Die Printmedien reagieren empört. Und das Fernsehen? - Schweigt bzw. berichtet über den neuesten Asterix in der Tagesschau
Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz
Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz
Aktuell stirbt die Freiheit kilometerweise (WELT+)
Von Ulf Poschardt, 23.10.2025, Lesedauer: 3 Minuten
Von Ulf Poschardt, 23.10.2025, Lesedauer: 3 Minuten
Die Akzeptanz des Rechtsstaates lebt von der Nachvollziehbarkeit von
Urteilen und Ermittlungen. Deshalb muss die Hausdurchsuchung beim
Publizisten Norbert Bolz jeden liberalen Demokraten erschüttern.
Es war Guido Westerwelle, der in einer berühmt gewordenen Rede darauf hinwies, dass Freiheit in Deutschland immer nur zentimeterweise stirbt. Der damalige FDP-Chef zitierte den großen liberalen Strategen Karl-Hermann Flach, der die Gesellschaft zu steter Wachsamkeit gegenüber jeder Art von Freiheitsverlust aufgerufen hatte. Doch sowohl Flach als auch Westerwelle wirken heute vollkommen aus der Zeit gefallen. Die vergangenen zehn bis fünfzehn Jahre waren eine Mischung aus Merkels asymmetrischer Wählerdemobilisierung und einem arrogant-bösartigen Kulturkampf rot-rot-grüner Ideologen. Diese haben – aufgrund mangelnder rhetorischer und intellektueller Fähigkeiten – schon früh zu den Mitteln der Beschämung und Bestrafung gegenüber Andersdenkenden gegriffen. Aktuell stirbt die Freiheit kilometerweise.
Symbolfiguren einer juristischen Dekonstruktion der Meinungsfreiheit sind die drei Staatsanwälte in Göttingen geworden, die in der Reportage einer eher linksliberalen amerikanischen Nachrichtensendung feixend erklärten, wie sie Menschen mit missliebigen Ansichten das Leben schwer machen können.
Die Empörung über die Rede des amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance in München war groß, als dieser die immer neuen, immer schärfer werdenden Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Europa problematisierte. Mit der Hausdurchsuchung beim Publizisten Norbert Bolz wird einmal mehr deutlich, wie recht Vance damit hatte.
Die Akzeptanz des Rechtsstaates lebt von der Nachvollziehbarkeit von Urteilen und Ermittlungen. Die Erosion der Zustimmung zum Rechtsstaat nimmt an Geschwindigkeit zu, wenn auf der einen Seite drakonisch gegen harmlose – und wie im Fall von Bolz ironische – Äußerungen vorgegangen wird, und auf der anderen Seite schwer gewalttätige Straftäter entweder auf freiem Fuß bleiben oder mit Bewährung davonkommen, nachdem sie Leib und Leben anderer Menschen gefährdet oder missbraucht haben.
Die Meinungsfreiheit ist eines der kostbarsten Güter einer liberalen Demokratie. Wer sie infrage stellt, stellt alles infrage. Die Phantomdiskussionen, die gerade von links geführt werden – nämlich, dass Cancel Culture ein rechtes Problem sei –, haben zu einem pathologisch deformierten öffentlichen Raum geführt, in dem immer größere Teile der Mitte der Gesellschaft das Gefühl haben, sie könnten nicht mehr sagen, was sie denken. Genau das war Sinn und Zweck des rot-grün-roten Kulturkampfes, der dieses Land gespalten hat wie niemand zuvor.
Bestrafe einen, erziehe hundert, heißt es bei Mao – und genau so sind diese Maßnahmen eines vollkommen überzogenen Justiz- und Polizeiapparates zu verstehen. Jeder dieser Skandale wider die Vernunft zeigt allen Bürgern, die Meinungen abseits der saturierten, bösartigen Eliten haben, wie gefährlich das ist. Und dass sie besser schweigen sollten.
In einem Rechtsstaat geht man davon aus, dass alles, was nicht verboten ist, erlaubt ist. Ironie war bislang nicht verboten. Allerdings ist der aktuelle Trend zu Hausdurchsuchungen und Strafverfolgungen von sogenannten Meinungsdelikten ein Alarmsignal für den Zustand unserer freiheitlichen Verfasstheit. Die Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz muss jeden liberalen Demokraten erschüttern. Höchste Zeit, dass Politik und Justiz in sich gehen und umkehren.

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