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Bravo an die Skeptiker! (Cicero+)
Bravo an die Skeptiker! (Cicero+)
Der ehemalige Finanzminister der Regierung Boris Johnson, Rishi
Sunak, gibt zu, dass die Covid-Politik seines Premiers - inklusive
Lockdowns, Panikmache und der Unterdrückung abweichender Meinungen -
falsch und verheerend war. Und große Teile der britischen Presse
gratulieren Sunak zu seiner Offenheit. Davon scheinen Politik und Medien
in Deutschland noch weit entfernt zu sein. Zeit, dass auch unsere
Öffentlich-Rechtlichen ihre Corona-Hofberichterstattung einstellen.
VON RALF HANSELLE am 29. August 2022
In Großbritannien ist etwas ins Rutschen geraten: „Bravo an die
Skeptiker, die verleumdet und abgewiesen wurden, weil sie es gewagt
hatten, die Freiheit zu verteidigen“, titelte da letzten Donnerstag eine der meistverkauften Tageszeitungen
auf der Insel mit Hinblick auf die britischen Corona-Maßnahmenkritiker.
„Ja, es war einsam“, schreibt ein gewisser Robert Taylor, Autor des
konservativen Daily Telegraph, in eben jener altehrwürdigen
Tageszeitung, die bereits 1855 das erste Mal gedruckt wurde und die
dieser Tage vielleicht für etwas Verwirrung bei ihrer sonst eher
gesetzten und traditionellen Leserschaft sorgte.
Doch der Daily Telegraph steht nicht alleine da: In der bereits 70 Jahre älteren Tageszeitung The Times schrieb gestern der Historiker und Jurist Lord Jonathan Sumption:
„Nach und nach wird die Wahrheit über den Lockdown zugegeben: Es war
eine Katastrophe.“ Und weiter: „Die Abriegelung war eine extreme und
noch nie dagewesene Reaktion auf ein uraltes Problem, nämlich die
Herausforderung einer Epidemie. Sie war aber auch etwas anderes. Es
handelte sich um eines der schwersten Regierungsversagen der Neuzeit.“
Wie gesagt: Derlei Sätze stehen in Großbritannien dieser Tage nicht
bei aluhut.co.uk. Sie erscheinen klar und für jeden lesbar in den
ältesten Printpublikationen des Königreichs. Wie aber konnten sie dort
hingelangen?
Wir sind am Arsch
Den Stein ins Rollen gebracht hatte wohl der ehemalige Finanzminister
Rishi Sunak. Der eifert derzeit nicht nur darum, der nächste britische
Premierminister zu werden, er ist auch extrem bemüht, sich von seinem
einstigen Dienstherrn Boris Johnson abzusetzen. In einem Interview mit
der Zeitschrift The Spectator hatte Sunak, der derzeit in
Umfrage gegenüber seiner Konkurrentin Liz Truss zurückgefallen ist,
daher auch starke Zweifel an der Covid-Politik des Ex-Premiers
geäußert.
Es sei falsch gewesen, so Sunak gegenüber dem Spectator,
Menschen im Angesicht des Virus in Panik zu versetzen. Offen berichtet
der ehemalige Finanzminister in dem Interview auch darüber, wie andere
Meinungen in Bezug auf die Lockdown-Politik gezielt unterdrückt wurden
und wie er selbst von Beamten aus der Johnson-Administration daran
gehindert wurde, Alternativen zum harten Kurs zu erörtern. Zudem
berichtet er von Wissenschaftlern, die von der Politik zu viel Macht
erhalten hätten: „Wenn Sie all diese unabhängigen Menschen ermächtigen,
sind Sie am Arsch“, so Sunak wörtlich.
Man mag das für die Anbiederungsstrategie eines politisch Abgehängten
an eine desillusionierte Wählerschaft halten. Doch auf der Insel
scheint sich der Wind in Sachen Corona seit langem bereits gedreht zu
haben – und das in voller Breite. Seit Ex-Premier Boris Johnson im Januar 2022 das Ende aller Maßnahmen verkündet hatte,
heißt es für viele einstige Hardliner: Rette sich, wer kann! Und so
ist auch für Liz Truss, Sunaks Konkurrentin im Kampf um das höchste
Staatsamt, längst klar, dass sie nie wieder einen Lockdown genehmigen
würde, wie Truss vor gut einem Monat versprach. Zudem, so versicherte
sie, habe sie als ehemalige Handelsministerin mit den damaligen
Lockdown-Entscheidungen nie etwas zu tun gehabt.
Vorauseilender Gehorsam
Noch wäre eine derartige Absetzbewegung für hiesige Politiker und
Medien schier unvorstellbar. Doch der Tag ist vielleicht gar nicht mehr
fern, an dem auch hierzulande die größten Tages- und Wochenzeitungen, ja
selbst die Verantwortlichen bei den öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten das Ruder ihrer Corona-Berichterstattung herumreißen
werden. Ein Blick nach Großbritannien kann da schnell wie ein Blick in
die eigene Zukunft wirken.
„Bravo an die Skeptiker!“ Vielleicht ist das ja auch in Deutschland
bald schon die neue Vertrauens-Kampagne, mit dem manch Verlag oder
Rundfunkanstalt um die Gunst von verlorenen Lesern und Zuhörern werben
wird. Schaut man etwa nach Kiel,
wo in den letzten Tagen ein zuvor kaum vorstellbarer Filz aus Politik
und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nach oben geschwappt ist, dann
lässt das für die anstehende Aufarbeitung der zurückliegenden
Corona-Jahre schlimmstes befürchten.
Noch geht es in der unterstellten „Hofberichterstattung“ und bei dem
„vorauseilendem Gehorsam“, ja der „gezielten Verhinderung negativer
Berichte“ von der Mitarbeiter des NDR jüngst ihren Kollegen beim Magazin
Stern berichtet haben „nur“ um verhinderte Interviews mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther oder um Interessenkonflikte führender NDR-Journalisten. Schon
jetzt aber sprechen Kritiker, wie der EU-Parlamentarier Patrick Breyer
(Piratenpartei) von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als
„tendenziöse Propagandaabteilung der Regierung“.
Der tiefe Graben
Eine derartige Wortwahl indes konnte man bei vielen Kritikern der
Corona-Maßnahmen schon lange vernehmen. Und das vermutlich nicht einmal,
weil sie prinzipielle Vorbehalte gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen
hätten oder das Duale Rundfunksystem in Frage stellten. Was sie indes
immer öfter erkannten, war eine kaum noch zu überbrückende Kluft
zwischen ihrer unmittelbaren Lebenswirklichkeit und der panischen
Berichterstattung in den Medien.
Und vor dieser tiefen Kluft standen nicht nur Leser und Zuhörer, sie
zeigte sich wohl immer häufiger auch in den Redaktionen selbst. So
sorgte im Oktober 2021 der erschöpfte Aufschrei eines ARD-Mitarbeiters
namens Ole Skambraks für Furore, der unter der Überschrift „Ich kann
nicht mehr“ einen offenen Brief verfasst hatte, in dem er über die
fehlende Ausgewogenheit in der Corona-Berichterstattung seines Senders
erzählte. Von ähnlichen Erfahrungen berichtete einige Monate später auch
die Ex-3Sat-Mitarbeiterin Katrin Seibold.
Doch es waren die falschen Worte zur falschen Zeit. Statt Sorge um
die journalistische Unabhängigkeit gab es damals vor allem Spott und
Häme. Heute aber, einige Skandale später, sollte man die Berichte von
Seibold und Skambraks vielleicht noch einmal hervorholen. Gut möglich
nämlich, dass man den Skeptikern von ehedem auch hierzulande bald ein
„Bravo“ zurufen wird. Ein Blick nach Großbritannien jedenfalls zeigt,
dass alles ins Wanken geraten kann, wenn sich der Wind zu drehen
beginnt.
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