28 November 2022

Deutschland bei der Katar-WM - Wie die Mannschaft, so das Land (Cicero+)

Deutschland bei der Katar-WM
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Wie die Mannschaft, so das Land (Cicero+)
Die Performance der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Katar ist symptomatisch für den Zustand unseres Landes. Anstatt an unserer Wettbewerbsfähigkeit zu arbeiten, predigen wir mit missionarischem Eifer, wie die Welt zu sein hat - Debatten nicht erwünscht. Dabei haben wir nicht nur Respekt vor anderen, sondern auch vor uns selbst verloren.
VON DIRK NOTHEIS am 24. November 2022
Das Spiel Deutschlands gegen Japan hat geradezu symptomatische Qualität für die Zustandsbeschreibung unseres Landes. Statt sich mit klarer Strategie, Energie und Kampfesgeist auf den Ball und die Umsetzung einer vorwärtsgerichteten Spielweise zu konzentrieren, diskutiert man tagelang über Armbinden und wokes Gedankengut, reibt sich am Veranstalter statt an sich selbst und verschiebt damit die Prioritäten zu Lasten des eigenen Erfolges. Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Diese Botschaft ist bis heute in der deutschen Politik und dem Feuilleton nicht angekommen. Als Voraussetzung für den Erfolg in unserer heutigen global kompetitiven Welt kommt es vor allem aber auf eines an: auf die „Execution“. Mit dem Fokus auf der Verbalisierung von Idealwertvorstellungen und Wunschträumen sowie ihrer missionarischen Verfolgung gegenüber jedem, der sie hören und nicht hören will, lenkt man vom eigentlich Geforderten ab und landet am Ende genau dort, wo die deutsche Fußballnationalmannschaft am gestrigen Abend gelandet ist, nämlich in der Niederlage.

Wer in dieser Welt gewinnen will, muss sich auf die „Execution“, auf eine möglichst effiziente und kompetitive Umsetzung konkreter Performance-Ziele konzentrieren, das heißt ins Fußballerische dieser Tage übersetzt, auf das Geschehen auf dem Rasen und nicht auf den Tribünen-, Polit- und Medientalk drumherum. Nur dort, wo es auf die Socken gibt, entscheidet sich das Schicksal, und nur dort allein liegt der Weg zum Erfolg. Nicht mit dem Diskurs über regenbogenfarbene Armbinden oder der Inszenierung von Mannschaftsbildern, sondern mit Toren gewinnt man Spiele. So simpel und doch scheinbar so herausfordernd ist diese Welt. Wer irgendwo anders sucht, wird sich im Labyrinth der globalen Komplexität und Wettbewerbsintensität verlaufen und führt sich und sein Volk auf einen fatalen Irrweg. Abstieg und Deklassierung sind die Folgen.

Woke Form der Basta-Politik

Statt sich darauf zu konzentrieren, alle Kräfte in diesem Sinne zu bündeln und damit die Rahmenbedingungen für die Kreation siegreicher Produkte und Lösungen zu schaffen und ins marktliche Spiel bzw. auf den Rasen, der die Welt bedeutet, zu bringen, soll jedoch einmal mehr am deutschen Wesen die Welt genesen. Anstatt den Fokus auf unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit auszurichten, betreiben Politik und gesellschaftliche Mainstreamkräfte wie einst, als man empört aufgeschreckt von einem Tsunami vor der Küste Japans – schon wieder Japan – und seinen Folgen für ein küstennah gelegenes Atomkraftwerk, Hals über Kopf aus der Kernenergie ausstieg, den wirtschaftlichen und damit langfristig auch den sozialen Niedergang Deutschlands.

Ohne sich über die Langzeitfolgen für unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit auch nur annähernd im Klaren zu sein, fühlt man sich damals wie heute als selbsternannte und -legitimierte Gutmenschen in teutonischer Oberlehrerattitude, die mit missionarischem Eifer der ganzen Welt erklären wollen, wie es bzw. man sein sollte. Dass man mit dem Ausstieg aus der Kernenergie gleichsam das eigentlich prioritäre Umweltziel, den Kampf gegen CO2 und die globale Erderwärmung, mit Füßen getreten hat und bis heute tritt, wird billigend in Kauf genommen und ficht die eigene ethische Hybris keineswegs an. Selbst wenn die vom Mainstream zur gottähnlichen Figur erhobene Greta diesen Schritt ex post hinterfragt, wird nicht debattiert, sondern ideologisch tabuisiert und jedwede Debatte sowohl innerhalb von Ministerien als auch in der breiten Öffentlichkeit im Keim erstickt. Was nicht sein darf, ist nicht. Ende des Diskurses. Das ist die neue, woke Form der Basta-Politik.

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Dabei ist uns der Respekt vor anderen und in der Konsequenz auch vor uns selbst verloren gegangen. Respekt aber ist das Fundament jedweder Legitimation, auch und insbesondere der Legitimation von Kritik. So wie die deutsche Fußballnationalmannschaft gegen Japan gespielt hat, so spielen wir heute in dieser Welt: pomadig, arrogant, politically correct, nicht am Gegenüber, sondern an uns selbst und dem eigenen, ad absolutum erkorenen Mikro-Wertekosmos orientiert und zugleich mut- und energielos. Statt in einer auf wirtschaftlicher Basis interagierenden Welt Verständnis und Sensibilität für das Gegenüber und dessen kulturhistorische, bisweilen über Jahrtausende entwickelten Prägungen und Einstellungen aufzubringen und dieses als Grundlage eines von wechselseitigem Respekt geprägten Austausches zu betrachten, halten wir es für angemessen, das Gegenüber in für ihn fundamentalen Einstellungsfragen nicht nur öffentlich herauszufordern, sondern sein ästhetisch-ethisches Empfinden zu provozieren bzw. willentlich zu beleidigen. Man muss die Einstellungen der arabischen Welt wahrlich nicht teilen oder gar kopieren, aber kapieren und respektieren sollte man sie schon, insbesondere dann, wenn man auf deren Goodwill mehr denn je angewiesen ist.

Sackgasse mit abschüssigem Neigungswinkel

So wie das sportliche Gastspiel der Deutschen am Golf wohl eines von endlicher Dauer sein dürfte, steht zu befürchten, dass dieses symptomatisch seine Schatten auch auf die Präsenz Deutschlands im globalen Wettspiel um Wohlstand und Einfluss vorauswirft. Wenn wir nicht erkennen, dass wir uns mit unseren völlig ideologisierten und missionarisch geführten Debatten, die den Namen daher dem Grunde nach gar nicht mehr verdienen, in eine Sackgasse mit abschüssigem Neigungswinkel gefahren haben, wird der Niedergang dieses Landes nicht aufzuhalten sein. Was Land wie Nationalmannschaft jetzt benötigen, ist ein tabufreier, von wechselseitigem Respekt und Selbstkritikfähigkeit geprägter, schonungslos an Fakten orientierter, effizienter Diskurs, der über Parteigrenzen hinweg konzentriert die wesentlichen Ziele für die Zukunft unseres Landes definiert und alle Kräfte danach auf das alles entscheidende Moment, die „Execution“, ausrichtet.

Wenn uns dies nicht gelingt, werden wir fußballerisch wie ökonomisch künftig nicht nur in der Vorrunde, sondern bereits in der Qualifikation scheitern. Nach all dem, was unsere Mütter und Großmütter, Väter und Großväter auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges vor allem auch für uns auf- und ausgebaut haben, wäre dies ein Trauerspiel erster Güte sowie eine Schande und Respektlosigkeit gegenüber uns selbst zugleich. Wessen es jetzt stattdessen wieder bedarf, hat ein leider längst verstorbener großer Unternehmer in der deutschen Politik, Lothar Späth, einmal treffend so formuliert: „Net schwätze, schaffe!“

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