Perfide Panik-Kommunikation (Cicero+)
Bisher ist das Konzept noch sehr vage. Einen detaillierten Text, der
rechtlich verwertbare Formulierungen enthält, haben die beiden Minister
der Öffentlichkeit noch nicht vorgelegt. Trotzdem lassen sich die
Eckpunkte des Plans erkennen. Die Reaktionen in der Öffentlichkeit waren
verheerend. Zahlreiche Verbände kritisierten völlig zu Recht einzelne
Regelungen im Detail. Auch bei der Gesamteinschätzung herrscht keine
Einigkeit. Manchen ist das Konzept zu vorsichtig und liberal. Andere
halten es für freiheitsfeindlich und unnötig. Bisher wenig beleuchtet
wird die Grundidee, die hinter diesem Konzept steckt und es prägt.
Im Zentrum des Konzepts stehen die Maske und der Corona-Test. In vielen Bereichen sollen Maskenpflichten
gelten. Testpflichten sollen hinzukommen. Wenn dieses Konzept umgesetzt
würde, hinge der Zugang zum öffentlichen Leben vom Maskentragen und vom
Testen ab – oder, aber nur zeitlich begrenzt, vom Impfen.
Masken tragen und testen – das klingt auf den ersten Blick harmlos und vernünftig. Schaut man genauer hin, wird es aber problematisch. Vor allem die FFP2-Maske hat – vor allem bei langem Tragen – durchaus gesundheitliche Auswirkungen. Nicht ohne Grund sah der Arbeitsschutz deshalb vor der Coronazeit vor, dass eine solche Maske höchstens 75 Minuten ohne längere Pause getragen werden darf.
Maske und Test = Angst
Maske und Test sind aber vor allem deshalb problematisch, weil sie eine Angstspirale in der Gesellschaft immer wieder in Gang halten. Das ist gefährlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Funktionieren der Demokratie.
Angst ist wichtig und erfüllt eine wichtige Funktion in der menschlichen Evolution. Sie warnt vor Gefahren und macht vorsichtig, wenn es nötig ist. Dadurch sichert sie im Extremfall das Überleben. Die Angst muss aber in einem vernünftigen Verhältnis zur real existierenden Gefahr stehen. Sonst wird sie nur destruktiv. Sie beschädigt die psychische Gesundheit, menschliche Beziehungen, private und öffentliche Kommunikationen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und nicht zuletzt den demokratischen Diskurs. Wer genau hinschaut, kann das in den letzten Jahren der Pandemie in Deutschland entdecken.- Neues Infektionsschutzgesetz - 3G durch die Hintertür oder: Wie die FDP endgültig ihr F verlor (Jessica Hamed)
- Neues Infektionsschutzgesetz - Der Sieg der German Corona-Angst (Philipp Fess)
- Klaus Stöhr im Gespräch mit Ralf Hanselle - Cicero Gesellschaft Podcast: „Wissenschaftler haben Verantwortung“
- Letzte Chance Untersuchungsausschuss? - Corona-Aufarbeitung: Die ungestraften Verfehlungen der Pandemiepolitik (Philipp Fess)
- Postdemokratie - Die Not-Ständegesellschaft (Matthias Heitmann)
Epidemiologisch und medizinisch ist die Corona-Lage im Augenblick entspannt. Die Inzidenz ist hoch, die Erkrankung aber weitgehend harmlos. Die reale Gefahr ist gering. Es gibt auch keine ernsthaften, wissenschaftlich fundierten Anzeichen dafür, dass sich eine „Killervariante“ entwickelt, die im Herbst wüten wird. Unsere europäischen Nachbarländer haben daraus eine vernünftige Konsequenz gezogen. Corona-Maßnahmen gibt es – abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen – nicht mehr. Die Pandemie ist auch fast kein Thema im öffentlichen und im politischen Diskurs mehr. Unsere Nachbarn haben einen Weg gefunden, wie sie mit Corona umgehen: Sie behandeln es als eine endemische Krankheit, mit der man leben muss – und kann. Das ist in Deutschland völlig anders. Deutschland geht bei der Corona-Politik einen Sonderweg.
Deutscher Sonderweg – Krise ohne Ende
Das permanente Reden vom bedrohlichen Corona-Herbst ist – trotz Ukraine-Krieg und Gaskrise – immer noch ein wichtiger Teil der aktuellen politischen Kommunikation. Die Diskussionsbeiträge der führenden Politiker sind auch nicht souverän und vernünftig. Wer genau hinhört, merkt: Da ist viel Angst im Spiel. Ob Lauterbach selbst Angst hat oder sie nur einsetzt, um seine politischen Ziele zu erreichen, ist schwer zu beurteilen. Jedenfalls schüren er und andere immer weiter die Corona-Angst. Dazu passt die Konzentration des vorgelegten Corona-Konzepts auf die Maske und das Testen. Beides sind in der Tat wirksame Tools, um eine Pandemie zu bekämpfen. Sie haben aber auch eine dunkle Seite. Denn sie schüren die Angst vor Corona. Masken im öffentlichen Raum erinnern immer wieder an die drohende Gefahr und halten die Angst am Leben.
Hinzu kommt: Sie schränken die Kommunikationsmöglichkeiten der Bürger untereinander ein. Die Kommunikation mit Masken ist rudimentärer, unfreundlicher und aggressiver. Sie macht freundliche, aufmunternde und Vertrauen schaffende Kommunikation sehr viel schwieriger, oft sogar unmöglich. Das hat einen anthropologischen Hintergrund. Im Lauf der Evolution haben Menschen gelernt, mit dem ganzen Gesicht zu kommunizieren. Wer eine Maske trägt, hat etwas zu verbergen. Vor diesem Hintergrund machen Masken misstrauisch und ängstlich. Das ist in der aktuellen Situation fatal. Jetzt käme es darauf an, Gräben wieder zuzuschütten und Vertrauen wieder aufzubauen, das in den letzten Jahren verloren gegangen ist.
Wer Bürger zum Maskentragen zwingt, dreht deshalb an der Angstspirale. Ähnliches gilt auch für das permanente Testen. Selbstverständlich sind Tests in speziellen Situationen sinnvoll. Das gilt vor allem im Umgang mit besonders vulnerablen Menschen oder dann, wenn die dominierenden Corona-Varianten schwere Erkrankungen auslösen. Gleichzeitig macht das Dauertesten aber auch immer wieder Angst. Jeder Test weckt Erinnerungen an böse Corona-Zeiten und aktualisiert die Angst vor einer Ansteckung. Ein positiver Test bei symptomloser Erkrankung löst unnötigen Stress aus. Auch das dreht weiter an der Angstspirale.
Verfassung und Freiheit
Und natürlich ist das Konzept von Buschmann und Lauterbach verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Es erlaubt Grundrechtseingriffe, ohne die Voraussetzungen dafür klar und bestimmt zu definieren. Aus der Sicht einer angstgesteuerten Corona-Politik ist das beinahe konsequent. Denn ihr geht es ausschließlich um staatliche Eingriffsmöglichkeiten. Der Angst ist die Freiheit egal. Dieser Ansatz ist ohne Wenn und Aber verfassungswidrig. Die Verfassung sieht keinen Staat vor, der seine Bürger permanent in Angst hält. Im Gegenteil: Sie schützt die Freiheit vor einem übergriffigen Staat. Eingriffe erlaubt sie nur im Notfall und in eng definierten Grenzen. Von Angstpolitik hält das Grundgesetz nichts.
Die Hoffnung stirbt zuletzt: Bisher ist das Coronakonzept der beiden Minister nur ein Vorschlag. Vielleicht gibt es ja mutige Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die nicht die Angst, sondern die Vernunft zur Grundlage ihrer Entscheidung machen.
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