Business Class Edition: Auf ein offenes Wort! Von Gabor Steingart, veröffentlicht am Samstag, 27.08.2022In vielen Redaktionen ist es zu einem hohen Maß an Gleichförmigkeit
gekommen: Den Mut sich gegen den Geist der Zeit zu stellen, fehlt dem
medialen Mainstream. Die Schlesinger-Affäre ist nur ein Ausdruck davon,
was in der Medienlandschaft gerade schiefläuft.
In
vielen Redaktionen ist es zu einem hohen Maß an Gleichförmigkeit
gekommen: Den Mut sich gegen den Geist der Zeit zu stellen, fehlt dem
medialen Mainstream. Die Schlesinger-Affäre ist nur ein Ausdruck davon,
was in der Medienlandschaft gerade schiefläuft.
In
vielen Redaktionen ist es zu einem hohen Maß an Gleichförmigkeit
gekommen: Den Mut sich gegen den Geist der Zeit zu stellen, fehlt dem
medialen Mainstream. Die Schlesinger-Affäre ist nur ein Ausdruck davon,
was in der Medienlandschaft gerade schiefläuft.
Das Verstörende am staatlich kontrollierten Fernsehen sind nicht die
Dinge, die berichtet werden. Das Verstörende sind oft die Dinge, die
nicht oder nur beiläufig berichtet werden. Manchmal sind es auch nur die
Fragen, die ungestellt bleiben.
Als Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei einem der Kandidatenduelle in der ARD sagte,
Deutschland sei nicht abhängig vom russischen Gas, blieb diese
Falschaussage seitens der Journalisten widerspruchslos. Aus Unkenntnis?
Aus Desinteresse? Aus Opportunismus? Man weiß es nicht. ch erinnere mich zusammen mit dem damaligen ZDF-Intendanten Thomas Bellut und dem Verleger Dieter von Holtzbrinck in
der Jury des Georg von Holtzbrinck Journalistenpreises gesessen zu
haben, als wir – im Konsens übrigens – die Auszeichnung eines
TV-Beitrags erstmals ausfallen ließen. Die Begründung: Die TV-Anstalten
hatten keinen wirklich kompetenten Wirtschaftsbeitrag eingereicht. Die
Wirtschaftskompetenz im deutschen Fernsehen sei auffällig
unterentwickelt. Das Verstörende: Die Beschäftigten der
öffentlich-rechtlichen Sender nehmen diese Kritik seit Längerem schon
mit Achselzucken entgegen. Viele sind im Hauptberuf nicht mehr Journalist, sondern Aktivist oder – noch schlimmer – Postenschieber und Spesenritter. Die ehemalige rbb -Intendantin Patricia Schlesinger
– früher eine leidenschaftliche Journalistin – hat die
Eigennutz-Optimierung der TV-Funktionäre nicht erfunden, sondern den
Stand der Verkommenheit nur illuminiert. Auch in anderen Sendern
haben sich ehemalige Journalisten in diese Richtung entwickelt. Sie
nutzen den öffentlich-rechtlichen Auftrag als moralischen Schutzschild
für die Optimierung von Privilegien. Die 8,5 Milliarden vom Staat
garantierten Einnahmen ermuntern womöglich zu einem derartigen
Geschäftsmodell. Die Selbstkontrolle durch die Fernseh- und Verwaltungsräte funktioniert erkennbar nicht.
Und sie tut es schon deshalb nicht, weil man am Rande der Sitzungen
versucht, Geschäfte auf Gegenseitigkeit abzuschließen: Aufmerksamkeit
gegen Annehmlichkeit. So lautet der Tauschhandel zwischen den dort
vertretenen Interessengruppen und den zu beaufsichtigenden
TV-Funktionären. Ohne die Recherchen von Business Insider hätte es das höfische Treiben beim rbb (und anderswo?) niemals auf die Tagesordnung einer Gremiensitzung geschafft. Es
ist – und diese Kritik weist über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
hinaus – in vielen Redaktionen zu einem hohen Maß an Gleichförmigkeit
gekommen. Einer Gleichförmigkeit der Karrierewege, der Ideen, des
Denkens und schließlich der Texte. In der Russland-Politik
beispielsweise gilt Kritik bis heute als unpatriotisch. Die mittlerweile
unbestreitbare Tatsache, dass die Sanktionsregime des Westens nicht nur
die russische, sondern in besonderer Weise die deutsche Volkswirtschaft
beschädigen, wird nicht wirklich thematisiert. Warum nicht? Der gute
Journalist ist doch nicht die fünfte Kolonne der Nato. Stattdessen
rufen fast alle Medien wie in Trance nach „Entlastungspaketen“ des
Staates, die in Umfang und Denkungsart mittlerweile einem
bedingungslosen Grundeinkommen gleichkommen. Die Marktwirtschaft wird
verformt, ohne dass darüber eine Debatte geführt würde. Dabei wäre das
von allen Identitätsdebatten die lohnendste. Es geht ja bei den hier ausgezahlten Geldern erneut um Gelder, die
von Kindern, die wir nicht gebären, einzutreiben wären. Wer den Wählern
in Spendierlaune zuruft „You will never walk alone“, will keine Ambition auslösen und keine Kraftanstrengung verlangen. Die
soziale Ruhe der Gegenwart wird mit dem wirtschaftlichen Abstieg der
Zukunft erkauft. Das ist die Zeitenwende, von der keiner spricht. Nun
will man als Heimkehrer aus der Sommerfrische die Ruhe der anderen
nicht mutwillig stören und den lieben Kolleginnen und Kollegen auch
nicht unnötig auf den Wecker fallen. Aber diese fast obszön zur Schau
getragene Unbedarftheit in Wirtschaftsfragen – die schon bei der unter
staatlichen Aufsicht erfolgten Verpuffung von Milliarden Anlegergeldern
der Wirecard AG auffiel – ist kein Kavaliersdelikt. Nicht für einen kritischen Journalisten. Die gleichen Kolleginnen und Kollegen, die wegen des falschen Lachens von Armin Laschet in Dauererregung verfielen und aufgrund politisch belangloser Plagiate im Buch von Annalena Baerbock Sonderschichten der Empörung und auch der Verunglimpfung gefahren haben, sind jetzt verstummt. Sie
beherrschen das Politiker-Bingo, wo der eine Kulissenschieber mit dem
Finger auf den anderen Kulissenschieber zeigt, aber die ökonomischen
Grundrechenarten beherrschen sie nicht. Man will davon ablenken, dass
man fachlich den ökonomischen Kern vom Kern der Moderne gar nicht zu
packen bekommt. Lust- und absichtsvoll werden daher die
Nebenkriegsschauplätze besucht, weil man selber am Besten weiß, dass zum
Betreten der heißen Frontabschnitte zwischen Ökonomie und Politik die
schweren Waffen fehlen, um im Terminus des Ukraine-Krieges zu sprechen.
Deutlicher noch formuliert: Die meisten Journalisten sind mit leichtem Gepäck unterwegs.So hat dann der Schwadroneur seinen großen Auftritt. Dieser neuzeitliche Dünnbrettbohrer weiß nicht, wie man eine Bilanz liest. Aber er weiß, wie man das Feuer der Empörung schürt. Er kann Erlös nicht von Ertrag unterscheiden, aber er ist ein ausgewiesener Experte im Übelnehmen und Verleumden. Auch
deshalb haben viele von Journalismus auf Aktivismus umgesattelt. Im
Kampf für die gute Sache – so die Hoffnung – fällt nicht sofort auf,
dass man von der Sache selbst nicht viel versteht. In vielen
deutschen Redaktionen fand ein Osterwunder der eigenen Art statt:
Tausende von Redakteurinnen gingen als Soziologen, Psychologen und
Literaturwissenschaftler zu Bett, um als Virologen und Klimatologen ihre
Wiederauferstehung zu feiern. Für sie gilt, was Kurt Tucholsky einst gesagt hat: „Auf nichts ist der Mensch so stolz wie auf das, was er seit zwei Minuten weiß.“Unser Pioneer-Projekt verfolgt einen grundsätzlich anderen Ansatz. Wir
wollen das wohlgefällige Nicken der Journalisten wieder durch den
begründeten Zweifel und das Staunen über die Pluralität des Menschen
ersetzen. Wir wollen den Aktivisten wieder in den Journalisten
zurückverwandeln. Wir wollen der ökonomischen Betrachtung wieder zu ihrem Recht verhelfen. Es geht im Grunde gar nicht um eine Neuerfindung, sondern um das
Zurückholen. Es geht um den Mut, sich auch gegen den Geist der eigenen
Zeit zu stellen. Und um die Freiheit, dem Regierungspolitiker
evidenzbasiert die Stirn zu bieten. Der Politiker hat das Amt und die Macht. Und wir haben unsere Zweifel, unsere Neugier und unser Wissen. Wir Pioneers bemühen uns, eine Denkschule zu begründen, die wieder
Spaß an der Recherche und Lust an der intelligenten Gegenrede
empfindet. Die den Zweifel kultiviert, die die Meinung des anderen
nicht bekämpft und auch nicht gönnerhaft toleriert, sondern die diese
andere Meinung ermuntert und als Inspiration empfindet. Der mediale Mainstream – den man auch im Kanzleramt längst als „group thinking“
und damit als bedrohlich erlebt – verrät die Grundwerte der
Meinungsfreiheit. Er hört sich nur noch selber zu. Er will nichts
wissen, er will belehren. Wir möchten, dass das, was im
medizinischen Alltag gang und gäbe ist, das Einholen einer Zweitmeinung
oder vor Gericht die Befragung des Zweitgutachters, dass diese
Normalität wieder die unsere wird.
"Wahrheit gibt es nur zu zweien" Hannah Arendt
Das genau beschreibt unsere Mission. Rede ohne Gegenrede ist Diktatur. Nur eine respektvolle Kultur von Rede und Gegenrede begründet Demokratie. Und
diese Gegenrede braucht eine ökonomische Grundierung. Es gibt Meinungen
und es gibt Stimmungen. Und es gibt wirtschaftliche Fakten.
The Pioneer
ist ein Projekt, das auf strikte politische Unabhängigkeit setzt –
keine Politiker in den Aufsichtsgremien, keine von Politikern
sanktionierten Gebühren, keine sonstigen Subventionen. Diese politische
Unabhängigkeit kombinieren wir mit der Freiheit von der Werbeindustrie.
Wir
verkaufen unser Publikum nicht an Automobilfirmen, Banken und
Konsumartikelhersteller in der Absicht, den Konsum unserer Pioneers
anzukurbeln. Wir sezieren unsere Leser, Zuhörer und Besucher
nicht nach Alter, Geschlecht, Religion und Kaufkraft, um diese Daten
dann den großen Mediaagenturen für ihre Profilbildung und ihr
Retargeting anzudienen. Wir wollen den Lesefluss und den Hörgenuss nicht durch Werbeunterbrechung stören. Ich persönlich empfinde insbesondere die digitale Unterbrecherwerbung, ob auf den Online-Portalen oder bei YouTube , als respektlos. Sie stört den Erkenntnisprozess. Sie wirkt dadurch antiaufklärerisch. Unser Projekt The Pioneer, das sich aus dem Morning Briefing
heraus entwickelt hat, will die beschriebenen Verhältnisse verändern.
Wir bekämpfen die anderen nicht. Aber wir ergänzen sie. Wir liefern das
ökonomisch begründete Zweitgutachten. Zusammen mit den Chefredakteuren Michael Bröcker , Gordon Repinski und Franziska von Haaren
haben wir die wirtschaftliche Kompetenz unseres Teams planmäßig
ausgebaut. Mittlerweile umfasst das Pioneer-Team 48 festangestellte
Kolleginnen und Kollegen und mehr als 20 freie Mitarbeiter. Im Januar
wird Christian Schlesiger – heute Co-Leiter des Ressorts Unternehmen bei der WirtschaftsWoche – unser Projekt als Ressortchef Wirtschaft verstärken. Hinzu kommen unsere inzwischen 200 Pioneer-Experts , die regelmäßig auf The Pioneer schreiben.
Sie sind die Sachverständigen des Alltags. Ihre Expertise bereichert
den Diskurs und liefert oft den notwendigen Perspektivwechsel. Unter anderem schreiben der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz , der frühere Außenminister Joschka Fischer , die Osteuropa-Expertin Svetlana Alexeeva , die Digitalexpertin Verena Pausder, die Nato-Strategin Stefanie Babst, der Investor George Soros oder der Neurologe Lars Wojtecki für The Pioneer - und damit für Sie. Im Podcast kommen kluge ökonomische Stimmen zu Wort wie die der Unternehmerin Lea-Sophie Cramer und die der Wirtschaftsprofessorin Ann-Kristin Achleitner. Ich möchte mich heute bei Ihnen für Ihre Unterstützung der Pioneer-Mission bedanken. Ohne
ihre materielle und ideale Unterstützung, ohne ihre unerschütterliche
Leidenschaft für die Sache der Meinungsfreiheit und einen Journalismus,
der die ökonomischen Fakten nicht länger ignoriert, wäre The Pioneer nicht denkbar. Sie
sind für uns deutlich mehr als ein Leser oder eine Leserin, ein Hörer
oder eine Hörerin. Ich freue mich über Ihre Stimme, gern auch im
persönlichen Austausch: g.steingart@mediapioneer.com Und natürlich möchte ich dass Sie das journalistische Angebot immer wieder neu erleben. Wir
stehen erst am Anfang. Ich würde den beschriebenen Weg gerne mit Ihnen
gemeinsam fortsetzen. Wir beide wissen: Unser Land kann einen medialen
Neuanfang gut gebrauchen. Es grüßt Sie auf das Herzlichste, Ihr Gabor Steingart Pioneer Editor, Herausgeber ThePioneer
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