Wendige Wortführerin (Cicero)
Kemfert, die seit 2004 die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung leitet, bietet offenbar genau das, was die Redaktionen suchen: perfekt sendetaugliche Statements, in denen die Schattenseiten der deutschen Energiepolitik kleingeredet oder ignoriert werden. Der MDR-Hörfunk hat ihr sogar eine eigene Podcast-Reihe gewidmet. In „Kemferts Klima-Podcast“ kommentiert sie regelmäßig und ausführlich aktuelle Fragen der Energiepolitik.
Die Unantastbare
Nahezu alle Kemfert-Medienbeiträge werden mit Fragen nach Erfolg und Zukunft der Energiewende eingeleitet. Dann folgt das Statement der telegenen Berliner Professorin, die immer eine aussichtsreiche Prognose zu bieten hat, wenn – ja wenn mehr Geld in Erneuerbare fließt und die Bürger den Gürtel enger schnallen, so ein beliebter Tenor ihrer griffigen Interviewaussagen.
Trotz ihrer geradezu obsessiven Medienpräsenz sieht sich Kemfert in erster Linie als Wissenschaftlerin. Und neben vielen anderen Funktionen lehrt Kemfert auch an der Leuphana-Universität in Lüneburg, die mit dem Schwerpunkt „Transformation“ nichts vom akademischen Elfenbeinturm hält. Man pflegt dort „Interaktion mit gesellschaftlichen Akteur*innen wie Unternehmen, NGOs oder der öffentlichen Verwaltung“, wie es in einer Selbstbeschreibung der Universität stolz heißt. Absolventen wie Richard David Precht oder Professorinnen wie die ebenso medienwirksame Maja Göpel hatten beziehungsweise haben dort ihr Spielfeld.
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Doch bei der Interaktion im klassischen akademischen Wissenschaftsbetrieb knirscht es bei Kemfert. Ursache sind nicht zuletzt ihre gewagten Prognosen zum Erfolg der Energiewende, die auffällig oft von renommierten Kollegen in Bausch und Bogen widerlegt wurden. So auffällig oft, dass inzwischen selbst Medien, die grünen Ideen gegenüber eher aufgeschlossen sind, verwundert die Stirn über Kemfert runzeln. Wie kommt es bei Kemfert zu solchen Irrungen?
Recherchiert man dazu in der akademischen Wissenschaft, so bekommt man oftmals recht drastische Beispiele genannt. Der Umweltökonom Joachim Weimann etwa nahm sich Kemfert 2020 direkt in einem Youtube-Video vor und zählte ihr haarklein die Irrungen auf. Doch inzwischen will keiner der Angefragten zur Causa Kemfert noch namentlich genannt werden. Übereinstimmender Grund: Man wolle keine persönliche Kritik an einer Kollegin äußern, aber man wolle es sich auch nicht mit der mächtigen grünen Lobby verscherzen, zu deren Sprecherin sich Kemfert gemacht hat.
Aktivistin im Wissenschaftsmäntelchen
Kemferts Vernetzungen mit Unternehmen der Erneuerbaren-Branche sind auffällig. Auf ihrer Website bekennt sie sich selbst zu Politikberatung; inhaltliche Nähe zu den Grünen ist offensichtlich. Wobei Kemfert parteipolitisch flexibel zu sein scheint – oder es zumindest war. Denn sie war als Energiewende-Expertin schon in Schattenkabinetten von CDU- und SPD-Kandidaten vertreten. Das Problem, das manch Kritiker mit Kemferts sendetauglichen Kurzbotschaften hat, zeigt sich am Beispiel ihres Auftritts in einer aktuellen Dokumentation der ZDF-Sendung „Wiso“. Das Grundproblem der Erneuerbaren, dass es an Energiespeichern fehlt, überging die Ökonomin dabei einfach und behauptete, es seien Stromspeicher „noch und nöcher“ verfügbar.
Claudia Kemfert studierte Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Bielefeld und Oldenburg, von 2004 bis 2009 war sie Professorin für Umweltökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr Ausstieg dort soll holprig verlaufen sein. Seit 2016 gehört die Wirtschaftswissenschaftlerin dem Sachverständigenrat für Umwelt der Bundesregierung an. Im Jahr 2019 unterstützte sie von dieser Position aus ein geplantes „Klima-Vetorecht“. Die Idee: Ein neu gegründeter Umweltrat soll sämtliche Gesetzesvorhaben blockieren können, wenn er sie für klimaschädlich hält. Eine Entmachtung des demokratisch gewählten Parlaments zugunsten grüner Seilschaften.
Die Grenze zwischen Wissenschaft und politischem Aktivismus hat Kemfert spätestens damit überschritten.
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