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Deléglise sagte weiter, sie wende sich deshalb von sich aus mit ihren
privaten Verhältnissen an die rbb-Belegschaft, weil zuvor „im Chat“
kritische Fragen gerade an sie herangetragen worden seien. Deshalb habe
sie sich entschieden, in ihrer persönlichen Erklärung ihre Trennung von
Susann Lange quasi offiziell zu verkünden. Ein menschlich anständiges
Verhältnis zu ihrer Ex-Partnerin Lange sei aber auch und besonders im
Interesse der beiden gemeinsamen Kinder. Da sie als Erfinderin des
Bonus-Systems gilt, speziell dessen Ausweitung auch auf Intendantin und
Direktoren, die es unter der Ex-Intendantin und Schlesinger-Vorgängerin
Dagmar Reim nach allen vorliegenden Informationen noch nicht gab, stand
Sylvie Deléglise diesmal besonders im Feuer der kritischen Fragen und
Kommentare. Tenor: „Muss man denn wirklich Frauen und Männer mit 200.000
Euro Jahresgehalt noch gesondert motivieren? Das ist doch alles völlig
absurd.“
Ein Monster geschaffen
Ihre Liaison mit der Justitiarin, die wiederum als enge Vertraute von Patricia Schlesinger gilt, war im Sender allerdings seit Jahren ein offenes Geheimnis. Wer Deléglise nun zur Direktorin gemacht hat und auf welchem Weg, wenn auch nur kommissarisch, ist zur Stunde noch unklar. Laut Paragraph 13 des rbb-Staatsvertrages kann das eigentlich nur der Rundfunkrat gewesen sein, und zwar auf Vorschlag des Intendanten, hier also Brandstäter.
Von einem entsprechenden Wahlvorgang ist aber nichts bekannt. Es gibt lediglich eine knappe Pressemitteilung des Senders, die den Vollzug der Beförderung meldet. Interessenkonflikte auf höchster Ebene des Senders, alleine schon im Hinblick auf gegenseitige Geheimhaltungspflichten, sind aber spätestens jetzt unvermeidlich. Eine unbefangene Wahrnehmung der Beratungs- und Kontrollfunktion, die die Justitiarin gegenüber dem amtierenden Intendanten und den übrigen Direktoren auszuüben hat, ist in dieser Konstellation schwerlich vorstellbar.
Ausgesprochen problematisch ist aus Sicht der Belegschaft darüber hinaus, dass Rundfunkrat und Verwaltungsrat nach wie vor regelmäßig auf den Rat und den Sachverstand der Juristischen Direktorin Lange zurückgreifen, von der nach allen vorliegenden Informationen der Dienstvertrag von Patricia Schlesinger im wesentlichen stammt, dessen Auflösung sich nun aus Sicht des Senders als enormes Problem erweist.
Frau Lange habe Frau Schlesinger stets in jeder Beziehung den Rücken freigehalten, etwa, als es um jene Boni ging, deren Existenz bis Mitte der Woche noch wahrheitswidrig von ihren Nutznießern bestritten oder mit Phantasiebezeichnungen verschleiert worden war. Das wiederum veranlasste die tagesschau am Mittwoch zu einer in der Geschichte der ARD einmaligen Berichterstattung. In dieser wird die verbliebene rbb-Geschäftsleitung, also Intendant Brandstäter und seine Direktorinnen und Direktoren, de facto als Vertuschungs-, wenn nicht Lügenverein dargestellt.
Ende der Bonuszahlungen
Unmittelbar darauf sagte Brandstäter, die Geschäftsleitung des Senders strebe „ein Ende der Bonuszahlungen“ an und wolle „in diesem Jahr keine zusätzlichen Zahlungen mehr in Anspruch nehmen“, denn sie sei sich einig, „dass dieses System der leistungsorientierten Vergütung für die Führungskräfte keine Zukunft mehr hat“.
Welche Zukunft die gesamte Geschäftsleitung des Rundfunks Berlin-Brandenburg noch hat, gilt von Tag zu Tag als ungewisser. Nach Wahrnehmung der Belegschaft teile sich ihre Führung inklusive der Hauptabteilungsleiter wie Chefredakteur David Biesingerimmer deutlicher in zwei Fraktionen auf: „Die einen gehen in Deckung und spielen toter Käfer“ (ein Beobachter), die anderen täten so, als seien sie schon immer gegen dieses schreckliche Bonussystem gewesen – von dem sie selbst profitierten – und nun „froh, dass es endlich abgeschafft wird“ (noch ein Beobachter).
Der Versuch von interessierter Direktoren- und Hauptabteilungsleiter-Seite, alle Verantwortung für Selbstbedienung und Maßlosigkeit auf Patricia Schlesinger abzuwälzen und sich selbst als glaubwürdige und endlich frei agierende Reformatoren darzustellen, wie er sich an der Masurenallee 24 Stunden lang nach der Beschlussfassung des Rundfunkrates abzeichnete, ist nach Lage der Dinge allerdings jetzt bereits als krachend gescheitert anzusehen, denn Business Insider legte – wenig überraschend – umgehend nach.
Soweit sich die Abläufe heute abzeichnen, hatte die Intendantin ihre Direktoren und Hauptabteilungsleiter, also alle, die neben ihr ebenfalls Boni nach zum Teil lächerlichen Kriterien erhielten, spätestens ab 2018 in der Hand – und jene ließen es nur zu gerne geschehen. Mindestens die vier Direktoren gelten im Maschinenraum des Senders, dort, wo das Programm gemacht wird, wie Schlesinger ebenfalls als heillos korrumpiert. Entsprechend heute die Frage einer Journalistin: „Wann gehen Sie?“ Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus gab sich einsichtig mit dem Tenor, er sehe auch für sich Konsequenzen inzwischen als unvermeidbar, während alle übrigen Hierarchen so taten, als hätten sie nichts gehört.
„Den Übergang organisieren“
Natürlich steht der rbb aber vor dem Problem, dass er nach einer tabula rasa führungslos dastünde und niemand mehr vorhanden wäre, der den Transformationsprozess hin zu einer komplett neuen, wieder innerhalb und außerhalb des Senders glaubwürdigen und anerkannten Leitung rein praktisch organisieren könnte. Deshalb könnte – Stand heute – Hagen Brandstäter mit seiner Beteuerung durchkommen, er wolle lediglich noch anständig „den Übergang organisieren“ und sich dann in den Ruhestand verabschieden – eine Lösung, die den jüngeren und ehrgeizigen Sendermanagern, etwa Chefredakteur David Biesinger, natürlich nicht zur Verfügung steht.
Die älteren Journalisten erinnert die Lage der Anstalt ein wenig an jene von Konrad Adenauer (wobei natürlich ungeachtet allen Zorns und aller Verbitterung niemand im rbb seine Chefinnen und Chefs mit alten Nazis vergleichen will), der sich 1950 rechtfertigen musste für die Übernahme von diskreditierten Beamten in sein Kanzleramt. Adenauer erwiderte: „Man schüttet kein schmutziges Wasser aus, ehe man reines hat.“ Antwort von André François-Poncet, französischer Hoher Kommissar in Deutschland: „Aber um reines Wasser zu haben, muß man schleunigst zum Brunnen laufen!
Dieser Brunnen ist für den Sender aber derzeit noch in weiter Ferne, zumal niemand weiß, in welcher Himmelsrichtung er zu suchen wäre. Jeder Versuch eines Rundfunkrates oder von sonstwem, nun nach alter Mauschel-Methode ohne lästige Beteiligung der Werktätigen einen neuen Intendanten zu rekrutieren, um den ganzen Skandal möglichst schnell vergessen zu machen, würde die Lage im Haus vollends eskalieren lassen. Die Plazierung von Namen angeblich heißgehandelter Kandidaten bis hin zu so absurden wie Tina Hassel, Ulla Fiebig oder gar Jan Schulte-Kellinghaus und Susann Lange hatte, gewollt oder ungewollt, lediglich den Effekt, dass sie noch vor jeder Ausschreibung als erledigt zu gelten haben.
Das gilt um so mehr, als auch dieser Rundfunkrat, dessen wichtigste Aufgabe, bei der er so eklatant versagt hat, die Intendantensuche und -wahl ist, in seiner jetzigen Zusammensetzung kaum Bestand haben kann.
Als Sylvie Deléglise heute offenbarte, wer sie und Susann Lange einst getraut hat, waren selbst die wortmächtigsten Redakteure im Haus des Rundfunks erst einmal sprachlos. Einer klinkte sich vorzeitig aus der Teams-Sitzung aus mit den Worten: „Es ist alles so unfassbar schlimm – ich kann nicht mehr. Es raubt mir die letzten Illusionen, wo ich eigentlich arbeite".
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