21 November 2022

Klimakleber: Angst und Wahn essen Seele auf (NZZ)

Klimakleber: Angst und Wahn essen Seele auf
Radikale Klimaaktivisten kleben sich an Strassen fest und beschmieren Kunstwerke. Dabei gefährden sie auch Menschenleben. Wenn Angst ein gesundes Ausmass überschreitet, kann Wahn entstehen. Doch unsere Psyche läuft nicht Gefahr, sich anzustecken.
Esther Bockwyt
Während viele im Verhalten von Klimaklebern zutreffend etwas Egozentrisches, also Narzisstisches, wie auch etwas Trotzig-Aggressives sehen, kommt in der Dramatik ihrer apokalyptischen Ausrufe vor allem aber häufig eines zum Ausdruck: ungesunde Angst, die ins Wahnhafte übergeht: «Ich bin 25. Und ich würde so gerne Kinder bekommen. Aber ich kann es mir einfach nicht vorstellen, Kinder in diese Welt zu setzen. Weil ich Angst habe um meine kleinen Geschwister. Dass sie in ihrer Lebenszeit in einem Kriegsgebiet leben», schluchzte eine junge Frau, Aktivistin der Klimaaktivisten-Gruppierung «Die letzte Generation» in die Interviewkameras.
Apokalyptische Gedanken
Die Aktivisten und Aktivistinnen sind ganz offenkundig fest davon überzeugt, dass das Ende, der Untergang naht und es keine Zukunft mehr für Menschen gibt. Ihre Wahrnehmung scheint in Gänze vom apokalyptischen Gedanken beherrscht. In einer solchen Wahrnehmungsverengung scheint dann kein anderes Thema mehr die Psyche zu berühren, scheint kein inneres «Herunterkommen» mehr möglich.
Nun ist es eine natürliche psychische Gegebenheit, wenn Menschen sich zu intensiv mit Ideen, mit Themen insbesondere solcher negativer Art befassen, dass sie sich in ungesunder Weise in diese hineinsteigern können. Es führt zu einer Verengung des eigenen Blickwinkels, und im Kollektiv von Gleichgesinnten verfestigt sich eine radikale Überzeugung oder ein Gefühlszustand durch Gruppendynamiken und «Groupthink». Diese Vereinheitlichung der Meinung und Wahrnehmung bei gleichzeitigem Kontaktverlust gegenüber der Aussenwelt kann wahnhafte Züge annehmen.
Wahn bedeutet unbeirrbare bis unkorrigierbare, sehr fixe Überzeugung bezüglich einer Bedrohung trotz Unvereinbarkeit mit der Realität. Wahn ist verbunden mit einer stark erhöhten Grundangst, die – bedingt durch die Überzeugung, sich gegen die Bedrohung verteidigen zu müssen – oft ins Aggressive ausschlägt. Wer überzeugt ist, dass – zu Unrecht – allenfalls gar sein Leben bedroht ist, glaubt auch, sich verteidigen zu dürfen und zu müssen – im Notfall sogar auch Gewalt anzuwenden. Dies ist dann gefühlte Notwehr in Märtyrer-Manier. Angst – Hysterie – Wahn – Aggression, das ist die charakteristische Linie für auf Angst basierende wahnhafte Entwicklungen.
Nun ist der Klimawandel und die von ihm ausgehende Bedrohung real, mag man einwenden. Doch droht der Untergang zwangsläufig? Ein solches Gefühl hat sich in vielen Köpfen und Psychen schon breitgemacht. Die Optimistischeren unter uns gehen eher aktiv und lösungsorientiert an das Problem heran, sehr wohl daran glaubend, dass auch dank technologischem Fortschritt der Untergang keinesfalls gewiss ist. Eine solche Haltung verleiht nicht nur Mut, sondern auch Tatkraft. Während sich die ins Wahnhafte rutschende Angst kopflos und destruktiv in sich selbst verliert.
Wie all unsere psychischen Empfindungen, unsere Gedanken und Verhaltensweisen ist auch die Angst an sich keinesfalls ungesund, sondern vielmehr dem Menschen innewohnend. Sie beinhaltet eine wichtige Warnfunktion, die uns befähigen kann, Gefahren zu erkennen und zu bewältigen. Angst kann einerseits aktivierend wirken, andererseits kann sie uns lähmen. Problematisch wird auch die Angst erst durch ihr ungesundes Ausmass. Denn dann wirkt sie nicht mehr produktiv, sondern destruktiv.
Der eigenen Angst Ausdruck verleihen
Teile der Klimakleber dürften selber kaum daran glauben, dass durch ihre Aktionen konstruktive Veränderungen entstehen können. Ihnen geht es nicht um etwas Konstruktives. Sondern darum, ihrer eigenen Angst Ausdruck verleihen zu können im Versuch, diese Angst wenigstens für eine gewisse Zeit – eben in der Zeit, in der man selbst aktiv wird bei gleichzeitiger Beachtung durch ein Publikum – nicht spüren zu müssen.
Es ist wichtig, dass die Gesellschaft im Umgang mit solchen «Panikern» kühlen Kopf bewahrt, ruhig, aber konsequent reagiert. Die Taten sollten zwar nicht verharmlost werden, es sollte aber auch nicht mit überschiessender, ebenfalls hysterischer Wut reagiert werden. In der Ruhe liegt bekanntlich unsere Kraft. Sie ist das beste Gegenmittel gegen Angst, Hysterie und Dramatisierung jeglicher Art.
Glücklicherweise werden die Klimaapokalyptiker die grosse Mehrheit von uns nicht mit ihrer Angst anstecken können – was sie eigentlich möchten, um ihre eigene Angst zu bewältigen. Auch deshalb, weil die menschliche Angst sich seit Tausenden von Jahren in aller Regel auf das konzentriert, was im Hier und Jetzt bedrohlich erscheint – nicht irgendwann in der Ferne. Dies wird ja von den Klimaapokalyptikern wie Greta Thunberg auch angeprangert: «I want you to panic.»
Unser evolutionäres Erbe lässt eine vorauseilende Angst vor der Angst nicht zu. Wir wissen, dass sich der Panik zu ergeben produktives Handeln und Reagieren verunmöglicht – dass Panik uns eben gerade nicht überleben lässt.
Esther Bockwyt ist Psychologin, Autorin und Gerichtsgutachterin.

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