Marc Felix Serrao, Berli, 10.08.2022
Wenn
die Nachrichtenlage schwierig ist, können eigene, positive Nachrichten
helfen. Das mag sich Deutschlands Kulturstaatsministerin Claudia Roth
gedacht haben, als sie dieser Tage verkündete, den «unabhängigen Journalismus» im Land mit 2,3 Millionen Euro zu fördern.
Gerade noch hatte die 67-Jährige wegen der judenfeindlichen Bilder auf
der Documenta medial in der Kritik gestanden; die «Jüdische Allgemeine»
hatte ihren Rücktritt gefordert. Und nun empfiehlt sich Roth als
Förderin von kritischen Beobachtern. Souverän, könnte man meinen.
Bei
näherer Betrachtung werfen die Steuermillionen, die an zehn
unterschiedliche «Projekte» gehen, allerdings Fragen auf. Einmal
grundsätzlich: Kann Journalismus, der Geld von der Regierung erhält,
unabhängig sein? Einmal konkret: Dient das, was die Empfänger tun,
tatsächlich der «strukturellen Stärkung des Journalismus», wie es die
Regierung formuliert?
Eigenes Geld macht unabhängig
Die
erste Frage ist rasch beantwortet. Wirklich unabhängig ist naturgemäss
nur, wer finanziell auf eigenen Füssen steht; in dieser Hinsicht
unterscheidet sich das Leben einer Redaktion nicht vom Leben an sich.
Wer mit seiner Berichterstattung eine ausreichende Zahl von Menschen
davon überzeugt, zu zahlenden Kunden zu werden, kann von sich behaupten,
unabhängigen Journalismus zu betreiben. Und wer als Journalist Geld von
der Regierung braucht, ist von ihr abhängig – egal, wie sehr er diesen
Zustand rhetorisch zu vernebeln versucht.
Dass
Journalismus, der unabhängig ist, anspruchsvoll sein kann, beweist im
deutschsprachigen Raum bis heute eine ganze Reihe privatwirtschaftlicher
Verlage. Es geht sehr gut ohne den Staat.
Natürlich
kann auch in einem Abhängigkeitsverhältnis ordentlicher Journalismus
betrieben werden. Beispiele sind Journalistenschulen, die sich von
staatlichen Institutionen mitfinanzieren lassen, oder auch einzelne
Mitarbeiter und Redaktionen der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten
in Deutschland. Gewiss, das Geld von ARD, ZDF und Co. kommt nicht vom
Staat, sondern von den Bürgern. Aber wenn diese selbst entscheiden
könnten, ob sie zahlen, dann müssten die Sender morgen dichtmachen.
Für
den Geldfluss sorgt wiederum der Staat, mal in Form des
Verfassungsgerichts in Karlsruhe, mal in Form der Landesparlamente, die
noch jede Beitragserhöhung bewilligt haben. Staatsfern? Warum sitzen
dann – nur ein Beispiel von sehr vielen – gleich vier Ministerpräsidenten im ZDF-Verwaltungsrat?
Nach
dieser kleinen Klarstellung nun zu den Projekten, die sich über Geld
von der deutschen Regierung freuen können. In der Liste folgt eine
wohlklingende Beschreibung auf die nächste. «Sensible Recherchen und
Quellenschutz – Digitale Sicherheit von Journalist:innen und ihren
Informant:innen» heisst ein Vorhaben der Universität Hamburg. Der Verein
für Medien- und Journalismuskritik strebt die «Realisierung eines
Online-Portals zur Förderung der Gemeinnützigkeit im Journalismus» an.
Und die bereits existierende gemeinnützige Correctiv GmbH will
«Lokaljournalismus qualifizieren, Demokratie stärken!».
Recherchen
fördern? Gute Sache, erst recht, wenn sie «sensibel» sind. Demokratie
stärken? Sowieso. Aber noch einmal, warum braucht es dafür Steuergeld?
Es gibt im deutschsprachigen Raum, wie gesagt, genügend unabhängige
Medien, die beweisen, dass es aus eigener Kraft geht. Treffer für Claudia Roth
Die
freundliche Antwort lautet: Weil Frau Roth es einfach gut meint. Die
weniger freundliche Antwort lautet: Weil es möglicherweise auch darum
geht, eine Form von Publizistik zu fördern, die politisch im Sinne der
regierenden Geldgeber ist. Sucht man bei Google beispielsweise nach
«Correctiv» und «Claudia Roth», erhält man auf den ersten Blick nur
Treffer, über die sich die Grüne freuen kann.
Oktober 2018: «Wieder kursiert ein falsches Zitat von Claudia Roth auf Facebook»;
Mai 2019: «Falsches Zitat von Claudia Roth zu Deutschen und ‹Nicht-Migranten› im Umlauf»;
Oktober 2019: «Falsches Zitat von Claudia Roth neu aufgewärmt»;
August 2020: «Silvesternacht 2015: Keine Belege, dass Claudia Roth die Übergriffe als Hilferuf Geflüchteter bezeichnet hat»;
September 2021: «Erfundenes Claudia-Roth-Zitat über Haustiere und Flüchtlinge».
Gewiss,
Falschnachrichten im Netz sind ein Ärgernis, und Frau Roth war davon,
wie viele andere Politiker auch, oft betroffen. Aber so ausdauernd wie
vom «Recherchezentrum» Correctiv dürfte sie sonst nur von ihren
Mitarbeiterinnen verteidigt werden.
Die
Staatsministerin betont, dass alle Förderentscheidungen «zur Wahrung
der Staatsferne» von einer unabhängigen Jury beurteilt würden. Doch auch
unter den anderen Auserkorenen fällt niemand ins Auge, der schon einmal
auf eine Weise berichtet hätte, die Frau Roth oder ihrer Partei
missfallen könnte.
200 000 Euro für Ferda Atamans Verein
Die
«Neuen deutschen Medienmacher*innen» etwa verteidigten die Grüne, als
sie wegen ihrer Kontakte zum antisemitischen Regime in Iran kritisiert
wurde. «Eilmeldung: Antisemitismus durch Claudia Roth in Deutschland
salonfähig», höhnten sie – und ergänzten, dass landesweit «schallendes
Gelächter» in den Gräbern unter anderem von Kurt Georg Kiesinger sowie
in AfD-Parteizentralen vernommen worden sei.
Die
«Medienmacher*innen», deren frühere Vorsitzende Ferda Ataman übrigens
auch in der besagten unabhängigen Jury sitzt und die von den Grünen
gerade erfolgreich ins Amt der Bundesbeauftragten für
Antidiskriminierung gebracht wurde, erhalten in diesem Jahr eine
Förderung von bis zu 200 000 Euro.
Frau
Ataman habe selbst weder an der Beratung noch an der Abstimmung über
das Projekt der «Medienmacher*innen» teilgenommen, teilte eine
Regierungssprecherin auf Anfrage mit. Das war, wie man sieht, nicht
nötig. Das Geld fliesst auch so.
Zur Erinnerung: Die «Medienmacher*innen» sind der Verein, der Spiegel TV wegen
dessen investigativer Recherchen zur Clankriminalität in Deutschland
einen Schmähpreis namens «Goldene Kartoffel» verliehen hat. Eine
Jury, die in einer solchen Organisation «Pfeiler und Stütze der
Demokratie» (Claudia Roth) erkennt, kann kein richtiger Journalist ernst
nehmen.
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