Ausrufung der schwarz-roten Republik (Cicero)
In Kürze:
- Ende der linken Machtoption. Es braucht ein radikales Bekenntnis zur schwarz-roten Republik, damit die Oppositionsparteien nicht der Regierung auf der Nase rumtanzen.
- Nur wenn die SPD es ernst meint mit der Mitte, mit der „Rettung der Demokratie“ und mit dieser CDU-geführten Regierung, dann lassen sich die politischen Ränder wieder zurückdrängen. Dazu muss sie die Machtoption links der Mitte aufgeben, so wie die Union das nach rechts auch tut
- CDU und SPD müssen alles auf eine Karte setzen, die schwarz-rote Republik ausrufen und dann Reformen wirklich durchziehen – ohne Rücksichtnahmen auf unterschiedliche Konstellationen, eingeübtes Lagerdenken und Machtspielchen.
- Die CDU könnte, wenn sie geeint zwischen Bund und Ländern auftreten würde, der SPD etwas anbieten. In Düsseldorf und Kiel müsste die CDU die Koalitionen mit den Grünen aufkündigen und Bündnisse mit der SPD bilden. Dann hätte Schwarz-Rot eine geballte Macht auch im Bundesrat für den ersehnten Neustart des Landes.
- Die schwarz-rote-Republik wäre ein starkes Signal an die Ränder, dass die Mitte selbst und eigene Kraft entfaltet. Unrealistisch ist das Modell möglicherweise, mit vielen Risiken verbunden gewiss, aber es wäre ein Paukenschlag gegen die anhaltende politische Lähmung im Land.
Manche Apologeten eines Abbruchs der Brandmauer verkennen die innere Verfassung der Union, die eine solche auch noch so zaghafte Hinwendung Richtung Rechtsaußen nicht ertragen würde. Deswegen bleiben auch alle Träumereien von einer Minderheitsregierung das, was sie sind: Träumereien. Nahezu alle Unions-Ministerpräsidenten bekennen sich offensiv zur Brandmauer. CSU-Chef Markus Söder nannte die AfD mal den „Todfeind“ der Union. „Wer CDU und AfD in einem Atemzug nennt, hat nicht verstanden, was bürgerlich heißt“, erklärte Ministerpräsident Daniel Günther. Auch Magdeburgs Regierungschef Reiner Haseloff stimmt in in dieses Lied ein.
Die Reaktion auf die AfD-Zustimmung im Bundestag Anfang des Jahres, die die Unions-Führung so risikofreudig wie billigend in Kauf genommen hatte, kann dafür als Beleg gelten, wie konfliktscheu nicht nur viele Mitglieder der Partei sind, sondern auch wie zögerlich die Wählerschaft der Mitte-Partei CDU ist, wenn es um eine Ausweitung der politischen Kampfzone in Richtung Rechtsaußen geht. Das mag man beklagen oder bejubeln, es bleibt aber bestehen.
Brandmauer zermürbt die CDU
Doch das faszinierende, frustrierende oder fatale Dilemma, je nach Blickwinkel, an der Brandmauer-Debatte ist, dass auch ein Festhalten an der starren AfD-Aus- und -Abgrenzung die CDU ebenso zermürbt und zerreibt. Auf kommunaler Ebene existiert de facto der Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber AfD (und Linkspartei) in seiner Unbedingtheit nicht mehr, auch das mag man vertuschen oder verklären wie man will. In den Ortsvereinen und Kreisverbänden rumort es, weil man es dort leid ist, in der Migrationspolitik, beim Sozialstaat oder in der Umweltpolitik ständig Kompromisse schlucken zu müssen, während die AfD-Nachbarn einem die lange Nase zeigen. Natürlich wissen viele in der CDU, dass in der AfD nicht nur Leute wie Björn Höcke herumlaufen, von denen es leicht fällt, sich fernzuhalten. Mit den Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern führt das dann unweigerlich in so etwas wie eine bioploare Störung des politischen Organismus.
Derzeit ist deswegen nicht zu sehen, wie die CDU dem einen oder dem anderen „Tod“ entrinnen soll. Mit oder ohne Brandmauer, die CDU ist von der AfD auf der einen Seite und von SPD, Linken und Grünen auf der anderen Seite derart gefesselt und an den Pranger gestellt, dass sie für alles Schlechte und Böse sozusagen zur peinlichen Befragung freigegeben ist. Die Profiteure dieser Konstellation sind auch hier klar auszumachen. Die selbsternannte Alternative, die in Teilen als rechtsextremistisch gilt, verdankt ihren Höhenflug der doppelten Lähmung der CDU. Die Union kann nur in Bruchstücken umsetzen, wovon sie überzeugt ist, und zugleich muss der politische Mitbewerber an der rechten Kante nicht zeigen, ob er im echten Leben überhaupt zu etwas in der Lage wäre.
Der Unionsfraktionsgeschäftsführer Steffen Bilger hat im Cicero-Interview
gesagt, es gebe auch in Europa kein Beispiel für „einen Königsweg“, der
aufzeigen würde, wie Konservative mit rechten oder rechtsradikalen
Parteien umgehen sollten. Vielmehr gebe es viele Versuche – von
Einbinden über Koalieren bis Abgrenzen –, und alle mit ganz
unterschiedlichen Erfolgen. Doch Bilger ist entgegenzuhalten, dass die
Analyse nicht bedeuten darf, dass man nichts für möglich hält, dass man
sich nicht etwas mehr Experimentierfreude in Deutschland zutrauen
könnte. Lockerungsübungen statt Fatalismus. Dass allein der Erfolg der
amtierenden Regierung zu neuen Mehrheiten und zu einem Schrumpfen der
AfD und der Linkspartei führen wird, ist ziemlich illusorisch angesichts
der dramatischen Lage und der aufgewühlten Debatte.
Es wird nicht plötzlich Ruhe einkehren, wenn nicht grundlegend etwas passiert, da haben Tauber und zu Guttenberg recht. Der politische Vordenker und Historiker Andreas Rödder vom Netzwerk R21 warnt davor, dass das Pendel des politischen Zeitgeistes von linksextrem nach rechtsextrem durchschlägt. Die Konservativen müssten diesen Umschwung in der Mitte stoppen. Nur wie? Rödder schlägt dazu „rote Linien“ statt einer starren Brandmauer vor. Doch ob der erhoffte Effekt eintritt und die AfD sich von ihrem radikalen Teil trennen würde, ist offen.
Um also nach einem Ausweg aus dem doppelten Dilemma der Union (und letztlich auch der SPD) zu suchen, lohnt ein Blick auf die Funktionsweise der Brandmauer. In Wahrheit geht es nicht nur um eine Abgrenzung zur AfD. Die Brandmauer hat ja aus einem Scheinriesen erst einen echten Riesen gemacht. Tatsächlich hat die Brandmauer aber auch mit Abwehrkämpfen im Inneren der Parteien zu tun, um die Beruhigung der tief verunsicherten und zerrissenen einstigen Volksparteien. Nach dem Ende der Merkel-Ära hatte die politische Debatte den Konflikt und den Streit in der politischen Mitte verlernt. Der Konsens im Zentrum galt als Königsform der Demokratie, doch führte er direkt zum Erstarken der Ränder. Als Abwehrreflex versuchen nun CDU und SPD die Quadratur des Kreises. Sie koalieren miteinander und wollen zugleich ihr Profil schärfen. Dies ist schlicht unmöglich – und nützt nur Reichinnek, Weidel und Co.
AfD: Vom Scheinriesen zum echten Riesen
Die SPD muss sich entscheiden: Will sie in der Mitte regieren, muss das Konsequenzen haben. Wenn sie von der CDU die Abgrenzung zum Rechtspopulismus verlangt, muss sie sich selbst auch von den linken Rändern distanzieren. Um der eigenen Selbstachtung willen! Es wäre ihre Rettung, würde sie sich, so wie die CDU auch, zum Zentrismus bekennen – und den linken Träumern in den eigenen Reihen nicht länger ein Biotop bieten. Das ist ihr schon nach den Agenda-Reformen von Gerhard Schröder nicht bekommen, das wird sie auch jetzt zerreißen. Der sozialdemokratische Absturz in nahezu allen Wahlen seit Jahren ist der beste Beleg für das Scheitern der bisherigen Strategie der Einbindung alle und jeder linken Kräfte.
Die Reform des Bürgergeldes, die Sozialministerin Bärbel Bas durchsetzen will, wird jetzt von den eigenen Leuten torpediert. Das kann nicht lange gut gehen. Die linke Vordenkerin Martyna Linartas erklärt im Spiegel der Sozialdemokratie jetzt, ihre Probleme gingen auf das Godesberger Programm zurück, als sie sich dem Kapitalismus zuwandte. Vielmehr müsse die SPD jetzt den Sozialismus wieder entdecken. Geht's noch? Das Gegenteil ist richtig. So Paradox das klingt: Die Brandmauer zur AfD wird nur halten, wenn die SPD nach rechts rückt und den Sozialismus den Grünen und Linken überlässt. Das wird kurzfristig auch etwas kosten, aber am Ende Erfolg bringen,
Ende der linken Machtoption
Es braucht ein radikales Bekenntnis zur schwarz-roten Republik, damit die Oppositionsparteien nicht der Regierung auf der Nase rumtanzen. Die Dysfunktionalität der Brandmauer liegt in ihrer Einseitigkeit. Nur wenn die SPD es ernst meint mit der Mitte, mit der „Rettung der Demokratie“ und mit dieser CDU-geführten Regierung, dann lassen sich die politischen Ränder wieder zurückdrängen. Dazu muss sie die Machtoption links der Mitte aufgeben, so wie die Union das nach rechts auch tut.
CDU und SPD müssen alles auf eine Karte setzen, die schwarz-rote Republik ausrufen und dann Reformen wirklich durchziehen – ohne Rücksichtnahmen auf unterschiedliche Konstellationen, eingeübtes Lagerdenken und Machtspielchen, die noch als Atavismen aus der alten Bundesrepublik in die Gegenwart ragen. Die CDU könnte, wenn sie geeint zwischen Bund und Ländern auftreten würde, der SPD etwas anbieten. In Düsseldorf und Kiel müsste die CDU die Koalitionen mit den Grünen aufkündigen und Bündnisse mit der SPD bilden. Dann hätte Schwarz-Rot eine geballte Macht auch im Bundesrat für den ersehnten Neustart des Landes. In Mainz könnte die SPD ein ähnliches Signal setzen und endlich die dort noch flackernde Ampel ersetzen und für Rheinland-Pfalz auch ein schwarz-rotes Bündnis bilden.
Die
schwarz-rote-Republik wäre ein starkes Signal an die Ränder, dass die
Mitte selbst und eigene Kraft entfaltet. Unrealistisch ist das Modell
möglicherweise, mit vielen Risiken verbunden gewiss, aber es wäre ein
Paukenschlag gegen die anhaltende politische Lähmung im Land.

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