Keine Macht der Jugend! (Cicero+)
Grundsätzlich werden sich von der Betonung des jungen Alters besonders überzeugende Wirkungen versprochen. Dies wohl, da sich daraus leicht eine künstlich hohe Repräsentanz ableiten lässt. Naturgemäß sind in der breiten politischen Debatte junge Menschen nur wenig vertreten, woraus fälschlicherweise gefolgert wird, der Einzelne repräsentiere seine Generation im gesellschaftlichen Diskurs umso mehr. In Wirklichkeit ist das Gegenteil zutreffend: Je weniger Vertreter einer Bevölkerungsgruppe in der öffentlichen Debatte stehen, desto schlechter wird diese repräsentiert, aber umso leichter ist es dann auch, diese Gruppe irreführend im eigenen Interesse zu vereinnahmen.
Der alte, weiße Mann soll andächtig schweigen
Wird sich der Jugend pauschal zugunsten einer Agenda angenommen, so gerät die Differenzierung in den Sog kollektiver Vereinfachung, wodurch eine ganze Generation ungefragt zum Politikum wird und sie sich damit von ihrem tatsächlichen Wesen emanzipiert. Zwar spiegelt eine Generation in ihrer Gesamtheit immer eine interessengeleitete politische Tendenz wider, welche sicherlich ein Stück weit den altersspezifischen Interessen geschuldet ist, aber dennoch ist der altersbezogene Lebensabschnitt an sich unpolitisch. Das gilt für junge wie für alte Menschen und es zu ignorieren führt letztlich nur dazu, dass ganze Bevölkerungsgruppen schachbrettartig gegeneinander in Position gestellt werden. Entgegen jeder Spielregel wird der Springer zum Bauern degradiert, allein des Lebensalters wegen.
Während der mediale Mainstream und besonders progressive Milieus meine Generation ganz im eigenen Sinne inszenieren, sollen Menschen mit fortgeschrittenem Alter zum Feind des gesellschaftlichen Fortschritts etikettiert werden. So wird die Oma zur „alten Umweltsau“, und der Opa hat als „alter weißer Mann“ ohnehin andächtig zu schweigen, trifft er auf die moralisch voll aufmunitionierte Studienabbrecherin von Mitte zwanzig.
Angst als Argumentationsstruktur
Die Angst vor zukünftigen ökologischen Entwicklungen gilt als Grundlage der Argumentation solcher altersbedingten Selbst- und Fremddarstellungen. In der Eigenwahrnehmung scheint die von Angst geprägte Meinung als unbestrittenes Faktum, ergo in der Auseinandersetzung als unanfechtbar. Mit dieser Angst lässt sich von politischer Inkompetenz bis Extremismus alles rechtfertigen. Ein Beispiel dafür ist der Club der verklebten Straßenblockierer, vermeintlich die „Letzte Generation“.
Wer Angst hat, verschließt sich der Rationalität. Er ist dem
logischen Denken nicht mehr zugänglich, woraus sich folgern lässt, dass
es ihm auch genau darum geht – also um irrationale Angstzustände. In
ihnen meint er die wahre Überzeugungskraft gegenüber der Bevölkerung zu
erkennen. Dabei lässt er durch wahnhafte Pöbeleien seinem Angsttrieb
freien Lauf und kann diesen noch obendrein mit seinem eitlen Drang zur
Selbstinszenierung verbinden. Von Vernunft geprägte Lösungsvorschläge
können demnach schon rein theoretisch nicht in sein Metier passen.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Wenn Politik zum Kasperletheater wird (Ben Krischke)
- Karl Lauterbachs Comedy-Auftritt bei „One Mic Stand“: Einfach nur schlimm. Richtig schlimm (Ulrich Thiele)
- Ideologie und Technik: Die Krux der Energiewende (Daniel Gräber)
- Russische Währung im Höhenflug: Das Rubel-Paradoxon (Ekaterina Zolotova)
- Staatliche „Demokratieförderung“: Mit Geld zugeschüttet (Alexander Marguier)
Meist fehlt dazu aber auch die nötige Kompetenz, was aber auch nur allzu einleuchtend ist. Denn naturgemäß ist man aufgrund des jungen Alters in seinen Möglichkeiten der bisherigen beruflichen Karriere und den Lebenserfahrungen beschränkt. Vielleicht fühlt man sich ja deshalb, ob nun bewusst oder unbewusst, geradezu gezwungen, sich den Mitteln der inhaltsleeren Empörung durch Angst zu bedienen. Schließlich ist sie letzten Endes die Eintrittskarte zur intellektuellen Debatte unseres Landes.
Kultische Repräsentanz
Mit dem im Jahre 2018 aufkommenden Trend, freitags der Schule fern zu bleiben, um sich der Fridays-for-Future-Protestbewegung anzuschließen, brach geradezu ein Hype um die Initiatorin jenes Phänomens aus. Greta Thunberg – „die aufrüttelnde Stimme der Jugend“. Nie wurde sie öffentlich prominent kritisiert oder hinterfragt – nicht aus der Politik, aber schon gar nicht aus der Sphäre des Medienspektrums. Endlich würden sich junge Stimmen laut machen, hieß es. Um ihre Zukunft gehe es schließlich. Nur wurde Greta zu keinem Zeitpunkt von meiner Generation demokratisch legitimiert. Damit zeigt uns Thunberg die Praxis kultischer Repräsentanz auf: Stellt ein politischer Akteur den Anspruch, eine Generation ohne demokratische Wahl repräsentierend zu vertreten, dann ist es für die Unterstützer seiner Sache ein Leichtes, einen Personenkult zu initiieren.
Hat dieses politische Milieu ausreichend medialen Einfluss, so gilt der Überstilisierte schnell als allwissend. Unumstritten würde er ökologische Komplexitäten in einen leicht fassbaren politisch-ökonomischen Zusammenhang einzuordnen wissen und habe deshalb das Recht, das Absolute zu fordern. Aktuell kommt das durch Forderungen wie die zur radikalen Energiewende, zu den staatlichen Eingriffen in die Automobilindustrie oder das Privatvermögen einzelner Reiche respektive das Erbrecht zum Ausdruck. Die Argumentation wird dabei vom schweren Gewicht der Überzeugungskraft gestützt, das sich aber nicht in der Gestalt fachlicher Kompetenz, sondern in der schwammigen Silhouette einer angeblich besonders hohen Repräsentanz zeigt.
Hinzu kommt, dass die im Mittelpunkt des Kultes stehende Person immer ein weltanschauliches Ideal verkörpert. Ein Ideal des Engagements für die Sache, der geradezu religiösen Selbstlosigkeit und des ideologischen Sachverständnisses. Damit wird sie zum idealisierten Politstar; es entsteht eine überaus spezifische Medienpräsenz.
Berufliche Selbstverwirklichung
Wie erstrebenswert auch viele Ziele der Umweltbewegungen mir selbst erscheinen, so sind doch ihre Lösungsvorschläge recht selten von Weitsicht geprägt. Sie mögen doch manchmal vorrangig darauf ausgerichtet sein, durch eindimensionale Übertreibungen öffentlich wahrgenommen zu werden und mithin eigennützige Vorteile im Sinne des eigenen machtpolitischen Aufstieges aus ihnen zu gewinnen.
Das Mittel, sich als Vertretung einer gesamten Generation aufzuspielen, dient dann dem Zwecke des individuellen Bedürfnisses nach Selbstverwirklichung. Dafür flieht man vom Schlachtfeld der freien Wirtschaft in den von der Wirklichkeit abgegrenzten Schutzraum moralisierender Politik, in dem jeder auch ohne größere fachliche Qualifikation problemlos aufsteigen kann. Zumindest solange man jung und auf Linie grün ist, aber im Idealfall einer gesellschaftlichen Minderheit angehört. Durch die Politisierung solcher Attribute ist es erst möglich, sich aus ihnen besondere Kompetenzen herzuleiten.
Es gilt kreislaufartig: Je präsenter die Thematik des Klimawandels ist, desto präsenter werden auch die Vertreter der vermeintlich durchweg grünen Jugend. Denn umso leichter ist es für sie, als Repräsentanten einer Generation politisch aufzusteigen und sich dementsprechend selbst zu verwirklichen. Das führt wiederum zur steigenden Präsenz des Themas und sorgt dafür, dass das Bild der Jugend fortlaufend verzerrt wird.
Repräsentierte Unwahrheit
Umweltpolitische Forderungen wie die aus dem linken Spektrum werden einige Teile meiner Generation nie repräsentieren können. So haben die meisten meiner Gleichaltrigen Ambitionen, Ziele und Wünsche, die sich schlichtweg nicht mit den Zehn Geboten des grünen Konsumverzichts decken: So möchten einige junge Menschen die Welt bereisen, sich den Kindheitstraum eines unvernünftigen V8-Sportwagens erfüllen, sich ein Einfamilienhaus bauen, eine klassische Familie gründen oder einfach mit Freunden gemeinsam ohne Gewissensnot Steaks grillen. Ist das verwerflich? Oder hat nicht auch die jüngste Generation ein Recht darauf, die Umwelt wenigstens doch noch zu einem Bruchteil dessen zu belasten, wie es hier nun schon seit Generationen guter Brauch war?
Der Staat müsste meiner Generation durch eine funktionierende Bildungs- und Wirtschaftspolitik die Werkzeuge zur technischen Innovationskraft und wirtschaftlichen Wachstumsentwicklung an die Hand geben, anstatt sie zu erziehen und damit ihrer freien Entfaltung im Wege zu stehen. Nur so würde man uns die Chance geben, der Erderwärmung effektiv entgegenzuwirken und unsere eigene Lebensgrundlage zu sichern.
Ich als 17-jähriger Schüler fühle mich jedenfalls politisch dem 70-jährigen Wolfgang Bosbach um ein Vielfaches näher als der ach so hippen Berufsjugendlichen Emilia Fester und den übrigen Spaßbremsen Greta, Luisa und Timon. Denn diese spiegeln genauso wenig die politische Meinungsstruktur der jungen Generation wider, wie es mir hier in diesem Gastbeitrag gelingen könnte.
Keine Macht der Jugend!
Keine Macht den Alten!
Alle Macht den Kompetenten!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen