26 August 2022

Business Class Edition: Gasumlage: Habecks Rohrkrepierer

Business Class Edition: 

Gasumlage: Habecks Rohrkrepierer
Guten Morgen,
ein Rohrkrepierer ist laut dem Duden ein Geschoss, das im Rohr krepiert, bevor es die Waffe verlassen hat. Was nicht im Duden steht: Wirtschaftsminister Robert Habeck ist der unglückliche Kanonier, den die Ampel-Koalition in den Schützengraben geschickt hat. Das von seinem Ministerium designte Geschoss fliegt ihm gerade um die Ohren.
Das Geschoß sieht aus wie eine Rechtsverordnung, die ab Oktober alle Gaskunden zu einer Zwangsumlage für die Importeure verpflichten will. Sie gilt als handwerklich miserabel ausgearbeitet, krass unsozial und möglicherweise verfassungswidrig.
Der Reihe nach: Die Regierung will mit der Umlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde, die alle Gaskunden – egal ob Industrie oder Privathaushalte – ab dem 1. Oktober zahlen müssen, einen Rettungsschirm für die Gasimporteure spannen.

Denn der Preis für Gas ist seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine und der Drosselung der russischen Gaslieferungen auf ein Rekordhoch gestiegen, um 225 Prozent legte das niederländische TTF-Gas seit Jahresbeginn zu. Die Importeure können die dramatisch gestiegenen Einkaufspreise nicht an alle Kunden weiterreichen, da die Stadtwerke zum Beispiel langfristige Verträge zu festen Tarifen abgeschlossen haben. Deshalb droht den Importeuren Ungemach. 
Habeck hat neuerdings ein Herz für Gas-Importeure. Er kündigte an, dass ab Oktober die Gasversorger die höheren Importkosten de facto auf die Endverbraucher, also Unternehmen und Privathaushalte, umlegen dürfen.
Knapp 34 Milliarden Euro sollen durch eine Gasumlage beim Gaskunden eingesammelt werden.
Diese Gasumlage sollte der Minister aus fünf Gründen schnell wieder einstampfen lassen.
Erstens: Die Umlage belohnt den Trickreichen. Von den elf Energiefirmen, die nach ersten Schätzungen unterstützt werden sollen, sind die wenigsten auf staatliche Hilfe angewiesen. Sie gelten als betriebswirtschaftlich gesund. Sie handeln mit Gas – aber nicht nur. Sie wissen, wie man Risiken, auch Preisrisiken, managt.
Zweitens: Die Umlage bestraft die kleinen Leute. Sie wird vor allem jenen teuer zu stehen kommen, die als Geringverdiener überproportional viel ihres Haushaltseinkommens für Energie ausgeben müssen.
Die von der Bundesregierung im Gegenzug als Entlastung angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas wird nach Einschätzung von Ökonomen diese Belastung nicht kompensieren.
In seltener Einmütigkeit – von ordoliberal bis links – kritisieren die Wirtschaftswissenschaftler die Habecksche Idee. Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, sagt:

Es ist widersprüchlich, Gaspreise erst durch eine Umlage zu erhöhen und sie dann durch eine Umsatzsteuersenkung wieder zu verbilligen.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, ergänzt:

Die Bundesregierung gibt an, die finanzielle Entlastung durch die geringere Mehrwertsteuer kompensiere die höheren Kosten durch die Gasumlage. Frage: Wieso trägt die Bundesregierung die Gasumlage dann nicht selbst und spart sich viel zusätzlicher Bürokratie und Unsicherheit?

Drittens: Es gibt in Wahrheit keine Mehrheit mehr für diese Umlage. In der Ampel bröckelt die Unterstützung; vor allem in der SPD-Linken rumort es. Die Opposition ist ohnehin längst dagegen. Sie will im Bundestag spätestens Anfang März eine namentliche Abstimmung zur Gasumlage beantragen, um die Ampel unter Druck zu setzen. Die Verordnung kann noch vom Bundestag gestoppt werden. CDU-Fraktionsvize Jens Spahn sagt:

Die Koalition sollte sagen: Sorry, wir haben uns geirrt. Das ist eine Umverteilung von unten nach oben.

Viertens: Die Umlage ist ein Inflationstreiber erster Güte. Sie verteuert die Energie, ohne die Leistung zu verbessern. Genau das beschreibt den Vorgang der Geldentwertung. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Klima-Union, Thomas Heilmann, hat's gemerkt:

Die Umlage ist krass unsozial und sie erzeugt weitere Preissteigerungen.

Fünftens: Verfassungsrechtler halten die Umlage für rechtswidrig, weil sie in bestehende Verträge eingreift und auch jene Unternehmen eine staatliche Zuwendung erhalten, die nicht existenziell gefährdet sind.
Unsere Redaktion sprach gestern mit dem früheren EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Treffender als er kann man das Gesetz nicht zusammenfassen:

Unausgegoren. Ein Schnellschuss. Sollte nachgebessert werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen