25 August 2022

Scholz und Habeck in Kanada Die globalen Gas-Bettler kommen mit leeren Händen nach Hause

Wenn´s nicht so traurig wäre, könnte man lachen. In Deutschland wird großkotzig das deutsche Energiewende-Modell als Vorbild für die Welt bezeichnet und jetzt reisen führende Politiker wie Bettelmönche mit Klingelbeuteln um die Welt und betteln um Energierohstoffe.

Scholz und Habeck in Kanada
Die globalen Gas-Bettler kommen mit leeren Händen nach Hause
Von Klaus-Rüdiger Mai, 24.08.2022
Olaf Scholz und Robert Habeck touren durch die Welt, um irgendwo für diesen, vor allem aber für den nächsten Winter Gas für Deutschland aufzutreiben. Diesmal ging es nach Kanada – ohne Erfolg: kein LNG aus Kanada. Kanzler und Vizekanzler stehen erneut mit leeren Händen da.
Man kennt das aus alten Filmen, wenn die beiden freundlichen Bettler von Haustür zu Haustür wackeln und anklopfen, weil sie um ein Stück Brot bitten wollen, ihnen aber die Türen nicht geöffnet werden. In alten Filmen werden sie nach gehöriger Verzweiflung allerdings mit einer Situation konfrontiert, in der sie über sich selbst hinauswachsen, eine so große wie gute Tat vollbringen, endlich zeigen können, was wirklich in ihnen steckt, und dadurch Glück und Wohlstand gewinnen. Doch das Leben ist kein alter Film. Habeck wird nicht, wie seine Verzögerungstaktik bezüglich Kernenergie zeigt, über sich hinauswachsen, auch nicht über seinen überlangen Schatten springen. Die beiden Bettler werden abgewiesen bleiben.
So touren Kanzler und Vizekanzler tapfer durch die Welt, um irgendwo für diesen, vor allem aber für den nächsten Winter etwas Gas für Deutschland aufzutreiben. Verwunderlich ist nur, dass, wo wir laut Robert Habeck, kein Strom-, sondern nur ein Wärmeproblem haben, im Juli mehr Gas zur Stromgewinnung eingesetzt wurde, auch um Strom nach Frankreich zu exportieren. Der Effekt ist, dass der deutsche Strom- und Gaspreis steigt und steigt, während Frankreich – mit Billigung der EU, wen wundert es – für seine Bürger den Strompreis deckelt.
Nachdem Robert Habeck – wie inzwischen nach anfänglich anderslautenden Meldungen bekannt ist – in Katar kein Gas für Deutschland erhandeln konnte, anders übrigens als sein italienischer Kollege, nachdem Olaf Scholz zwar seinen Weitblick über Norwegische Fjorde schweifen lassen konnte, aber auch ohne Zusage über aufgestockte Liefermengen aus Oslo zurückkam, sind nun die beiden „Bettler“ in Sachen Gas gemeinsam über den Atlantik geflogen, nach Kanada, zu Premierminister Justin Trudeau. Und auch hier öffnet sich dem Kanzler und dem Vizekanzler nicht die Tür zu den erhofften Gaslieferungen. Justin Trudeau lobt Olaf Scholz vollmundig als „einen wahren Progressiven“ und findet im billigen, weil kostenlosen Lob denn auch kein Ende, schließlich brauche „die Welt mehr fortschrittliche Stimmen“ wie Olaf Scholz. Nur, Deutschland braucht eben Gas.
Einig wird man sich lediglich in der Absicht langfristiger Ökoinvestitionen, einige Manager, die mitfliegen durften, unterzeichneten derweil den einen oder anderen Vertrag für die Zukunft. Kanada will nämlich eine große Windkraftanlage bauen, um den Strom zu gewinnen für die aufwendige Produktion von Wasserstoff, den man dann nach Deutschland exportieren möchte – wohin sonst. Ins Mutterland grüner Utopien. Und Gas?

Außerdem möchte Trudeau nicht nur irgendwie die Energiewende in der Welt vorantreiben, sondern vor allem die Demokratie gegen den Populismus verteidigen. Darin hatte Justin Trudeau bereits Erfahrungen im Kampf gegen die kanadischen LKW-Fahrer gesammelt, an denen er die beiden Deutschen, auf die ein möglicherweise heißer Herbst und ein noch heißerer Winter zukommen wird, gern teilhaben lässt – diesmal umsonst. Es geht ja um die Verteidigung der Demokratie gegen den Populismus. Und Gas?

Im Gespräch mit dem kanadischen Premierminister ginge es laut Scholz „natürlich“ auch um den russischen Angriffskrieg sowie die Auswirkungen des „brutalen Krieges“ für die internationale Ordnung. „Für uns ist zentral, dass wir alles dafür tun, die Ukraine zu unterstützen.“ Inzwischen sprach Olaf Scholz Wolodymir Selenskyi eine Art Ewigkeitsgarantie aus, Deutschland stehe „fest an der Seite der bedrohten Ukraine, heute und so lange, wie die Ukraine unsere Unterstützung braucht“. Das wissen die Kanadier zu schätzen, noch mehr gefällt ihnen die Vorstellung, seltene Erden, an denen Kanada nicht arm ist, Deutschland zu verkaufen, damit Deutschland in der E-Mobilisierung des Landes vorankommt. Alles gut und schön, aber was ist mit Gas?
Davon besitzt Kanada reiche Vorkommen, die sich allerdings nicht im Osten, sondern im Westen des Landes befinden. Für Justin Trudeau sei es deshalb sinnvoller, das Flüssiggas über den Pazifik zu verkaufen, an Partner in Asien. Aber natürlich will der Justin dem Olaf helfen – und da hat er gleich eine Prima-Justin-Idee: „Unsere beste Hilfe besteht darin, zum Weltmarkt beizutragen und Gas zu transportieren, das sich Deutschland und Europa dann aus anderen Quellen besorgen können.“ Wenn Kanada LNG an gutzahlende Kunden in Fernost beispielsweise verkaufen würde, dann würde das den Weltmarkt entspannen und es bliebe mehr LNG für Deutschland bei arabischen Anbietern übrig.

Man kennt das vom „Mensch ärgere dich nicht“-Spiel. Kanzler und Vizekanzler sind aus dem Spiel geflogen und können nun am Anfang, bei Katar, wieder ansetzen. Aber die Kataris wollen nicht vor 2025 liefern, vor allem bestehen sie auf längeren Lieferzeiten, die aber Scholz und Habeck nicht akzeptieren können, schließlich wollen sie so schnell als möglich aus den fossilen Energien aussteigen, möglichst schon 2030. Die Kataris möchten nur Verträge mit einer Mindestlaufzeit von 15 Jahren abschließen.

Aber Justin Trudeau wäre nicht Justin Trudeau, wenn ihm dann nicht doch noch ein flotter Glückskeksspruch über die Lippen käme: „Wir suchen nach allen Möglichkeiten, wie wir den Europäern kurzfristig unter die Arme greifen können, um ihnen zu helfen, die Herausforderungen dieses Winters angesichts des eingeschränkten Gasangebots seitens Russlands zu bewältigen.“ Auf die Nachfrage eines kanadischen Journalisten entfährt Trudeau der Offenbarungseid: „Die Unternehmen untersuchen jetzt, ob es angesichts des neuen Kontextes geschäftlich interessant ist, diese Investitionen zu tätigen.“ Natürlich ist es geschäftlich nicht interessant, kurzfristig LNG-Terminals an der Ostküste zu errichten und Liefertrassen dorthin zu bauen. Was ist also mit Gas?

Die Antwort lautet kurz und brutal: Es gibt kein LNG aus Kanada. Kanzler und Vizekanzler stehen in der Gegenwart mit leeren Händen da, auch wenn sie für die ferne Zukunft schöne Träume hegen. Eine neue Regierungsweisheit rät indessen: Ist die Wirklichkeit auch trist, hilft nur die Märchenabteilung. Die Tagesschau wusste also unter dem comedyverdächtigen Titel: „Endlich mal Politik mit Weitsicht“ über die Reise der beiden „LNG-Bettler“ zu berichten: „Die Kanada-Reise von Kanzler Scholz und Vize Habeck endet abgesehen vom Wasserstoffabkommen mit wenig greifbaren Ergebnissen. War sie deshalb ein Flop? Mitnichten, denn es ging vielmehr um weitsichtiges Handeln.“ Na bitte, geht doch. Gas zwar nicht, dafür aber jede Menge weitsichtiges Handeln.
„Ob uns Kanada schon kurzfristig mit Flüssiggas durch den Winter helfen kann, bleibt unwahrscheinlich. Noch gibt es kein LNG-Exportterminal an Kanadas Ostküste. Und der mit Windkraft aus Neufundland und Nova Scotia produzierte ‚grüne‘ Wasserstoff wird frühestens 2025 nach Deutschland verschifft.“ Doch kein Grund zu Traurigkeit, auch nicht zur Sorge oder ähnlichen populistischen Gefühlen, denn Martin Ganselmeier von der ARD gibt die Richtung des Denkens für aufrechte Demokraten vor: „War die Reise nach Kanada also ein aufwendiger Flop? Ich finde: Nein! Diese Kritik träfe nur dann zu, wenn sich Scholz und Habeck in erster Linie als oberste Gaseinkäufer der Nation verstünden. Das aber war nicht Ziel ihrer Kanada-Reise.“

Wie gut, dass wir fast 9 Milliarden Euro jährlich an die Öffentlich-Rechtlichen überweisen! So wissen wir jetzt: Es ging gar nicht um LNG, sondern, ja um was nochmal: „Von Beginn an ging es Scholz und Habeck nicht um kurzfristige Erfolge, sondern um eine mittel- und langfristige Weichenstellung.“ Na also, es ging wieder einmal um die Zukunft. Also um das berühmte Plakat an der Tür der Kneipe: „Morgen Freibier“, oder wie es in der DDR hieß, so wie wir heute arbeiten, so werden wir morgen leben. Es ging also um das Überholen, ohne einzuholen, denn: „Der Ausbau der Energiepartnerschaft mit Kanada war überfällig und hat seit der Zeitenwende neue Dynamik gewonnen.“

Und nun kennt Ganselmeiers Optimismus keine Grenzen mehr: „Die enormen Ressourcen Kanadas und deutsches Know-how – eine Win-Win-Situation für die kommenden Jahrzehnte.“ Geschafft, Klassenauftrag erfüllt, die Reise des Kanzlers und des Vizekanzlers nach Kanada war laut ARD ein großer Erfolg. Dafür kann man die Maske schon einmal zu Hause lassen. Denn: „Unter den vielen denkbaren Alternativen zu Russland ist Kanada jedoch eine der vielversprechendsten. Dass sich Scholz und Habeck intensiv darum kümmern, ist genau das, was wir sonst oft in der Politik vermissen: weitsichtiges Handeln.“ Allerdings gibt es auch die Geschichte von dem Philosophen, der in die Grube stürzt, weil er dauernd in die Sterne schaut.

Ein kurzfristiger Blick auf die Situation des Landes hätte den reiseberauschten Martin Ganselmeier allerdings belehrt, dass Robert Habeck als Wirtschafts- und Energieminister im Grunde schon „oberster Gaseinkäufer der Nation“ ist. Wer sonst, wenn nicht er? Und als „oberster Gaseinkäufer der Nation“ ist Robert Habeck nach Katar und Olaf Scholz nach Norwegen gereist. Ist das der ARD entgangen? Wie der ARD auch entgangen sein dürfte, dass Gas nicht nur in der Stromproduktion benötigt wird, sondern wichtig für die Produktion vieler Güter, beispielsweise auch von Dünger ist.
Zeit, populistisch konkret zu werden: Die Habeck-Umlage auf Gas, die der Vizekanzler vor kurzem aus dem Zylinderhut der Energiewende gezaubert hat, hilft profitablen internationalen Konzernen und plündert die deutschen Gaskunden, Bürger und Firmen aus, für manche, Bürger wie Firmen könnte es das Aus bedeuten, für manche Bürger sogar in doppelter Weise, so zum Beispiel für die Beschäftigten des SKW Stickstoffwerkes Piesteritz, das Dünger und Ad Blue produziert, wenn es im Herbst schließen oder die Produktion herunterfahren müsste.

Laut Reuters gehen 90 Prozent der 34 Milliarden Euro bis April 2024 an Uniper und an SEFE, die frühere Gazprom Germania, sowie ihre Hauptvertragspartner Wingas und VNG. Der Chef von Uniper Deutschland veranschlagte schon mal mehr als 50 Prozent der Habeck-Umlage für sein Unternehmen. RWE habe bisher noch keinen finanziellen Schaden angemeldet. Ein finanzieller Schaden droht nach Angaben des SKW dem Stickstoffwerk in Wittenberg-Piesteritz aufgrund der Habeck-Umlage von 30 Millionen Euro pro Monat, die das Unternehmen nicht aufbringen kann. Für die Beschäftigten träfen privat explodierende Energiepreise, Strom und Gas, dann auf ein vermindertes Einkommen, wenn das Werk wie angekündigt die Produktion herunterfahren muss.

Das SKW Piesteritz ist kein Einzelfall. Der Firmensprecher des SKW forderte, dass das Unternehmen von der Gasumlage befreit werden würde. Zumindest müsse der Gaspreis, wie es in anderen europäischen Ländern geschieht, in Spanien und in Portugal beispielsweise, gedeckelt werden. Sollte das SKW die Produktion einstellen oder merklich drosseln, würde das den ganzen Agro-Chemiepark mit seinen 1700 Mitarbeitern betreffen. Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) kommentierte: „Das wäre natürlich eine fatale Entwicklung für die Stadt und die ganze Region, die sich über 30 Jahre versucht hat, zu entwickeln. Die würde natürlich deutlich zurückgeworfen werden.“ Protestbriefe an Robert Habeck seien bereits geschickt worden.

Das dürfte den Wirtschaftsminister wenig interessieren, wo er doch gerade dabei ist, eine neue Wirtschaft zu erfinden. Vor allem, wie man mit den Ideen von morgen heute schon heizen und Strom produzieren kann. Ganz einfach, durch Sparen. Ein Waschlappen tut es ja auch, wie sein Parteifreund Winfried Kretschmann weiß, weshalb Christian Lindner möglicherweise als Entlastung prüft, ob der Waschlappen von allen Bürgern von der Steuer abgesetzt oder ob der Mehrwertsteuersatz für Waschlappen herabgesetzt werden kann.

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