Im Interesse der neuen Spießer (WELT)
Das geplante Bürgergeld ist typisch für eine deutsche Sozialpolitik,
die aus dem Ruder gelaufen ist: Während Leistungsträger geschröpft
werden, setzt sie nach außen fragwürdige Anreize. Nur mag das keiner
hören: Das Thema „Einwanderung in die Sozialsysteme“ ist ein großes
Tabu.
Schon der Name hinkt.
Eigentlich müsste es Einwohnendengeld heißen. So sieht es die
neomoralische Semantik der Ampel vor. Wie unter Angela Merkel zur
Routine geworden, gibt die Regierung eine Lokalrunde nach der anderen
aus. Sie lässt sich dafür feiern, obwohl es die Steuerzahler sind, die
das bezahlen. Der Steuerzahler gilt aber seit Jahrzehnten eher als zu
melkende Kuh denn als mündiger Bürger – halt, nein, Einwohnender.
Der aktuelle Wohlstand ist das Ergebnis der rot-grünen Koalition von
Gerd Schröder und Joschka Fischer. Die künftige Armut des Landes wird
das Ergebnis von 16 Jahren reformfeindlicher Merkel-Politik und dem
aktuellen Wünsch-dir-was-Prinzip der Ampel sein, bei dem mit jeder
Entscheidung der Standort Deutschland geschwächt wird. Angesichts
aktueller Migrationsströme ist dieses Prinzip ein Pullfaktor.
Will aber niemand hören. Weil die Flüchtlingspolitik ebenso
moralisiert wird wie die Sozialpolitik. Wer „Einwanderung in die
Sozialsysteme“ sagt, ist böse. Dabei sprechen die Zahlen eine klare Sprache.
Natürlich wäre ein Befreiungsschlag möglich gewesen: eine
Sozialflatrate ohne jede Bürokratie, was Milliarden Kosten einsparen
würde. Aber dafür reicht es in dieser etatistischen Koalition mit liberalem Reserverad nicht.
Die SPD sollte von ihrem Hartz-IV-Trauma befreit werden, weil diese
Reformen von Schröder die SPD ebenso demoliert haben wie Angela Merkels
fragwürdige Flüchtlingspolitik die Union. Die Grünen profitieren von
ihrem Moralgedöns, und die sie wählende Bourgeoisie verdient gut, aber
nicht sehr gut, sodass ihr künftige Umverteilung kaum weh tut. Diese
neuen Spießer haben ihre Interessen wirklich brillant durchgesetzt.
Nun kann man darüber streiten, ob und in welchem Ausmaß ein üppiger
Sozialstaat wie der in Deutschland das Arbeiten unattraktiv macht. Aber
angesichts von knapp 850.000 offenen Stellen überhaupt Anreize für das Nicht-Arbeiten
zu setzen, egal wie vage, ist verrückt. Gleichzeitig treibt die
Moralbourgeoisie (wie die EKD-Eliten) mit ihrer Sympathie für
Klimakleber und Degrowther die letzten Vernünftigen, die noch wegziehen
können, aus dem Land.
Ein Gutes hat die Debatte. Es schärft die unter Friedrich Merz noch ein wenig irrlichternde Union wieder im Sinne Ludwig Erhards. Besonders Carsten Linnemann nutzt die Gunst der Stunde, um aus der ihm eigenen Zurückhaltung auszubrechen. Insofern verdienstvoll, dass die Union das Bürgergeld im Bundesrat gestoppt hat.
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