14 November 2022

Wokes Deutschland - Wer nicht links ist, ist ein Nazi – ganz einfach (WELT)

Wokes Deutschland
Wer nicht links ist, ist ein Nazi – ganz einfach
Chefreporterin, 13.11.2022
Man kann Wokeness nicht kritisieren, ohne aus der grün-links-woken Ecke als Nazi bezeichnet zu werden. Wer diese Brutalität in der Ablehnung anderer Meinungen nicht als Gefahr für die Demokratie anerkennt, dem ist nicht mehr zu helfen.
Dieter Nuhr ist also ein Nazi. Das finde ich insbesondere deswegen interessant, weil ich mich vergangene Woche mit ihm unterhalten habe und seinen Äußerungen beim besten Willen nichts Antisemitisches entnehmen konnte. Aber vermutlich bin ich inzwischen selbst das Problem, denn wenn man dem Konstrukt der „Kontaktschuld“ folgt, dann bin ich allein durch diese Unterhaltung nun ebenfalls ein Nazi. Alle Nazis, außer Mutti – so einfach ist das.

Dass immer öfter alles, was nicht links ist, als rechtsaußen oder schlimmer gilt, liegt u.a. am öffentlich-rechtlichen Rundfunk; wie auch in diesem Fall. In einem tendenziösen ARD-„Kontraste“-Beitrag wurden nämlich Teile der Konferenz „Wokes Deutschland: Identitätspolitik als Bedrohung unserer Freiheit?“ der Denkfabrik R21 rund um den Historiker Andreas Rödder gezeigt.

Ein Ausschnitt daraus erhitzte die woken Gemüter in den sozialen Medien ganz besonders: In einer Gesprächsrunde diskutierten Dieter Nuhr und die CDU-Politikerin Kristina Schröder über eine „machtvolle kleine Elite“, die versuche, Deutschland zu steuern. Das reichte der ARD, um als „verschwörungstheoretisch angehauchte Thesen“ durchzugehen. Im Beitrag heißt es: „Man wüsste gerne, ob das der neue Sound der CDU sein soll.“ Als Zuschauer wiederum fragt man sich einmal mehr, ob das die sogenannte Demokratieabgabe wirklich wert ist.

Diese Steilvorlage kann man sich als Grüne natürlich nicht entgehen lassen, dachte sich wohl die Bundestagesabgeordnete Marlene Schönberger und ballerte auf Twitter los: „Dass die CDU auf einer Konferenz zur Wokeness versucht, ihr Profil zu finden, kam mir schon grotesk vor. Dass auf dieser Konferenz antisemitische Verschwörungserzählungen Raum finden, ist beschämend!“ Ich frage mich, ob sie den offen antisemitischen Äußerungen der Fridays For Future ebenso viel Herzblut widmet.

Dass die woken Truppen hierzulande eine kleine Minderheit (mit nicht geringem Einfluss auf und in Medien, Universitäten und NGOs) sind, die insbesondere Studiengängen wie den Gender Studies entspringen und dann als Journalistendarsteller Robert Habeck Liebesbriefe schreiben, kann nur demjenigen entgehen, der selbst dazugehört. Dass die breite Bevölkerung mit linksidentitärem Gedöns nichts anfangen kann, belegen Umfragen.

Man kann sich kaum ein besseres Beispiel für die gnadenlosen Mechanismen woken Denkens wünschen. Man ist entweder woke – oder man ist der Feind. Man ist nicht Diskussionsgegner oder einfach anderer Meinung, sondern schlichtweg der Feind, der mit allen Mitteln aus dem Diskurs eliminiert werden muss. Am effizientesten gelingt das durch die Degradierung des Gegenübers zum Unsäglichsten; Wörter sind im Kulturkampf das schärfste Schwert, das wissen diese Sprachsensibelchen genau.

Man kann Wokeness also nicht kritisieren, ohne aus der grün-links-woken Ecke als Nazi bezeichnet zu werden – damit ist jede Debatte beendet. Wer diese Brutalität in der Ablehnung anderer Meinungen nicht als illiberal und also als Gefahr für Gesellschaft und Demokratie anerkennt, dem ist, fürchte ich, nicht mehr zu helfen.
emand anders, dem – glaube ich – auch nicht mehr zu helfen ist, jedenfalls nicht von mir, ist die „Tagesspiegel“-Journalistin Margarethe Gallersdörfer. Da ich die Freude hatte, besagte R21-Woke-Konferenz zu moderieren, ließ es sich die ARD nicht nehmen, auch mich in ihren kurzen Beitrag einzubauen. Man sieht in etwa drei Sekunden, wie ich den CDU-Vize Carsten Linnemann anstrahle, weil er einen Witz gemacht hat (fragen Sie mich nicht, welche Relevanz diese Szene überhaupt für den Beitrag hat). Das empörte Kollegin Gallersdörfer so sehr, dass sie mir mangelnde professionelle Distanz vorwarf.

Das ist spannend, weil ich nicht eben für CDU-Schmusejournalismus bekannt bin. Und es ist interessant, weil auch hier versucht wird, meine Reputation zu zerstören, da ich offenbar mit den Falschen gelacht habe. Gott sei Dank sah das Netz das alles ein bisschen anders. Denn offensichtlich gehen weniger Menschen davon aus, dass sich professionelle Distanz an Margarethe Gallersdörfers Spießigkeitslevel bemisst, als sie sich das gewünscht hätte.

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