Robert Habeck lehnt Einsicht in Atomkraft-Akten ab
Solche Sätze klingen gut – und sie schreiben sich leicht. Sie im Regierungsalltag auch dann zu beherzigen, wenn es den eigenen Interessen zuwiderläuft, ist weitaus schwerer. Das zeigt sich am Umgang des von Robert Habeck geführten Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums mit einem Antrag auf Akteneinsicht, den unsere Redaktion bereits Mitte Juli gestellt hat.
Transparenz? Fehlanzeige
Auf der Grundlage des Umweltinformationsgesetzes beantragten wir sowohl beim Wirtschafts- als auch beim Umweltministerium „Zugang zu allen Unterlagen, die Ihren Ministerien zu der ab dem 24. Februar 2022 diskutierten Möglichkeit einer Laufzeitverlängerung oder Wiederinbetriebnahme deutscher Kernkraftwerke vorliegen“. Wir wollten nachvollziehen, wie die beiden für Atomkraft zuständigen und von Grünen-Politikern geführten Ministerien zu ihrer von Fachleuten deutlich kritisierten Einschätzung kamen, dass Deutschland in der sich abzeichnenden Energiekrise auf seine letzten sechs Kernkraftwerke verzichten könne beziehungsweise solle.
Das Umweltministerium stellte uns daraufhin etliche interne E-Mails, Vermerke, Entwürfe und Stellungnahmen zur Verfügung, die wir gemeinsam mit Welt am Sonntag auswerten konnten. Habecks Wirtschaftsministerium hingegen spielte auf Zeit, ließ alle Fristen verstreichen und ließ es darauf ankommen, dass wir uns gerichtlich zur Wehr setzen.
Erst nach Klage reagiert
Am 1. November reichte Cicero eine Untätigkeitsklage samt Eilantrag gegen das Bundeswirtschaftsministerium beim Verwaltungsgericht Berlin ein. Am 7. November reagierte das Ministerium daraufhin mit einem Bescheid: Unserem Umweltinformationsantrag wird darin nur zu einem kleinen Teil stattgegeben. Ein paar wenige und nicht sonderlich aussagekräftige Unterlagen lagen bei. Alle anderen Dokumente zur Atomkraft-Frage will Robert Habeck offenbar weiterhin geheim halten. Darunter sind auch die Unterlagen, die uns vor allem interessieren: Stellungnahmen und Einschätzungen aus den eigenen Fachabteilungen. Diese Unterlagen sind deshalb interessant, weil es in den Akten des Umweltministeriums bereits Hinweise gibt, dass sich Habecks Strom-Experten für eine AKW-Laufzeitverlängerung ausgesprochen haben.
Auch was den Klimaschutz angeht, besteht Aufklärungsbedarf. Im gemeinsamen Prüfvermerk, den Wirtschafts- und Umweltministerium Anfang März zur Laufzeitverlängerung veröffentlicht haben, spielt die gute CO2-Bilanz der Kernkraft keine Rolle. Das Thema taucht zwar in einer Zwischenüberschrift auf: „Energiewirtschaftliche und klimapolitische Bewertung“ wird dort der vorletzte Abschnitt 7 angekündigt. Doch in den beiden Absätzen dieses Abschnitts ist von CO2-Ausstoß und Klima an keiner Stelle die Rede. Merkwürdig.
Staatssekretär ließ Klima-Aussagen streichen
Die Unterlagen des Umweltministeriums offenbaren, dass dies Folge eines gezielten Eingriffs aus Habecks Ministerium war. In einer früheren Fassung des gemeinsamen Vermerks war noch ein Absatz zur klimapolitischen Bewertung einer AKW-Laufzeitverlängerung enthalten. „Mit Blick auf die – in der Diskussion teilweise als Argument angeführte – CO2-Reduktion dürften die ca. 30 TWh zusätzlicher Atomstrom pro Jahr ab 2024 etwa 25-30 Mio. t CO2-Reduktion im deutschen Strommix bewirken“, stand darin.
30 Millionen Tonnen weniger CO2 im Jahr, das wäre ein gewaltiger Beitrag zur Erreichung der selbst gesteckten Klimaziele. Doch Habecks Staatssekretär Patrick Graichen ließ diesen Absatz kurzerhand streichen. Das geht aus einer E-Mail seines Büros an das Umweltministerium hervor. In der später veröffentlichten Version des Prüfvermerks findet sich nichts dazu. Dass in der Zwischenüberschrift noch von „klimapolitischer Bewertung“ die Rede ist, wird ein Versehen gewesen sein. Man hat wohl vergessen, sie anzupassen.
Abweisende Antwort
Dieser Vorgang, der etliche Fragen aufwirft und Klimaminister Habeck in Erklärungsnot bringt, wurde bekannt, weil das Umweltministerium seiner gesetzlich geregelten Transparenzpflicht nachgekommen ist. Aus Habecks Ministeriums selbst ist dazu nichts zu erfahren. „Zu etwaigen internen Dokumenten kann ich keine Kommentierung vornehmen“, lautete die abweisende Antwort seiner Pressesprecherin auf die Frage, weshalb Staatssekretär Graichen die Aussagen zur CO2-Einsparung aus dem AKW-Prüfvermerk hat streichen lassen.
Transparenz und offenes Regierungshandeln? Fehlanzeige.
Lesen Sie mehr zum Thema:
- Habecks Atomkraft-Verhinderung: Cicero verklagt Wirtschaftsministerium auf Akteneinsicht
- Der Anti-Atomstaat: Wie grüne Ministerien die AKW-Rettung blockiert haben
- Die Grünen sind Genies darin, das Volk über die Atomkraft zu täuschen
- Absurdes Atomkraft-Theater: Robert Habeck nimmt Deutschland in Geiselhaft
- Habecks Chefberater Patrick Graichen: Falsches Mindset
Auch die Begründung, mit der das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium unseren Akteneinsichtsantrag in weiten Teilen ablehnt, klingt ganz anders als die grüne Transparenzprosa in Wahlprogrammen und Koalitionsverträgen. Die Geheimhaltung der AKW-Akten sei geboten, um den „Willensbildungs- und Entscheidungsprozess“ innerhalb der Regierung zu schützen. „Es sollen ein unbefangener, konstruktiver und freier Meinungsaustausch, die unbeeinflusste Meinungsbildung und damit die effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung gewährleistet werden“, schreibt das Ministerium. „Eine Bekanntgabe hätte nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit weiterer Beratungen und würde einen konstruktiven und freien Meinungsaustausch beeinträchtigen.“ Und weiter: „Innerhalb der Behörde soll ein möglichst unbefangener Entscheidungsprozess möglich sein, eine ergebnisoffene Kommunikation soll ermöglicht werden.“
„Unbefangener, konstruktiver und freier Meinungsaustausch“
Das muss ironisch gemeint sein. Denn alles, was bisher über den Entscheidungsprozess zur AKW-Laufzeitverlängerung bekannt geworden ist, zeigt, dass die regierungsinternen Beratungen gerade nicht frei, neutral und ergebnisoffen waren, sondern das erwünschte Ergebnis von vornherein feststand. Das grundsätzliche Nein zur Atomkraft ist für die Grünen so wichtig, dass ihre Führungsspitze diesem Ziel, dem Festhalten am Atomausstieg, alles andere unterordnet. Deutschlands erster Klimaschutzminister lässt lieber Braunkohlekraftwerke wieder hochfahren statt auf die Klimaschutztechnologie Kernkraft als verlässliche Stütze der unzuverlässigen Erneuerbaren zu setzen.
Cicero drängt weiterhin auf Aufklärung. An unserer Klage gegen Habecks Ministerium halten wir fest und fordern Zugang zu allen relevanten Dokumenten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen