21 Oktober 2025

Der andere Blick - Die Kritik der Grünen an Friedrich Merz’ «Stadtbild»-Satz ist überzogen (NZZ)

Auch die Merkel-Poller haben das Stadtbild verändert
„Demnächst werden wir sehen, wie das Stadtbild sich wieder verändert, wenn die allseits beliebten Merkelpoller wieder um die Weihnachtsmärkte drapiert werden, damit nicht das passiert, was niemand aussprechen möchte“, sagt Kolumnistin Birgit Kelle über die anhaltende „Stadtbild“-Debatte.
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Der andere Blick

Die Kritik der Grünen an Friedrich Merz’ «Stadtbild»-Satz ist überzogen (NZZ)
Die Grünen stellen den deutschen Kanzler in die rechte Schmuddelecke. Dabei spricht dieser lediglich an, was viele Deutsche denken. Ihre Reaktion offenbart, wie wenig sie die Sorgen der Menschen im Land verstehen.
von Anna Schiller, Berlin, 21.10.2025, 3 Min
Die Grünen reden dieser Tage über den deutschen Kanzler Friedrich Merz wie über den Machthaber eines autokratischen Regimes. Er stelle Millionen Deutsche unter Generalverdacht, empörte sich die Parteichefin Franziska Brantner am Montag. Er befeuere rechtsextreme Erzählungen von Remigration und Vertreibung, hiess es in einem offenen Brief mehrerer grüner Landes- und Bundespolitiker.
Gemessen an dem, was Merz gesagt hat, sind diese Reaktionen vollkommen überzogen. Er hatte in der vergangenen Woche gesagt, dass es trotz sinkenden Migrationszahlen im Stadtbild noch immer «dieses Problem» gebe. Deswegen arbeite die Regierung an Rückführungen in sehr grossem Umfang.
Am Montag legte Merz noch einmal nach: «Fragen Sie Ihre Kinder, fragen Sie Ihre Töchter, fragen Sie im Freundes- und Bekanntenkreis herum: Alle bestätigen, dass das ein Problem ist – spätestens mit Einbruch der Dunkelheit.»
Die Grünen ignorieren die Realitäten im Land
Wer in diese Aussagen hineininterpretiert, Merz plane Vertreibungen, hat entweder viel Phantasie oder böse Absichten. Es geht bei den Rückführungen lediglich um jene Migranten, die bereits alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft haben, aus Sicht der deutschen Behörden aber kein Anrecht auf Asyl oder eine Duldung haben. Es geht also schlichtweg um die Umsetzung geltenden Rechts.
Bei den Anhängern der Grünen mögen solche Plattitüden noch verfangen. Sie lassen sich mit dem Kampf gegen den Rechtsextremismus wunderbar mobilisieren. Allen anderen beweisen die Grünen allerdings schlichtweg, wie erschreckend wenig sie über die Realitäten im Land wissen.

«Unsere Städte sind vielfältig, bunt und von Migration geprägt», heisst es in dem offenen Brief der Grünen. Für viele Deutsche, gerade Frauen, die sich abends nicht mehr sicher fühlen, dürfte ein solcher Satz wie Hohn klingen.

Erst kürzlich gaben drei Viertel der jungen Münchnerinnen an, den öffentlichen Nahverkehr nachts zu meiden. Fast 28 Prozent der jungen Frauen gaben an, im öffentlichen Nahverkehr bereits sexuell bedrängt worden zu sein. Das ist nicht bunt und vielfältig, sondern einfach nur erschreckend.

Wer Probleme anspricht, ist nicht rechtsextrem

Sicher, die Angst in den deutschen Städten hat nicht allein mit Migration zu tun. Auch die Politik hat Fehler gemacht. Über Jahre wurde die Sicherheit vernachlässigt. Von der Polizei wurde erwartet, die steigende Kriminalität mit weniger Geld zu bekämpfen. In vielen Städten sind die Gerichte überlastet. Diese Zusammenhänge hätte Merz deutlicher machen müssen.

Dennoch lässt sich der Einfluss der Migration auf die Sicherheit in Deutschland nicht einfach leugnen. Täter ohne deutschen Pass sind gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei Gewaltdelikten überrepräsentiert. Wer auf diese Tatsache hinweist, ist nicht rechtsextrem, sondern realistisch.

Dass es bei den Grünen noch Politiker mit diesem Realismus gibt, zeigt Cem Özdemir. Der Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg pflichtete Merz bei und beklagte «unerträgliche Zustände» in den Innenstädten. Özdemir sagt das natürlich auch, weil ihn die AfD bei der Landtagswahl unter Druck setzt. Aber anders als seine Parteikollegen ging er wenigstens empathisch auf die Ängste potenzieller Wähler ein.

Die Grünen haben die Wahl. Sie können sich ein Beispiel an Özdemir nehmen. Oder sie können weiter jeden, der Probleme im Land offen anspricht, als rechtsextrem beschimpfen. Dann dürfen sie sich aber auch nicht beschweren, wenn ihnen die Wähler die Rechnung präsentieren.

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