15 November 2022

Bürgergeld - Im Interesse der neuen Spießer (WELT)

Bürgergeld
Im Interesse der neuen Spießer (WELT)
Das geplante Bürgergeld ist typisch für eine deutsche Sozialpolitik, die aus dem Ruder gelaufen ist: Während Leistungsträger geschröpft werden, setzt sie nach außen fragwürdige Anreize. Nur mag das keiner hören: Das Thema „Einwanderung in die Sozialsysteme“ ist ein großes Tabu.
Schon der Name hinkt. Eigentlich müsste es Einwohnendengeld heißen. So sieht es die neomoralische Semantik der Ampel vor. Wie unter Angela Merkel zur Routine geworden, gibt die Regierung eine Lokalrunde nach der anderen aus. Sie lässt sich dafür feiern, obwohl es die Steuerzahler sind, die das bezahlen. Der Steuerzahler gilt aber seit Jahrzehnten eher als zu melkende Kuh denn als mündiger Bürger – halt, nein, Einwohnender.
Der aktuelle Wohlstand ist das Ergebnis der rot-grünen Koalition von Gerd Schröder und Joschka Fischer. Die künftige Armut des Landes wird das Ergebnis von 16 Jahren reformfeindlicher Merkel-Politik und dem aktuellen Wünsch-dir-was-Prinzip der Ampel sein, bei dem mit jeder Entscheidung der Standort Deutschland geschwächt wird. Angesichts aktueller Migrationsströme ist dieses Prinzip ein Pullfaktor.
Will aber niemand hören. Weil die Flüchtlingspolitik ebenso moralisiert wird wie die Sozialpolitik. Wer „Einwanderung in die Sozialsysteme“ sagt, ist böse. Dabei sprechen die Zahlen eine klare Sprache.
Natürlich wäre ein Befreiungsschlag möglich gewesen: eine Sozialflatrate ohne jede Bürokratie, was Milliarden Kosten einsparen würde. Aber dafür reicht es in dieser etatistischen Koalition mit liberalem Reserverad nicht.
Die SPD sollte von ihrem Hartz-IV-Trauma befreit werden, weil diese Reformen von Schröder die SPD ebenso demoliert haben wie Angela Merkels fragwürdige Flüchtlingspolitik die Union. Die Grünen profitieren von ihrem Moralgedöns, und die sie wählende Bourgeoisie verdient gut, aber nicht sehr gut, sodass ihr künftige Umverteilung kaum weh tut. Diese neuen Spießer haben ihre Interessen wirklich brillant durchgesetzt.
Nun kann man darüber streiten, ob und in welchem Ausmaß ein üppiger Sozialstaat wie der in Deutschland das Arbeiten unattraktiv macht. Aber angesichts von knapp 850.000 offenen Stellen überhaupt Anreize für das Nicht-Arbeiten zu setzen, egal wie vage, ist verrückt. Gleichzeitig treibt die Moralbourgeoisie (wie die EKD-Eliten) mit ihrer Sympathie für Klimakleber und Degrowther die letzten Vernünftigen, die noch wegziehen können, aus dem Land.
Ein Gutes hat die Debatte. Es schärft die unter Friedrich Merz noch ein wenig irrlichternde Union wieder im Sinne Ludwig Erhards. Besonders Carsten Linnemann nutzt die Gunst der Stunde, um aus der ihm eigenen Zurückhaltung auszubrechen. Insofern verdienstvoll, dass die Union das Bürgergeld im Bundesrat gestoppt hat.

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