30 August 2022

Corona und die Medien - Bravo an die Skeptiker! (Cicero+)

Corona und die Medien
-
Bravo an die Skeptiker! (Cicero+)
Der ehemalige Finanzminister der Regierung Boris Johnson, Rishi Sunak, gibt zu, dass die Covid-Politik seines Premiers - inklusive Lockdowns, Panikmache und der Unterdrückung abweichender Meinungen - falsch und verheerend war. Und große Teile der britischen Presse gratulieren Sunak zu seiner Offenheit. Davon scheinen Politik und Medien in Deutschland noch weit entfernt zu sein. Zeit, dass auch unsere Öffentlich-Rechtlichen ihre Corona-Hofberichterstattung einstellen.
VON RALF HANSELLE am 29. August 2022
In Großbritannien ist etwas ins Rutschen geraten: „Bravo an die Skeptiker, die verleumdet und abgewiesen wurden, weil sie es gewagt hatten, die Freiheit zu verteidigen“, titelte da letzten Donnerstag eine der meistverkauften Tageszeitungen auf der Insel mit Hinblick auf die britischen Corona-Maßnahmenkritiker. „Ja, es war einsam“, schreibt ein gewisser Robert Taylor, Autor des konservativen Daily Telegraph, in eben jener altehrwürdigen Tageszeitung, die bereits 1855 das erste Mal gedruckt wurde und die dieser Tage vielleicht für etwas Verwirrung bei ihrer sonst eher gesetzten und traditionellen Leserschaft sorgte.
Doch der Daily Telegraph steht nicht alleine da: In der bereits 70 Jahre älteren Tageszeitung The Times schrieb gestern der Historiker und Jurist Lord Jonathan Sumption: „Nach und nach wird die Wahrheit über den Lockdown zugegeben: Es war eine Katastrophe.“ Und weiter: „Die Abriegelung war eine extreme und noch nie dagewesene Reaktion auf ein uraltes Problem, nämlich die Herausforderung einer Epidemie. Sie war aber auch etwas anderes. Es handelte sich um eines der schwersten Regierungsversagen der Neuzeit.“
Wie gesagt: Derlei Sätze stehen in Großbritannien dieser Tage nicht bei aluhut.co.uk. Sie erscheinen klar und für jeden lesbar in den ältesten Printpublikationen des Königreichs. Wie aber konnten sie dort hingelangen? 
Wir sind am Arsch
Den Stein ins Rollen gebracht hatte wohl der ehemalige Finanzminister Rishi Sunak. Der eifert derzeit nicht nur darum, der nächste britische Premierminister zu werden, er ist auch extrem bemüht, sich von seinem einstigen Dienstherrn Boris Johnson abzusetzen. In einem Interview mit der Zeitschrift The Spectator hatte Sunak, der derzeit in Umfrage gegenüber seiner Konkurrentin Liz Truss zurückgefallen ist, daher auch starke Zweifel an der Covid-Politik des Ex-Premiers geäußert. 
Es sei falsch gewesen, so Sunak gegenüber dem Spectator, Menschen im Angesicht des Virus in Panik zu versetzen. Offen berichtet der ehemalige Finanzminister in dem Interview auch darüber, wie andere Meinungen in Bezug auf die Lockdown-Politik gezielt unterdrückt wurden und wie er selbst von Beamten aus der Johnson-Administration daran gehindert wurde, Alternativen zum harten Kurs zu erörtern. Zudem berichtet er von Wissenschaftlern, die von der Politik zu viel Macht erhalten hätten: „Wenn Sie all diese unabhängigen Menschen ermächtigen, sind Sie am Arsch“, so Sunak wörtlich.
Man mag das für die Anbiederungsstrategie eines politisch Abgehängten an eine desillusionierte Wählerschaft halten. Doch auf der Insel scheint sich der Wind in Sachen Corona seit langem bereits gedreht zu haben – und das in voller Breite. Seit Ex-Premier Boris Johnson im Januar 2022 das Ende aller Maßnahmen verkündet hatte, heißt es für viele einstige Hardliner: Rette sich, wer kann!  Und so ist auch für Liz Truss, Sunaks Konkurrentin im Kampf um das höchste Staatsamt, längst klar, dass sie nie wieder einen Lockdown genehmigen würde, wie Truss vor gut einem Monat versprach. Zudem, so versicherte sie, habe sie als ehemalige Handelsministerin mit den damaligen Lockdown-Entscheidungen nie etwas zu tun gehabt.
Vorauseilender Gehorsam
Noch wäre eine derartige Absetzbewegung für hiesige Politiker und Medien schier unvorstellbar. Doch der Tag ist vielleicht gar nicht mehr fern, an dem auch hierzulande die größten Tages- und Wochenzeitungen, ja selbst die Verantwortlichen bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das Ruder ihrer Corona-Berichterstattung herumreißen werden. Ein Blick nach Großbritannien kann da schnell wie ein Blick in die eigene Zukunft wirken. 
„Bravo an die Skeptiker!“ Vielleicht ist das ja auch in Deutschland bald schon die neue Vertrauens-Kampagne, mit dem manch Verlag oder Rundfunkanstalt um die Gunst von verlorenen Lesern und Zuhörern werben wird. Schaut man etwa nach Kiel, wo in den letzten Tagen ein zuvor kaum vorstellbarer Filz aus Politik und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nach oben geschwappt ist, dann lässt das für die anstehende Aufarbeitung der zurückliegenden Corona-Jahre schlimmstes befürchten. 
Noch geht es in der unterstellten „Hofberichterstattung“ und bei dem „vorauseilendem Gehorsam“, ja der „gezielten Verhinderung negativer Berichte“ von der Mitarbeiter des NDR jüngst ihren Kollegen beim Magazin Stern berichtet haben „nur“ um verhinderte Interviews mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther oder um Interessenkonflikte führender NDR-Journalisten. Schon jetzt aber sprechen Kritiker, wie der EU-Parlamentarier Patrick Breyer (Piratenpartei) von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als „tendenziöse Propagandaabteilung der Regierung“.
Der tiefe Graben
Eine derartige Wortwahl indes konnte man bei vielen Kritikern der Corona-Maßnahmen schon lange vernehmen. Und das vermutlich nicht einmal, weil sie prinzipielle Vorbehalte gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen hätten oder das Duale Rundfunksystem in Frage stellten. Was sie indes immer öfter erkannten, war eine kaum noch zu überbrückende Kluft zwischen ihrer unmittelbaren Lebenswirklichkeit und der panischen Berichterstattung in den Medien. 
Und vor dieser tiefen Kluft standen nicht nur Leser und Zuhörer, sie zeigte sich wohl immer häufiger auch in den Redaktionen selbst. So sorgte im Oktober 2021 der erschöpfte Aufschrei eines ARD-Mitarbeiters namens Ole Skambraks für Furore, der unter der Überschrift „Ich kann nicht mehr“ einen offenen Brief verfasst hatte, in dem er über die fehlende Ausgewogenheit in der Corona-Berichterstattung seines Senders erzählte. Von ähnlichen Erfahrungen berichtete einige Monate später auch die Ex-3Sat-Mitarbeiterin Katrin Seibold.
Doch es waren die falschen Worte zur falschen Zeit. Statt Sorge um die journalistische Unabhängigkeit gab es damals vor allem Spott und Häme. Heute aber, einige Skandale später, sollte man die Berichte von Seibold und Skambraks vielleicht noch einmal hervorholen. Gut möglich nämlich, dass man den Skeptikern von ehedem auch hierzulande bald ein „Bravo“ zurufen wird. Ein Blick nach Großbritannien jedenfalls zeigt, dass alles ins Wanken geraten kann, wenn sich der Wind zu drehen beginnt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen