Gas für Deutschland? Fehlanzeige! (Cicero+)
Das hat vor allem mit der Tatsache zu tun, dass der LNG-Markt traditionell auf sehr langfristigen Kundenbeziehungen basiert. Neue LNG-Verflüssigungsanlagen in Produzentenländern gehören zu den größten Infrastrukturinvestitionen überhaupt. Eine moderne Anlage kann bis zu 20 Milliarden Dollar kosten. Ein solches Projekt – noch dazu häufig in instabilen Risikoländern – wird von den Banken nur dann finanziert, wenn bei Baubeginn bereits 80 bis 90 Prozent der erwarteten Produktionsmengen für die Lebensdauer des Projekts verkauft sind. Es ist daher üblich und notwendig, dass Gasabnehmer Verträge von 20 Jahren Laufzeit und mehr zeichnen. Damit für beide Seiten der Preis planbar ist, wird in der Regel der LNG-Preis als Funktion des Rohölpreises monatlich neu kalkuliert.
Weltweit werden jährlich rund 500 Milliarden Kubikmeter Gas in Form von LNG erzeugt. Davon stammen rund 50 Milliarden aus Russland. Der verfügbare Markt beträgt also circa 450 Milliarden Kubikmeter. Weil der Energieaufwand des Transports und die Transportverluste zu groß wären, sind zudem vor allem asiatische Lieferländer als Quellen für Deutschland praktisch ausgeschlossen. Da zudem der Großteil der Mengen langfristig verkauft ist, bleibt ein Markt von maximal 45-90 Milliarden Kubikmeter für alle Kunden weltweit, die am Spotmarkt gehandelt und kurzfristig aufgekauft werden können. Politische Beziehungen helfen dabei nicht. In diesem klar strukturierten Markt erhält derjenige Käufer den Zuschlag, der den höchsten Preis bezahlt. Konkurrent ist dabei nicht zuletzt Japan, das daran gewohnt ist, auch in Friedenszeiten oft den doppelten Preis für Gas zu bezahlen, der in Europa üblich ist.
Planbare Versorgung mit Gast sieht anders aus
Daraus ergeben sich auch die Gründe, warum eine Reise des
Wirtschaftsministers nach Katar von Anfang an zum Scheitern verurteilt
war: Um in neue Verflüssigungsanlagen investieren zu können, benötigt
die dortige Regierung wie alle anderen auch die Zusage langfristiger
Abnahmen. Zwanzigjährige Verträge werden aber die privaten
Energieversorger aus Deutschland nicht zeichnen können, weil sie als
vergleichsweise kleine Händler diese Preis- und Mengenrisiken nicht ohne
Unterstützung in die Bücher nehmen können. Und auch für kurzfristige
Spotmengen aus Katar wäre eine Politikerreise nicht notwendig gewesen:
Die Handelsgesellschaften der deutschen Gasimporteure sind mit den
Verfahren vertraut, in einzelnen Verkaufsverfahren Gasmengen am
Spotmarkt in Afrika oder dem Nahen Osten zu kaufen. Den Zuschlag werden
sie allerdings nur erhalten, wenn sie bei jeder einzelnen Transaktion
den höchsten Preis bieten. Planbare Versorgung mit Gas für Deutschland
sieht anders aus.
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Italien hat einen anderen Weg gewählt und scheint damit erfolgreich. Die Regierung ist gemeinsam mit ENI zu den afrikanischen Produzentenländern gereist, wo einige Verflüssigungsanlagen noch freie Mengen haben. Auch hier wird es in vielen Fällen noch ein oder zwei Jahre dauern, bis substantielle Exporte zur Verfügung stehen. Italien hat dennoch bereits in Angola und im Kongo, in Ägypten und Algerien Vereinbarungen abgeschlossen und Deutschland damit diese Mengen vor der Nase weggeschnappt. Senegal und Nigeria hätten noch Möglichkeiten, zumindest in zwei Jahren zu liefern. Angebote dazu liegen auf dem Tisch. Konkrete Gespräche mit Deutschland? Bislang Fehlanzeige.
Nichts könnte wichtiger sein für die Wirtschaft
Was wäre also zu tun? Ganz offensichtlich herrscht bei der Beschaffung von langfristigen LNG-Lieferungen gleichzeitig Politik- und Marktversagen. Die Interessen der Energieversorger bestehen darin, ihren Handelsgewinn zu maximieren und dabei Risiken von überschaubarer Höhe und Dauer einzugehen. Es besteht kein Anreiz, durch den Abschluss von riskanteren Langfristverträgen Versorgungssicherheit zu gewährleisten, weil die Versorgungssicherheit Deutschlands nicht vergütet wird. So zu agieren, ist nicht nur rational, sondern sogar die gesetzliche Pflicht von Händlern. Insofern müsste die Bundesregierung hier eingreifen und entweder den privaten Unternehmen einen Teil dieser Risiken abnehmen, beispielsweise durch Bürgschaften und Garantien, oder aber selbst als Vertragspartner auftreten.
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