Folgt man dem, was über die Hintergründe des japanischen Lebens in
Düsseldorf bekannt ist, soll alles mit einer japanischen Delegation
begonnen haben, die im Juli 1862 auf Durchreise war und sich am heutigen
Graf-Adolf-Platz mit Altbier erfrischte. Die Gegenwart liest sich nun so:
„Obwohl die Japaner als siebtgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe
eine kleine Minderheit bilden, prägen sie seit über 50 Jahren das
Stadtbild und bereichern das wirtschaftliche und kulturelle Leben der
Stadt.“
Japaner schlagen Düsseldorf nicht kurz und klein
Nun wollte es der Fußballgott jüngst so, dass Deutschland am Dienstag
vergangene Woche sein Auftaktspiel bei der WM in Katar gegen die
japanische Nationalelf bestreiten musste. Und er wollte auch, dass
dieses Spiel 2:1 für die Japaner
ausgegangen ist, weil die ihre stärkste Phase nutzten, um erst gegen
Deutschland auszugleichen und wenig später den Siegtreffer zu erzielen.
Dieser ging je ungefähr zur Hälfte auf das Konto des japanischen
Torschützen Takumo Asano, der beim Bundesligisten VfL Bochum unter
Vertrag steht, und auf jenes von Verteidiger Nico Schlotterbeck, der ihm
dabei zusah, ohne nennenswert einzugreifen.
Es ließe sich nun trefflich darüber streiten, ob dieser Sieg Japans
im statistischen Sinne „verdient“ war. Worüber es wiederum nichts zu
streiten gibt, ist das Verhalten der japanischen Fans, die in katarischen Stadien ihre Sitzreihen aufräumen, bevor
sie gehen, auch sonst sehr höfliche Zeitgenossen sind und sogar so
freundlich waren, Düsseldorf nach dem Sieg gegen Deutschland nicht kurz
und klein zu schlagen. Dass das nicht selbstverständlich ist, zeigt
nämlich ein Blick nach Brüssel.
Die einen räumen auf, die anderen reißen ab
Auch dort gibt es eine Minderheit, die sich aus rund 35.000 Personen
speist, die marokkanische Wurzeln haben. Nun wollte es der Fußballgott
außerdem so, dass Belgien bei dieser Fußballweltmeisterschaft unter
anderem auf Marokko trifft. Und er wollte auch, dass dieses Spiel 2:0
für die Marokkaner endet. Statt Sieger-Sashimi gab es in Brüssel
anschließend auf die Fresse, weil laut Polizeiangaben Dutzende
kulturbereichernde Fußballfans mit marokkanischem Pass spontan
beschlossen hatten, randalierend durch die Straßen zu ziehen,
Sicherheitskräfte anzugreifen und das Ganze mit ihren Smartphones zu
filmen. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein, um die
Gemüter wieder zu beruhigen. Ähnliche Krawalle fanden zur gleichen Zeit
in Lüttich und Antwerpen statt.
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Nun hat das bestimmt mal wieder nichts mit nichts zu tun und überhaupt
feiern manche eben anders als andere. Die einen feiern im Stillen, die
anderen mit der Autohupe. Die einen räumen auf, die anderen reißen ab.
So bleibt das Universum der Kulturbereichernden im Gleichgewicht.
Außerdem war ein anderes Ereignis der jüngsten Fußballgeschichte noch
viel schlimmer als diese Ausschreitungen. Nämlich, dass der ZDF-Experte
Sandro Wagner am Sonntagabend von „katarischen Bademänteln“ gesprochen
hat, statt den korrekten Begriff „Thawb“ für die weißen Katari-Gewänder
zu nutzen.
„One Love“ ist das einzige, was zählt
„Der Eindruck des 1:1 gegen die ,Furia Roja' wird im Nachhinein
getrübt – denn ZDF-Experte Sandro Wagner leistete sich einen flapsigen
Kommentar“, betrauert das intellektuelle Flaggschiff des deutschen Online-Journalismus, T-Online,
diesen „Eklat“. Und irgendwelche Leute twittern jetzt Zeug wie „ZDF in
Rassismus-Skandal verwickelt. ÖRR beschäftigt Menschen mit zweifelhafter
Gesinnung. Inakzeptabel!“ oder – Rechtschreibfehler im Original – „Die
Klamotten der Menschen als Katarische Bademäntel zu bezeichnen ist
einfach nur rassistisch und eckelhaft! Man merkt wie Hasserfüllt die
Kommentatoren wiedermal sind gegen Katar!“
Mal abgesehen davon, dass sich der nüchterne Beobachter notgedrungen fragt, welche Art von Rassismus das eigentlich sein soll, der sich gegen Klamotten richtet, weiß der woke Online-Mob eben ganz genau, wie er Prioritäten zu setzen hat. Vorschlag zur Güte: Wir schicken Sandro Wagner in einem Thawb nach Brüssel, wo er dann zwischen der Polizei und marokkanischen „Fans“ vermitteln kann. Bei der Gelegenheit kann er dann direkt und stellvertretend Abbitte bei den dortigen Marokkanern leisten, weil er arabische Gewänder nicht zu schätzen weiß.
Jede Minderheit hat das Recht, irgendwann als Bereicherung für „das wirtschaftliche und kulturelle Leben der Stadt“ in einem Reiseführer zu stehen. Und wenn das mit irgendwelchen Minderheiten in irgendeinem europäischen Land partout nicht gelingen mag, müssen sich die Einheimischen bei der Integration eben mehr anstrengen und die verantwortlichen Politiker eben mehr Geld in antirassistische Maßnahmen investieren, damit Personen von „zweifelhafter Gesinnung“ nicht mehr „Bademantel“ sagen. Denn die zentrale und unverhandelbare Botschaft dieser WM lautet bekanntermaßen: „One Love“ über alles.
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