Eine
 Analyse von Eisbohrkernen liefert Hinweise darauf, wie oft man mit 
klimaverändernden Eruptionen rechnen muss. Eine international 
koordinierte Vorbereitung auf dieses Risiko fehlt bisher.
 Sven Titz   
Als
 Anfang des Jahres ein Vulkan im Inselstaat Tonga ausbrach, beobachteten
 Klimaforscher das mit Argusaugen. Denn die ersten Satellitenaufnahmen 
wiesen eine riesige Wolke aus Asche und Gasen nach, die bis in die 
Stratosphäre aufstieg. Aus dem Schwefeldioxid in solchen Wolken 
entstehen Partikel, die die Sonnenstrahlung abschirmen.
Handelt
 es sich um große Mengen, kann es auf der Erde merklich kälter werden. 
Sehr bekannt ist die heftige Eruption des Tambora in Indonesien im Jahr 
1815. In der Folge fiel 1816 in Europa der Sommer aus. Die Temperatur 
über den Landflächen sank weltweit um ungefähr ein Grad Celsius. 
Nach
 dem Ausbruch auf Tonga in diesem Jahr gab es aber rasch Entwarnung; die
 herausgeschleuderten Schwefelmengen waren zu gering, als dass sie sich 
stark auf das Klima hätten auswirken können.
Doch
 die Wahrscheinlichkeit, dass erneut irgendwo auf der Erde eine Eruption
 wie die von 1815 auftritt, ist grßser als gedacht. Das geht aus einer 
neuen Studie von Forschern um Michael Sigl von der Universität Bern 
hervor, die in der Zeitschrift «Earth System Science Data» erschienen ist.
Der Ausbruch des Tambora war nicht der kräftigste
Das
 Team analysierte Bohrkerne aus dem Eis von Grönland und von der 
Antarktis. Darin sind Spuren von schwefelhaltigen Partikeln konserviert,
 die nach Eruptionen bis in die Polargebiete verfrachtet wurden. Sie 
erlauben Rückschlüsse auf frühere Vulkanausbrüche. Die Forscher um Sigl 
haben anhand dessen ermittelt, wie oft Eruptionen verschiedener Stärke 
in der Vergangenheit aufgetreten sind.
«Noch
 vor wenigen Jahrzehnten dachte man, der Tambora-Ausbruch sei der 
stärkste der vergangenen 13 000 Jahre gewesen», sagt Sigl. Entsprechend 
selten, so wurde vermutet, treten solche Ereignisse auf.
Doch
 nach und nach wurden in der Vergangenheit immer mehr große Eruptionen 
entdeckt. Die Forscher stellten fest, dass es solche Ereignisse 
vielleicht ein- bis zweimal pro Jahrtausend gibt. Die neue Auswertung 
der Eisbohrkerne zeigt jetzt: Eruptionen, die ähnlich große 
Schwefelmengen wie der Tambora in die Atmosphäre beförderten, haben sich
 im Durchschnitt alle 422 Jahre wiederholt.
Grosse Vulkanausbrüche sind selten, kommen aber regelmässig vor
Vulkanologen berechnen die Wiederkehrzeit von Ausbrüchen normalerweise 
jeweils für jeden Vulkan einzeln – indem sie das herausgeschleuderte 
Material ringsum datieren. «Doch je weiter sie zurückschauen, desto 
weniger wissen sie», erklärt Sigl. Wegen der Erosion sei nach 10 000 
Jahren nicht mehr viel übrig, vor allem in den Tropen.
Bei
 den Eisbohrkernen sieht das anders aus. Denn das Eis konserviert die 
schwefelhaltigen Partikel von Vulkanausbrüchen hervorragend. Darum seien
 die Bohrkerne für die Schätzung von Wiederkehrzeiten so gut geeignet, 
sagt der Berner Forscher.
Die
 Rekonstruktion verrät auch, dass in der Zeit vor 11 500 bis 9000 Jahren
 deutlich mehr Vulkaneruptionen auftraten als in den letzten 2500 
Jahren. Die Ursache ist laut den Forschern das Abschmelzen der grossen 
Eisschilde gewesen. Weil sich dadurch gegen Ende der Eiszeit der Druck 
verringerte, nahm vorübergehend die Schmelzrate in der Erdkruste zu und 
damit auch die Vulkanaktivität. «Das passierte hauptsächlich in 
Gebieten, die zuvor vergletschert gewesen waren, zum Beispiel auf 
Island, in Alaska und auf der Halbinsel Kamtschatka», sagt Sigl.
Etwas
 Ähnliches könnte sich in Zukunft wiederholen. Dann nämlich, wenn die 
Gletscher und Eisschilde der Erde immer weiter abschmelzen. Doch bis die
 Erdkruste auf die Entlastung reagiert, dauert es Jahrhunderte.
Die Ernte könnte vielerorts ausfallen
Aber
 auch für gegenwärtige vulkanische Risiken ist die neue Studie relevant:
 Die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwischen 2022 und 2050 eine Eruption 
mit den Ausmassen von Tambora ereignet, beträgt zum Beispiel ungefähr 6 
Prozent, wenn man die ermittelte Wiederkehrzeit zugrunde legt. 
Der
 Ernstfall hätte weitreichende katastrophale Konsequenzen: Der 
Flugverkehr würde zusammenbrechen, Systeme für die Telekommunikation und
 die Navigation könnten ausfallen, und Ernteerträge sänken drastisch ab.
Auch
 Ausbrüche, die weniger stark wären als jener von Tambora, könnten 
gravierende weltweite Folgen haben, sofern sie in einer Region 
auftreten, deren Infrastruktur empfindlich und zugleich für die 
Weltwirtschaft relevant ist. Das berichteten Forscher um Lara Mani vom 
Centre for the Study of Existential Risk an der University of Cambridge 
im vergangenen Jahr in der Zeitschrift «Nature Communications». Mit solchen Ereignissen muss man noch öfter rechnen als alle 400 Jahre.
Schon
 seit einer Weile weisen Vulkanologen darum immer wieder mahnend darauf 
hin, es sei nötig, Vorbereitungen für Ausbrüche mit globaler Wirkung zu 
treffen. Bis anhin gibt es nur nationale oder regionale Pläne. Nach dem 
Ausbruch des Eyjafjallajökull in Island, der 2010 ein Flugchaos 
verursachte, wurde zum Beispiel die European Aviation Crisis 
Coordination Cell gegründet, um ein ähnliches Durcheinander beim 
nächsten Mal zu vermeiden. Doch eine globale Übereinkunft, wie man bei 
einem heftigen Ausbruch mit weltumspannenden Folgen vorgehen würde, 
existiert derzeit nicht.

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