Ein Sozialstaat, der Verrückte macht (Cicero)
Der Sozialstaat als Raubtier
Und zweitens erheben die Autoren keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es könne „nicht gewährleistet werden, dass diese Liste abschließend und vollständig ist“, heißt es in der Studie, trotz der Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Es sei durchaus möglich, dass bestimmte Leistungen übersehen wurden. Andere Forscher seien daher eingeladen, potenzielle Ergänzungen mitzuteilen, um die Qualität der Informationen zu verbessern.
Man muss sich einmal vor Augen halten, was das eigentlich bedeutet. Hauptgrund für den Ausbau des Sozialstaats war, dass er einen, wie viele eher links orientierte Mitbürger glauben, „zügellosen, gierigen Raubtier-Kapitalismus“ domestizieren sollte. Und nun ist der Sozialstaat selbst zu einem Raubtier geworden, das zügelloser und gieriger nicht sein könnte, so sehr sogar, dass die Bestandsaufnahme der Sozialleistungen zu einem Gemeinschaftsprojekt der Wirtschaftsforscher in der Bundesrepublik geworden ist. Und da sind wir noch gar nicht bei dem, was die Ifo-Forscher eigentlich leisten wollten, nämlich eine Gesamtbewertung des deutschen Sozialhilfesystems. Das scheint mittlerweile so komplex zu sein, dass man einen Big-Data-Analysten wie Palantir darauf ansetzen müsste, um etwas Ordnung in das Sozialwirrwarr zu bringen.
Das Haus, das Verrückte macht
Die
Forscher beschreiben ihr Projekt in der Studie jedenfalls mit einer
gehörigen Portion Galgenhumor, nämlich sinnbildlich als die unmögliche
Suche von Asterix und Obelix nach dem Passierschein A38 im sogenannten
„Haus, das Verrückte macht“. In dieser knapp zehnminütigen Passage aus
dem Zeichentrickfilm „Asterix erobert Rom“ werden die beiden
Comic-Helden von verschiedenen Amtsmitarbeitern in einer Behörde von
Pontius zu Pilatus geschickt, um eine einfache Bestätigung zu erhalten.
Da niemand zuständig ist und keiner ihnen weiterhelfen will, werden die
beiden fast verrückt.
Am Ende tricksen sie die Behördenmitarbeiter aus, indem sie nach einem nicht existierenden Formular fragen, für das angeblich Handlungsanweisungen in einem nicht existierenden Rundschreiben festgelegt wurden. Das Haus steht Kopf, und Asterix und Obelix erhalten ihren Passierschein. In der realen Welt der deutschen Sozialleistungsregulatorik hingegen reichen wohl keine Tricksereien mehr. Um diesen bürokratischen Wust zu zerschlagen, ist der legendäre Zaubertrank nötig, der Asterix und Obelix übermenschliche Kräfte verleiht.
„Es gibt zu viele Sozialleistungen“
Der
Normenkontrollrat hat bereits in einem Gutachten aus dem Jahr 2024
empfohlen, das „Haus der sozialen Hilfe und Förderung“ auf den Prüfstand
zu stellen und Sozialleistungen zu bündeln. Die Ifo-Forscher kommen zu
demselben Schluss: „Man kann sicherlich über die ein oder andere
Leistung diskutieren oder aber Teilleistungen unterschiedlich
zusammenfassen oder aufteilen“, schreiben sie in ihrer Studie. „An der
grundsätzlichen Aussage dürfte sich jedoch nicht viel ändern: Es gibt
sehr viele Sozialleistungen in Deutschland.“
Um feststellen zu können, welche Sozialleistungen überhaupt sinnvoll sind, wollten die Forscher eigentlich sieben Fragen beantworten, zu denen sie aber aufgrund der schieren Masse an Sozialleistungen nicht gekommen sind. Zum Beispiel wollten sie wissen, wie viele Haushalte Anspruch auf die jeweilige Leistung haben, wie viel tatsächlich abgerufen wird, wie hoch die Gesamtkosten wären, wenn alle Berechtigten die Leistung auch abriefen, oder wie viele Haushalte die Leistung unberechtigterweise in Anspruch nehmen.
Bürger müssen erwachsen werden
Allerdings
wäre diese Untersuchung nicht nur aufgrund der Masse, sondern auch
wegen der mangelhaften Datenlage fast unmöglich gewesen. Die
entsprechenden Informationen würden für die meisten Sozialhilfen nicht
allgemein zur Verfügung gestellt, so die Forscher. „Es ist fraglich“,
heißt es in der Studie, „ob die Antworten auf die sieben Fragen der
Bundesregierung vorliegen.“ Vor diesem Hintergrund stellt sich die
Frage, ob wir in Deutschland nicht eine viel allgemeinere Diskussion
brauchen. Wir wissen mittlerweile, dass Mitnahmeeffekte im Sozialstaat
nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind und dass es selbst für
Gutverdiener normal geworden ist, Sozialleistungen in dieser oder jener
Form abzugreifen. Umverteilung findet in Deutschland nämlich in erster
Linie nicht von oben nach unten statt, sondern innerhalb der
Mittelschicht.
Sollten wir uns als Bürger nicht langsam die Frage stellen, was es eigentlich bedeutet, ein aufrichtiges, erwachsenes und selbstbestimmtes Leben zu führen? Die Anspruchshaltung an den Staat ist in der Bundesrepublik nämlich völlig aus dem Ruder gelaufen. Und sie wird befeuert von einer Melange aus linksgrünen Politikern, Profiteuren der Sozialindustrie und Aktivisten, die in steuerfinanzierten NGOs und Sozialverbänden beschäftigt sind. Diese überziehen jeden mit abstrusen Vorwürfen der sozialen Kälte oder des Rechts-Seins, der glaubt, dass zu einem Leben in Würde auch gehört, unabhängig von staatlichen Zuwendungen zu leben. In diesem einmaligen, einzigartigen Leben sollte jeder das berauschende, erfüllende, selbstermächtigende Gefühl verspüren dürfen, am Steuerrad des eigenen Lebens zu sitzen – das ist die wahre soziale Idee!
Die Deutschen wären nicht nur glücklichere Bürger, wenn ein solcher Sinneswandel gelänge. Der ganze sozialstaatliche Komplex, und mit ihm viele der finanziellen Probleme des Landes, hätte sich auch ziemlich schnell von alleine erledigt – und dann wäre auch endlich genug Geld für die Menschen da, die unsere Hilfe wirklich brauchen.
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