28 November 2022

Business Class Edition:  WM: Moralweltmeister Deutschland

Business Class Edition:
WM: Moralweltmeister Deutschland
Guten Morgen,
die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar spaltet – vor allem Deutschland vom Rest der Welt. Die fehlenden Freiheitsrechte für Homosexuelle und die teils katastrophalen Arbeitsverhältnisse in Katar werden auch von anderen Nationen nicht gut geheißen. Aber sie werden nirgendwo mit der gleichen Inbrunst beklagt.
Symbolische Handlungen und das Aufkündigen bestehender Sponsoringverträge finden sich vor allem in den Reihen deutscher Spieler, Politiker und Sponsoren. Derweil die bisherigen Weltmeisterschaften, auch die 2018er WM in Putins Russland, vor allem als Sportveranstaltungen wahrgenommen wurden, erlebt diese WM in Deutschland eine Welle der Politisierung.

  • Unsere Nationalmannschaft hielt sich vor dem ersten Spiel symbolisch die Hand vor den Mund, um gegen das Verbot der FIFA zu protestieren. Die Regenbogenbinde zu verbieten, bedeutet aus Sicht der Spieler eine unzulässige Einschränkung der Meinungsfreiheit.
  • Innenministerin Nancy Faeser saß beim Eröffnungsspiel der DFB-Elf brav neben FIFA-Boss Gianni Infantino, verurteilte vorab aber dessen Entscheidung „schärfstens“ und trug demonstrativ die „One-Love”-Bind
  • TV-Sportmoderatorin Claudia Neumann präsentiert demonstrativ ein „Regenbogen“-Shirt und
    zeigte damit, was sie unter einer wertegebundenen Sportberichterstattung versteht
  • Rewe hat wegen dieser Vorgänge das Sponsoring für den Deutschen Fußball-Bund am Dienstag aufgekündigt.
  • Auch Edeka schließt sich auf Bundesebene dem „Boykott“ an und hat keine WM-spezifischen Kampagnen in den Geschäften geplant. Allerdings: Aufgrund der dezentralen Struktur der Kette mag man einen WM-freien Einzelhandel nicht garantieren. 
  • Normalerweise werden bei einer WM bis zu eine Million Hektoliter mehr Bier getrunken. Nicht so in diesem Jahr, was allerdings nicht an der Menschenrechtssituation in Katar, sondern an den Temperaturen in Deutschland liegt: „Von dem Event im Winter erwartet sich unsere Branche keine Impulse“, klagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Brauer-Bundes.
Im Rest der Welt wird der moralisch hohe Ton der Deutschen verstanden, aber man stimmt nicht ein. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Zuschauerquoten und die Geschäfte rund um diese Meisterschaft einbrechen könnten:
Die von der FIFA veröffentlichten Einschaltquoten zeigen eine andere Realität: Die Zuschauerzahlen sind gestiegen. Zum Beispiel zeigen die Daten für Brasilien, Frankreich und Großbritannien teils deutlich höhere Einschaltquoten während des Eröffnungsspiels als noch bei der WM 2018 in Russland.
  • So haben beim französischen Sender TF1 5,05 Millionen TV-Zuschauer das erste Spiel dieses Turniers gesehen. Vor vier Jahren waren es nur 3,83 Millionen.
  • In Großbritannien schauten 6,25 Millionen Zuschauer das Eröffnungsspiel. Das entspricht einem Anstieg von 57,5 Prozent im Vergleich zum Opening der WM 2018.
  • In Italien schalteten am Sonntag vor einer Woche 1,07 Millionen Menschen mehr ein. In Spanien betrug die Zunahme etwa 13 Prozent
  • In Brasilien saßen beim Auftaktspiel zwischen Russland und Saudi-Arabien 2018 noch 22,86 Millionen Menschen vor dem Fernseher. In diesem Jahr waren es schon 24,36 Millionen.

Das Investmenthaus Wedbush Securities hat errechnet, dass zum Beispiel die WM in Brasilien dem Sportartikelhersteller Adidas etwa 400 Millionen Euro Umsatz eingebracht haben dürfte, also fast drei Prozent des Jahresumsatzes. Aber auch bei Nike war es mit 325 Millionen US-Dollar etwa ein Prozent des Umsatzes.

Der Finanzvorstand von Adidas, Harm Ohlmeyer, rechnet auch dieses Mal, trotz der Kontroverse, mit einer ungebrochenen globalen Nachfrage. Er teilte den Investoren letzte Woche mit, dass er im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft einen „Rückenwind“ von bis zu 400 Millionen Euro Umsatz erwartet. Zusätzlich gibt der Sportartikelhersteller an, dass allein im Bereich Fußball der Umsatz im ersten Halbjahr um mehr als 20 Prozent zulegte.

Auf Nachfrage von Bloomberg gaben die sieben Hauptsponsoren der FIFA an, nichts an ihrem Engagement ändern zu wollen. Dazu gehören neben Adidas auch Coca Cola, Wanda Group, Hyundai/Kia, Qatar Airways, Qatar Energy und der Kreditkartenkonzern Visa. Laut GlobalData werden alle Sponsoren zusammen rund 1,7 Milliarden US-Dollar investieren.


Auch die Ticketverkäufe zeigen, dass es keinen wertebezogenen Einkauf der Fans gibt. Laut FIFA wurden für Katar bislang knapp drei Millionen Tickets verkauft (etwas weniger als 2014 in Deutschland). Damit hat man die Zahlen der WM in Russland deutlich übertroffen, bei der knapp über 2,4 Millionen Tickets verkauft wurden.

Trotz Bierverbot im Stadion – für viele deutsche Fans bereits eine Freiheitsberaubung – sind die Ränge nicht leer, sondern rekordverdächtig gefüllt: Das Spiel Mexiko gegen Argentinien in der zweiten Gruppenphase der Weltmeisterschaft 2022 in Katar wurde von knapp 89.000 Zuschauern besucht, so viele wie seit 28 Jahren nicht mehr bei einem WM-Spiel.

Auch die Finanzabteilung der FIFA ist zufrieden: Wie der Weltfußballverband mitteilt, hat er in den vergangenen vier Jahren mit kommerziellen Verträgen im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft Einnahmen in Höhe von 7,5 Milliarden US-Dollar erzielt. Die Einnahmen, die die FIFA am gestrigen Sonntag bekannt gab, liegen damit um eine Milliarde Dollar über dem vergleichbaren Vierjahreszyklus der Russland-WM.

Fazit: Die Politisierung der Spiele hat sich gelohnt, allerdings für China. Auch aufgrund der Unzufriedenheit mit den Deutschen – Energieminister Robert Habeck hatte den Austragungsort Katar eine „bekloppte Idee“ genannt – schloss die staatliche Qatar Energy den größten Gasliefervertrag aller Zeiten (Laufzeit: 27 Jahre) mit dem Reich der Mitte, derweil nach Deutschland noch immer kein Flüssiggas fließt.
Man kann nicht alles haben: Die einen haben das Gas und wir das gute Gefühl. Wenn es einen Pokal für korrekte Haltung geben würde, wäre Deutschland nach dem Unentschieden gegen Spanien bereits im Endspiel. 

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