15 Oktober 2025

Bürgergeldbetrug - Wie Schwarz-Rot uns austrickst (Focus-Briefing)

Bürgergeldbetrug - Wie Schwarz-Rot uns austrickst (Focus-Briefing)
Von Thomas Tuma
Liebe Leserin, Lieber Leser,
der „Herbst der Reformen“ hat begonnen. Und dann gleich mit dem zweitgrößten Aufreger (hinter Migration): dem Bürgergeld. Wow! Endlich werde es „abgeschafft“, freute sich selbst das „Handelsblatt“. Aber das stimmt natürlich nicht. Nichts wird abgeschafft – außer vielleicht ein weiteres Stück Glaubwürdigkeit der Regierung.
Erinnern Sie sich an den Wahlkampf? Das Thema Bürgergeld triggerte die Bevölkerung. Zurecht, denn dessen großzügige Ausgestaltung sowie der Sozialbetrug drumherum scheinen mir mittlerweile die letzten deutschen Wachstumsbranchen zu sein. Warum noch arbeiten, wenn man mit ein paar Abstrichen ein nettes Minimum vom Staat garantiert kriegt? Und offenbar kassieren ja viele hier das Geld, leben aber heimlich längst wieder in ihren Heimatländern wie Rumänien oder Ukraine.
Bis zu 30 Milliarden Euro
könne man sparen, hieß es aus der Union. Selbst nach der Wahl donnerte Friedrich Merz im Spätsommer, zumindest fünf Milliarden Euro (also zehn Prozent des aktuellen Budgets für Bürgergeld inkl. Mieten, Heizung etc.) seien drin. Vergangene Woche tagte der Koalitionsausschuss eine halbe Nacht lang. Der Berliner Berg kreißte – und gebar im Fall Bürgergeld nicht mal ein klitzekleines Mäuschen.Okay, der Druck soll erhöht werden auf manche der 5,5 Millionen Bezieher, die dem Arbeitsmarkt bislang eher reserviert gegenüberstehen. Wer mehrfach nicht zu Terminen im Jobcenter erscheint, muss mit Kürzungen rechnen. Bevor es aber zu Totalsanktionen kommt, sollen die Behörden jeden Einzelfall checken. Dafür haben sie leider weder Personal noch Geld.

Die Folge: Im Alltag wird sich kaum etwas ändern. Die Einsparungen würden „recht klein“ ausfallen, murmelte sogar SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas. Fachleute rechnen gar nicht damit. Seither spielen aber alle bravourös ihre Rollen, vorneweg wieder Bas, die erfolgreich so tat, als sei sie mit den – theoretisch – drakonischen Strafen an die Grenze dessen gegangen, „was verfassungsrechtlich zulässig ist“. Bei ihren schauspielerischen Darbietungen muss sie nie lachen, was schon eine Leistung ist.

Die Grünen warfen Schwarz-Rot trotzdem reflexhaft „soziale Kälte“ vor, die Linken „ekelhafte Sündenbock-Politik auf Kosten der Ärmsten“. Dabei ist der auf der einen Seite propagierte Weltuntergang genauso absurd wie auf der anderen Seite der Jubelsturm.

CSU-Chef Markus Söder freute sich etwa: „Das Bürgergeld ist jetzt Geschichte.“ Wobei – damit hat er sogar recht. Denn es ändert sich zwar nicht, wird aber umbenannt. Nun heißt es „Grundsicherung“. So wie Raider irgendwann Twix hieß.

Das ist die ganz hohe Kunst: Wähler austricksen, ohne etwas Falsches zu sagen. Insofern ist die anstehende „Reform“ immerhin ein rekordverdächtig peinliches Fanal Berliner Symbolpolitik. Übertrieben empört die einen, übertrieben enthusiastisch die anderen – alle haben ihre Rollen gespielt und sich selbst gleich mit belogen.

Wenn das so weitergeht mit dem „Herbst der Reformen“, werden wir noch echte Überraschungen erleben. Ich nehme an, dass man das nächste Projekt – die explodierenden Gesundheitskosten – dann noch schneller lösen wird: Kranksein wird einfach per Kabinettsbeschluss verboten.

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