Offenbar soll damit ein Exempel statuiert werden, um andere potenzielle Kritiker einzuschüchtern. Ich habe nichts getan, außer das einzufordern, was im öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbstverständlich sein sollte: redaktionelle Unabhängigkeit und journalistische Freiheit. Wenn kritische Stimmen intern sanktioniert werden, gefährdet das die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems.

Das Verhalten Ihnen gegenüber scheint beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk kein Einzelfall zu sein. Vor dem Landtag erwähnten Sie den Fall eines langjährigen WDR-Mitarbeiters, dem nach 23 Jahren wegen interner Kritik gekündigt wurde. Welche Signalwirkung haben solche Fälle auf Kollegen?

Diesen WDR-Fall habe ich gründlich recherchiert. Von WDR-Mitarbeitern, Gewerkschaften und Personalräten auch aus anderen ARD-Sendern wurde mir bestätigt, dass sich solche Fälle – in denen freie Mitarbeiter nach interner Kritik sofort gekündigt werden – sehr schnell herumsprechen. Sie entfalten massive Signalwirkung – wirken einschüchternd auf die Bereitschaft, überhaupt noch Kritik zu äußern. Das Grundproblem liegt in den oft prekären Arbeitsbedingungen der freien Mitarbeiter, die über keinen ordentlichen oder sogar über gar keinen Kündigungsschutz verfügen.

Das gleiche gibt es auch beim ZDF: Es handelt sich um einen langjährigen investigativen ZDF-Mitarbeiter, der die Redaktion Frontal verlassen musste und derzeit auf Rückversetzung klagt. Er selbst redet von einer „Strafversetzung“. Da sich der Kollege die Veröffentlichung dieses Vorgangs selbst vorbehalten hat, kann ich keine weiteren Details nennen.

Gab es eine offizielle Reaktion des ZDF auf Ihren Auftritt im Landtag?

Ja. Im Intranet erschien ein Artikel auf ZDF-Inside, auf den tausende Mitarbeiter Zugriff haben. Darin werden falsche Tatsachenbehauptungen über mich aufgestellt, die meine Glaubwürdigkeit beschädigen und das Vertrauen meiner Kollegen untergraben. Ich habe Belege vorgelegt und eine Gegendarstellung gefordert – bislang ohne Erfolg.

Erfahren Sie im Haus auch Unterstützung?

Ja, es gibt Zuspruch – schriftlich und telefonisch. Einige Kollegen teilen mir eigene Erfahrungen mit ähnlichen Vorgängen mit. Ich kann das noch nicht verifizieren, aber meine frühere Arbeit im Personalrat hat mir gezeigt, dass im ZDF vieles zu sehr von Hierarchien und zu wenig von Selbstreflexion geprägt ist.

Wie haben Sie die ersten Redaktionskonferenzen nach dem Landtagsauftritt erlebt?

Schon nach meiner Unterschrift unter das „Manifest“ kritischer ÖRR-Mitarbeiter im Sommer 2024 musste ich mich in einer Redaktionskonferenz rechtfertigen – das glich einem inquisitorischen Tribunal. Nach dem Landtagsauftritt habe ich ein Statement verlesen und gebeten, mich nicht wieder mit der Vertrauensfrage zu konfrontieren. Trotzdem wurde sie mehrfach gestellt. Der Ärger vieler, vor allem junger Kolleginnen und Kollegen, war heftig. Man warf mir vor, das Ansehen des ZDF beschädigt zu haben. Aber welche Debattenkultur ist das, wenn sachliche Kritik so gewertet wird? Mein Ziel ist, Strukturen zu verbessern, die innere Rundfunkfreiheit zu stärken und journalistische Unabhängigkeit zu sichern – für heutige und künftige Generationen.

Zur Wahrheit gehört auch: Ihre Kollegin Julia Klaus veröffentlichte auf LinkedIn eine Stellungnahme im Namen von 26 Frontal-Mitarbeitern. Zitat: „Wir, die Mitglieder der ZDF-Redaktion Frontal, stellen hiermit klar, dass die im Düsseldorfer Landtag erhobenen Behauptungen bezüglich der Arbeit in der Redaktion Frontal nicht unseren Erfahrungen entsprechen. Wir widersprechen in aller Deutlichkeit den Vorwürfen.“ Wie bewerten Sie dies?

Von den 26 Unterzeichnern sind nicht mal eine Handvoll Festangestellte sowie ein Kameramann. Mehr als 80 Prozent der Unterzeichner stehen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen der freien Mitarbeit und sind auf die Vertragsverlängerung durch die Redaktionsleitung angewiesen. Die Mehrheit der Festangestellten und auch zwei freie Mitarbeiter haben sich an dieser Stellungnahme nicht beteiligt. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass sich viele Unterzeichner in ihrer öffentlichen Stellungnahme meiner Meinung nach eher an der Haltung der Leitung orientieren.

Es gibt unsichere Beschäftigungsverhältnisse in der Investigativ-Redaktion von ZDF-Frontal?  

Ja, leider, und das ist höchst bedenklich. Ich selbst bin freier Mitarbeiter mit einem Kettenvertrag seit mehr als 20 Jahren und eingeschränktem Kündigungsschutzrecht. Das erlaubt das Bundesverfassungsgericht schon seit 1982. Es konstatiert den ÖRR-Sendern ein „Abwechslungsbedürfnis“ programmprägender freier Mitarbeiter, um die Vielfalt und Aktualität ihrer Programme zu gewährleisten. Dieses Rotationsprinzip wird aber faktisch im ZDF gar nicht angewendet. Erst seit wenigen Jahren existiert für freie Mitarbeiter eine maximale Beschäftigungsdauer von sechs Jahren. Ein ZDF-Redakteur schrieb mir vor wenigen Tagen: „Wir behandeln unsere eigenen jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teils wie den letzten Dreck.“

Welche Erwartungen richten Sie nun an das ZDF?

Zuerst, dass das ZDF endlich die Notwendigkeit eines Redaktionsstatuts anerkennt, um die innere Rundfunkfreiheit gesetzlich abzusichern. Zweitens, dass das Beschwerdewesen nicht länger vom Gutdünken Einzelner abhängt, sondern bis in den ZDF-Fernsehrat führen kann – als einziges Aufsichtsgremium des Intendanten. Ich möchte meinen Beruf als Investigativjournalist weiter ausüben, etwa meine aktuelle Recherche zur Fernwärme-Abzocke fortsetzen. Diese Arbeit darf nicht blockiert werden, nur weil einige CvDs die Zusammenarbeit verweigern. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss kritische, unabhängige Journalisten in sicheren Arbeitsverhältnissen stärken – dafür zahlen die Bürger fast neun Milliarden Euro im Jahr.

Wie werden Sie weiter vorgehen?

Ich werde mich gegen alle Angriffe auf meine journalistische Integrität und auf meine Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der freien Berufsausübung wehren – und weiter sagen, was ist.

Das Gespräch führte Clemens Traub.

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