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Von Unabhängigkeit jedenfalls kann oft keine Rede mehr sein. Höchste
Zeit also, dass auch die Politik auf das Thema aufmerksam wird. Denn ein
unabhängiger Journalismus, so sagt es nicht nur Claudia Roth, ist
Pfeiler und Stütze der Demokratie. An dieser Stelle aber enden auch
schon die wesentlichen Übereinstimmungen zwischen der grünen
Kulturstaatsministerin und den um echte Unabhängigkeit bemühten
Medienrezipienten. Denn um die Autonomie der Berichterstattung wieder
herzustellen, hat die Ampel-Koalition in diesem Jahr ein Programm
aufgelegt, das jeden um freie Berichterstattung wirklich besorgten
Bürger um den Schlaf bringen sollte: Die Bundesregierung, so heißt es in
einer Mitteilung aus der vergangenen Woche, unterstützt fortan mit rund
2,3 Millionen Euro aus dem Etat für Kultur und Medien zehn Projekte zum
Schutz und zur strukturellen Stärkung des Journalismus.
Geld als Versuchung
Für viele ist damit eine Grenze überschritten. Denn nicht zuletzt das
Bundesverfassungsgericht hat in einer mittlerweile 61-jährigen
Rechtsprechungstradition immer wieder auf die sogenannte Staatsferne von
Rundfunk und Medien hingewiesen. „Staatsferne“, so heißt es in einer
Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung aus
dem November 2016, bedeute zunächst aber, „dass der Staat selbst nicht
die Funktion des Rundfunkbetreibers übernehmen darf. Er darf aber auch
keinen bestimmenden Einfluss auf die Programmgestaltung oder die
Programminhalte nehmen können“.
Nun sind 2,3 Millionen Euro sicherlich noch kein bestimmender
Einfluss – zumal die Bundesregierung nicht Zeitungen, Magazine oder
Rundfunkanstalten direkt mit dem warmen Geldsegen beglückt. Aber sie
sind eine Versuchung. Denn die Förderungen fließen an „Modellprojekte,
die möglichst viele unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen
adressieren und den Journalismus in seinen Strukturen stärken“ sollen.
Zu diesen Projekten zählen etwa die Neuen Deutschen Medienmacher*innen,
das Netzwerk Recherche oder das Essener Recherchezentrum Correctiv.
Unabhängigkeit ist eine Drehtür
Insgesamt zehn Projekte aus 31 Förderanträgen wurden so bedacht.
Ausgewählt von einer Fachjury, in der u.a. Renate Schroeder, Direktorin
der Europäischen Journalisten Föderation, der Dortmunder
Journalistikprofessor Frank Lobigs, aber auch die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman,
saßen. Besonderes Schmankerl: Letztere war zum Zeitpunkt der
Jury-Sitzung im Mai 2022 noch Vorsitzende der Neuen Deutschen
Medienmacher*innen, just jenes Vereins also, der später mit zu den
glücklichen Gewinnern zählte. Und nicht nur das: Auch zwei weiteren
Jurymitgliedern – Henriette Löwisch, Leiterin der Deutschen
Journalistenschule, sowie Wolfgang Schulz von der Universität Hamburg –
schien nichts besseres einzufallen, als die eigenen Institutionen an den
staatlichen Fördertopf zu bringen. Ein wenig ist es also, als hätte
sich die Schwedische Akademie den Literatur-Nobelpreis gleich selbst
verliehen. Unabhängigkeit ist mithin eine Drehtür.
Doch man sollte es mit der Freiheit und den Medien ohnehin nicht
allzu genau nehmen. Andernfalls stieße man ja bald wie
selbstverständlich auf die eigentliche Gretchenfrage: Freiheit wofür?
Unabhängigkeit wovon? Wie bei allen Freiheits- und Gleichheitsrechten,
die jedem Bürger im ersten Abschnitt des Grundgesetzes zugesprochen
werden, ist ja schließlich auch die in Artikel 5 festgelegte Meinungs-
und Verbreitungsfreiheit von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes
ursprünglich einmal als Abwehrrecht gegen den Staat gedacht gewesen. Es
ging also um die Unabhängigkeit vom Leviathan selbst, die unter anderem
eben auch mittels Pressefreiheit gewährleistet werden sollte.
Wenn dieser Leviathan nun aber nun ausgerechnet in Gestalt der
Exekutive als fast schon willkürlicher Mäzen all jene bedenkt, die ihm
tagespolitisch wohlgesonnen sind – und der Verdacht liegt bei einigen
der jetzt geförderten Medienprojekte ja durchaus im Raum –, dann ist die
hehre Unabhängigkeit endgültig flöten. Wohin das am Ende führen kann,
das beweist nicht zuletzt ein Blick nach Österreich. Dort hatte die
Inseraten-Politik des im Dezember gestürzten Ex-Kanzlers Sebastian Kurz
(ÖVP) die bei unserem südlichen Nachbarn ohnehin sehr ausgeprägte
Neigung zur Pressesubvention zur Explosion gebracht. Aus einer
eigentlich freien Presse hat sich Partei-, ja am Ende sogar
Regierungspropaganda entwickelt. Claudia Roth hat somit Recht: Der
unabhängige Journalismus ist in Gefahr. Das Rumgefinger der Regierung
aber wird ihm endgültig den Garausmachen.
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