Haben Sie den Eindruck, dass diese Haltung von anderer Seite beeinflusst wurde?
Ja, den Eindruck habe ich. Ich empfinde das als ein deutliches Signal: Offenbar soll damit ein Exempel statuiert werden, um andere potenzielle Kritiker einzuschüchtern. Ich habe nichts getan, außer das einzufordern, was im öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbstverständlich sein sollte: redaktionelle Unabhängigkeit und journalistische Freiheit. Wenn kritische Stimmen intern sanktioniert werden, gefährdet das die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems.
Das Verhalten Ihnen gegenüber scheint beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk kein Einzelfall zu sein. Vor dem Landtag erwähnten Sie den Fall eines langjährigen WDR-Mitarbeiters, dem nach 23 Jahren wegen interner Kritik gekündigt wurde. Welche Signalwirkung haben solche Fälle auf Kollegen?
Diesen WDR-Fall habe ich gründlich recherchiert. Von WDR-Mitarbeitern, Gewerkschaften und Personalräten auch aus anderen ARD-Sendern wurde mir bestätigt, dass sich solche Fälle – in denen freie Mitarbeiter nach interner Kritik sofort gekündigt werden – sehr schnell herumsprechen. Sie entfalten massive Signalwirkung – wirken einschüchternd auf die Bereitschaft, überhaupt noch Kritik zu äußern. Das Grundproblem liegt in den oft prekären Arbeitsbedingungen der freien Mitarbeiter, die über keinen ordentlichen oder sogar über gar keinen Kündigungsschutz verfügen.
Das gleiche gibt es auch beim ZDF: Es handelt sich um
einen langjährigen investigativen ZDF-Mitarbeiter, der die Redaktion
Frontal verlassen musste und derzeit auf Rückversetzung klagt. Er selbst
redet von einer „Strafversetzung“. Da sich der Kollege die
Veröffentlichung dieses Vorgangs selbst vorbehalten hat, kann ich keine
weiteren Details nennen.
Gab es eine offizielle Reaktion des ZDF auf Ihren Auftritt im Landtag?
Ja. Im Intranet erschien ein Artikel auf ZDF-Inside, auf den tausende Mitarbeiter Zugriff haben. Darin werden falsche Tatsachenbehauptungen über mich aufgestellt, die meine Glaubwürdigkeit beschädigen und das Vertrauen meiner Kollegen untergraben. Ich habe Belege vorgelegt und eine Gegendarstellung gefordert – bislang ohne Erfolg.
Erfahren Sie im Haus auch Unterstützung?
Ja, es gibt Zuspruch – schriftlich und telefonisch. Einige Kollegen teilen mir eigene Erfahrungen mit ähnlichen Vorgängen mit. Ich kann das noch nicht verifizieren, aber meine frühere Arbeit im Personalrat hat mir gezeigt, dass im ZDF vieles zu sehr von Hierarchien und zu wenig von Selbstreflexion geprägt ist.
Wie haben Sie die ersten Redaktionskonferenzen nach dem Landtagsauftritt erlebt?
Schon
nach meiner Unterschrift unter das „Manifest“ kritischer
ÖRR-Mitarbeiter im Sommer 2024 musste ich mich in einer
Redaktionskonferenz rechtfertigen – das glich einem inquisitorischen
Tribunal. Nach dem Landtagsauftritt habe ich ein Statement verlesen und
gebeten, mich nicht wieder mit der Vertrauensfrage zu konfrontieren.
Trotzdem wurde sie mehrfach gestellt. Der Ärger vieler, vor allem junger
Kolleginnen und Kollegen, war heftig. Man warf mir vor, das Ansehen des
ZDF beschädigt zu haben. Aber welche Debattenkultur ist das, wenn
sachliche Kritik so gewertet wird? Mein Ziel ist, Strukturen zu
verbessern, die innere Rundfunkfreiheit zu stärken und journalistische
Unabhängigkeit zu sichern – für heutige und künftige Generationen.
Zur Wahrheit gehört auch: Ihre Kollegin Julia Klaus veröffentlichte auf LinkedIn eine Stellungnahme im Namen von 26 Frontal-Mitarbeitern. Zitat: „Wir, die Mitglieder der ZDF-Redaktion Frontal, stellen hiermit klar, dass die im Düsseldorfer Landtag erhobenen Behauptungen bezüglich der Arbeit in der Redaktion Frontal nicht unseren Erfahrungen entsprechen. Wir widersprechen in aller Deutlichkeit den Vorwürfen.“ Wie bewerten Sie dies?
Von den 26 Unterzeichnern sind nicht mal eine Handvoll Festangestellte sowie ein Kameramann. Mehr als 80 Prozent der Unterzeichner stehen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen der freien Mitarbeit und sind auf die Vertragsverlängerung durch die Redaktionsleitung angewiesen. Die Mehrheit der Festangestellten und auch zwei freie Mitarbeiter haben sich an dieser Stellungnahme nicht beteiligt. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass sich viele Unterzeichner in ihrer öffentlichen Stellungnahme meiner Meinung nach eher an der Haltung der Leitung orientieren.
Es gibt unsichere Beschäftigungsverhältnisse in der Investigativ-Redaktion von ZDF-Frontal?
Ja, leider, und das ist höchst bedenklich. Ich selbst bin freier Mitarbeiter mit einem Kettenvertrag seit mehr als 20 Jahren und eingeschränktem Kündigungsschutzrecht. Das erlaubt das Bundesverfassungsgericht schon seit 1982. Es konstatiert den ÖRR-Sendern ein „Abwechslungsbedürfnis“ programmprägender freier Mitarbeiter, um die Vielfalt und Aktualität ihrer Programme zu gewährleisten. Dieses Rotationsprinzip wird aber faktisch im ZDF gar nicht angewendet. Erst seit wenigen Jahren existiert für freie Mitarbeiter eine maximale Beschäftigungsdauer von sechs Jahren. Ein ZDF-Redakteur schrieb mir vor wenigen Tagen: „Wir behandeln unsere eigenen jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teils wie den letzten Dreck.“
Welche Erwartungen richten Sie nun an das ZDF?
Zuerst, dass das ZDF endlich die Notwendigkeit eines Redaktionsstatuts anerkennt, um die innere Rundfunkfreiheit gesetzlich abzusichern. Zweitens, dass das Beschwerdewesen nicht länger vom Gutdünken Einzelner abhängt, sondern bis in den ZDF-Fernsehrat führen kann – als einziges Aufsichtsgremium des Intendanten. Ich möchte meinen Beruf als Investigativjournalist weiter ausüben, etwa meine aktuelle Recherche zur Fernwärme-Abzocke fortsetzen. Diese Arbeit darf nicht blockiert werden, nur weil einige CvDs die Zusammenarbeit verweigern. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss kritische, unabhängige Journalisten in sicheren Arbeitsverhältnissen stärken – dafür zahlen die Bürger fast neun Milliarden Euro im Jahr.
Wie werden Sie weiter vorgehen?
Ich werde mich gegen alle Angriffe auf meine journalistische Integrität und auf meine Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der freien Berufsausübung wehren – und weiter sagen, was ist.
Das Gespräch führte Clemens Traub.

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