24 Oktober 2025

Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz - Der Einschüchterungsstaat in Aktion (Cicero)

Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz -
Der Einschüchterungsstaat in Aktion (Cicero)
Heute Morgen wurde das Haus des Medienwissenschaftlers und Publizisten Norbert Bolz durchsucht. Auslöser war ein ironischer Tweet des emeritierten Medienwissenschaftlers. Der Vorgang ist ebenso skandalös wie bedrohlich – und bestätigt, wovor Bolz seit Jahren warnt.
VON ALEXANDER GRAU am 23. Oktober 2025 4 min
Norbert Bolz provoziert. Keine Frage. Und er provoziert zu Recht. Mit rhetorischer Verve, mit pointierten Formulierungen und geistreichem Sarkasmus kämpft er in Artikeln und Vorträgen, in Interviews und Social-Media-Tweets unerschrocken gegen all das, was schief läuft in diesem Land: gegen Wokeness, gegen Genderirrsinn und Klimahysterie, gegen Antisemitismus und Multikulti-Romantik, gegen Cancel Culture und die Einengung der Debattenräume. Norbert Bolz ist ein Freiheitskämpfer.
Wenn nun ausgerechnet bei Norbert Bolz am heutigen Donnerstagsmorgen die Polizei vor der Tür steht, um sein Haus wegen eines Tweets vom Januar 2024 zu durchsuchen, dann müssen alle Alarmglocken klingeln. Dann ist endgültig das eingetreten, was viele leugnen oder nicht wahrhaben wollen – und wovor Norbert Bolz selbst seit Jahren warnt: Dann ist die Meinungsfreiheit in diesem Land, dann ist die Demokratie in allerhöchster Gefahr. 
Auslöser für die morgendliche Hausdurchsuchung war ein ironischer Tweet des emeritierten Medienwissenschaftler als Reaktion auf eine Titelzeile der Tageszeitung taz. Die hatte am 19. Januar 2024 als Reaktion auf die damals ins Leben gerufene Petition gegen Björn Höcke und das angestrebte AfD-Verbotsverfahren etwas fragwürdig getextet: „AfD-Verbot und Höcke-Petition: Deutschland erwacht.“
Ein entlarvender Hinweis auf die verschrobene Geisteswelt unserer Kämpfer gegen Rechts
Natürlich kann man in einem freien Land so titeln. Dennoch war die Zeile ziemlich entlarvend. Denn die angebliche Speerspitze des Antifaschismus stellte sich mit ihrer Wortwahl unmittelbar in die Tradition des NS-Regimes und dessen Parole „Deutschland erwache!“. Einmal mehr zeigte sich: Vom Faschismus zum sich faschistisch gebärdenden Antifaschismus ist es nur ein kurzer Weg.

Vermutlich wollte Norbert Bolz genau auf diesen – auch unfreiwillig komischen – Zusammenhang aufmerksam machen und tweetete fröhlich: „Gute Übersetzung von ‚woke‘: Deutschland erwache!“ Das war Ironie. Das war Sarkasmus. Das war ein entlarvender Hinweis auf die verschrobene Geisteswelt unserer Kämpfer gegen Rechts. Für jeden halbwegs sprachbegabten Menschen sollte die Sache klar sein. Nicht so für die Berliner Staatsanwaltschaft.

Daher noch mal zum Mitschreiben: In der Sprache gibt es nicht nur direkte Bezeichnungen wie „Haus“, „Hund“ oder „Blumentopf“, sondern auch Ausdrücke, die eigentlich etwas anderes meinen als das, was sie auf den ersten Blick sagen. Solche Ausdrücke nennt man in der klassischen Rhetorik Tropen. Eine bekannte Trope ist die Metapher. Eine andere die Ironie. Hier bezeichnet das Gemeinte mitunter sogar das Gegenteil des Gesagten.

Von einer Hausdurchsuchen in den Redaktionsräumen der taz ist bisher nichts bekannt

Im Fall des inkriminierten Tweets von Bolz ist die Sache aufgrund des Kontextes vollkommen eindeutig: Bolz karikierte ironisch die misslungene Wortwahl der taz und machte in aufklärerischer Manier auf eine gewisse Geistesverwandtschaft aufmerksam, die schon der Begriff „woke“ nahelegt. „Ich habe mir nicht vorstellen können, dass man das missverstehen kann“, so Bolz gegenüber der Welt.

Doch die Berliner Staatsanwaltschaft sah in dem Bolzschen Tweet eine strafbare Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Sache wäre einfach nur lächerlich, wenn sie nicht so ernst wäre. Hinzu kommt, dass sich hier der Verdacht aufdrängt, dass mit zweierlei Maß gemessen wird.

Von einer Hausdurchsuchen in den Redaktionsräumen der taz ist bisher zumindest nichts bekannt. Dabei weist etwa das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung auf seiner Website darauf hin, dass die fragliche Formel auch in der Abwandlung der taz (zumindest dann, wenn sie ein gewisser Thüringer Landespolitiker äußert) „Kernmerkmale einer faschistischen Geisteshaltung“ zeigt.

Doch letztlich sind diese akademischen Deutungsbemühungen und hermeneutischen Erklärungen nebensächlich. Denn im Kern geht es um etwas anderes: Es ist in Deutschland inzwischen möglich, dass bei einem renommierten Professor, geistreichen Kolumnisten und scharfsinnigen Freigeist die Polizei wegen eines Witzes vor der Tür steht. Das ist alarmierend und für keinen Bürger – gleich welcher Gesinnung – hinnehmbar. Es muss sich dringend etwas ändern in diesem Land. Sonst wird es hier zunehmend unangenehm.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen