kress pro - DAS MAGAZIN FÜR FÜHRUNGSKRÄFTE BEI MEDIEN
Weltmeister der Doppelmoral: Die scheinheilige Katar-Kritik von ARD und ZDF
Fußball-WM: Die Öffentlich-Rechtlichen verschweigen, dass sie selbst Teil des Systems sind, das sie journalistisch so eifrig kritisieren. Welche Riesensummen sie für die Übertragungsrechte zahlen - ohne Bedingungen zu stellen.
16.11.2022: Ein Kommentar von kress pro-Chefredakteur Markus Wiegand:
Vor der Fußball-WM in Katar überbieten sich ARD und ZDF darin, die dubiose Vergabe des Turniers und die schwierige Menschenrechtslage im Ausrichter-Land journalistisch aufzuarbeiten.
An diesem Montag räumte die ARD für das Thema gar den ganzen Abend frei. ("Thomas Hitzlsperger: Katar - warum nur?", "Hart aber fair - wer freut sich auf die WM in Katar?, "WM der Lügen - wie die FIFA Katar schönredet".) Im ZDF durfte zuletzt Sportmoderator Jochen Breyer (mit Julia Friedrichs) in "Geheimsache Katar" die Schwächen Katars ausleuchten.
Was beim Dauerfeuer der Kritik fast überhaupt nicht zur Sprache kommt: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind Teil des Systems, das sie so beständig kritisieren. Die FIFA erlöst Milliarden-Beträge für die TV-Rechte an den Fußball-Weltmeisterschaften. Und ARD und ZDF sind dabei mittendrin. Allein die ARD gibt jährlich nach eigenen Angaben 237,5 Millionen Euro für Sportrechte aus.
Fast 950 Millionen Euro aus Gebührengeldern verteilt die ARD in den vier Jahren zwischen 2021 und 2024 an Sportverbände. Beim ZDF waren es zwischen 2018 und 2021 rund 620 Mio. Euro. Einen Großteil dürften FIFA (Fußball-WM), IOC (Olympia) und UEFA (Fußball-EM) bekommen, also Institutionen, die seit Jahren Probleme mit Korruption und Vetternwirtschaft haben. Wie viel Geld ARD und ZDF für einzelne Großereignisse überweisen, ist unklar. Die Sender halten die Zahlen geheim. Wie der "Spiegel" 2015 berichtete, kostete das Rechte-Paket für die WM 2022 (inkl. Frauen WM) 214 Millionen Euro. Das Magazin hielt zudem fest, wie sorglos die Öffentlich-Rechtlich beim Kauf der Sendelizenzen vorgehen: "ARD und ZDF haben die Rechte unabhängig vom Austragungsort erworben, selbst die Jahreszeit, zu der die Spiele wirklich stattfinden, spielt beim eingekauften Paket keine Rolle."
Ein einfacher Vorschlag für die Zukunft: Die Öffentlich-Rechtlichen Sender, die die Rechte im Verbund mit anderen europäischen Sender erwerben, sollten den Kauf von Sportrechten an zwei Bedingungen knüpfen. Nr. 1: Die Preise müssen offengelegt werden. Nr. 2: Die FIFA verpflichtet sich nur Ausrichter-Länder auszuwählen, die einen Mindeststandard an Menschenrechten gewähren.
Wenn sich überdies auch die privaten Sender (in Deutschland z.B. Magenta TV der Telekom) dazu verpflichten, wäre der wirtschaftliche Hebel immens.
Fußball-WM: Die Öffentlich-Rechtlichen verschweigen, dass sie selbst Teil des Systems sind, das sie journalistisch so eifrig kritisieren. Welche Riesensummen sie für die Übertragungsrechte zahlen - ohne Bedingungen zu stellen.
16.11.2022: Ein Kommentar von kress pro-Chefredakteur Markus Wiegand:
Vor der Fußball-WM in Katar überbieten sich ARD und ZDF darin, die dubiose Vergabe des Turniers und die schwierige Menschenrechtslage im Ausrichter-Land journalistisch aufzuarbeiten.
An diesem Montag räumte die ARD für das Thema gar den ganzen Abend frei. ("Thomas Hitzlsperger: Katar - warum nur?", "Hart aber fair - wer freut sich auf die WM in Katar?, "WM der Lügen - wie die FIFA Katar schönredet".) Im ZDF durfte zuletzt Sportmoderator Jochen Breyer (mit Julia Friedrichs) in "Geheimsache Katar" die Schwächen Katars ausleuchten.
Was beim Dauerfeuer der Kritik fast überhaupt nicht zur Sprache kommt: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind Teil des Systems, das sie so beständig kritisieren. Die FIFA erlöst Milliarden-Beträge für die TV-Rechte an den Fußball-Weltmeisterschaften. Und ARD und ZDF sind dabei mittendrin. Allein die ARD gibt jährlich nach eigenen Angaben 237,5 Millionen Euro für Sportrechte aus.
Fast 950 Millionen Euro aus Gebührengeldern verteilt die ARD in den vier Jahren zwischen 2021 und 2024 an Sportverbände. Beim ZDF waren es zwischen 2018 und 2021 rund 620 Mio. Euro. Einen Großteil dürften FIFA (Fußball-WM), IOC (Olympia) und UEFA (Fußball-EM) bekommen, also Institutionen, die seit Jahren Probleme mit Korruption und Vetternwirtschaft haben. Wie viel Geld ARD und ZDF für einzelne Großereignisse überweisen, ist unklar. Die Sender halten die Zahlen geheim. Wie der "Spiegel" 2015 berichtete, kostete das Rechte-Paket für die WM 2022 (inkl. Frauen WM) 214 Millionen Euro. Das Magazin hielt zudem fest, wie sorglos die Öffentlich-Rechtlich beim Kauf der Sendelizenzen vorgehen: "ARD und ZDF haben die Rechte unabhängig vom Austragungsort erworben, selbst die Jahreszeit, zu der die Spiele wirklich stattfinden, spielt beim eingekauften Paket keine Rolle."
Ein einfacher Vorschlag für die Zukunft: Die Öffentlich-Rechtlichen Sender, die die Rechte im Verbund mit anderen europäischen Sender erwerben, sollten den Kauf von Sportrechten an zwei Bedingungen knüpfen. Nr. 1: Die Preise müssen offengelegt werden. Nr. 2: Die FIFA verpflichtet sich nur Ausrichter-Länder auszuwählen, die einen Mindeststandard an Menschenrechten gewähren.
Wenn sich überdies auch die privaten Sender (in Deutschland z.B. Magenta TV der Telekom) dazu verpflichten, wäre der wirtschaftliche Hebel immens.
Es ist scheinheilig, wie
sich ARD, ZDF und alle Rechteinhaber jetzt aus der Verantwortung
stehlen. Sie machen die WM erst zu dem, was es ist: ein Weltereignis.
Kürzlich diskutierte eine Runde bei Markus Lanz das Thema Fußball-WM in Katar. ZDF-Moderator Jochen Breyer sagte: "Katar hat den Fußball gekauft, aber der Fußball hat sich auch kaufen lassen." Was Breyer nicht sagt: Das gilt auch für seinen Sender das ZDF. Er selbst hält übrigens die Vergabe nach Katar für einen Fehler, fährt aber natürlich als Sportmoderator dennoch zur WM, wie er in der Sendung erklärte.
Holger Gertz von der "Süddeutschen Zeitung" fasste die Lanz-Sendung unter dem originellen Titel "Weltmeister der Doppelmoral" (9. November) zusammen. Schöner können wir es auch nicht sagen.
Kürzlich diskutierte eine Runde bei Markus Lanz das Thema Fußball-WM in Katar. ZDF-Moderator Jochen Breyer sagte: "Katar hat den Fußball gekauft, aber der Fußball hat sich auch kaufen lassen." Was Breyer nicht sagt: Das gilt auch für seinen Sender das ZDF. Er selbst hält übrigens die Vergabe nach Katar für einen Fehler, fährt aber natürlich als Sportmoderator dennoch zur WM, wie er in der Sendung erklärte.
Holger Gertz von der "Süddeutschen Zeitung" fasste die Lanz-Sendung unter dem originellen Titel "Weltmeister der Doppelmoral" (9. November) zusammen. Schöner können wir es auch nicht sagen.
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