31 August 2022

Business Class Edition: Habeck: Style vs. Substanz

Business Class Edition:
Habeck: Style vs. Substanz
Guten Morgen,
Robert Habeck ist auf der Berliner Bühne ein rhetorisches Ausnahmetalent. Das dürre Sprachholz der anderen, die ganze Reden mit ihren Fertigbauteilen bestücken, kommt bei ihm nicht zum Einsatz. Seine Sprache ist anschaulich, oft erdig und schon deshalb vital. Er besitzt Rhythmusgefühl. Er will überzeugen, nicht überrumpeln. Er lässt sich zuweilen beim Denken zuschauen.
Doch wie auf den Chefetagen der Wirtschaft, so muss auch in der Politik zwischen Substanz und Style streng unterschieden werden. Und genau bei der Substanz beginnen die Lieferschwierigkeiten des Robert Habeck.
Sprache transformiert sich nicht automatisch in eine hohe politische Produktqualität. Die Substanz des Robert Habeck hält derzeit nicht, was sein Pop-Art-Style verspricht. Streift man die rhetorische Verpackung ab, stechen handwerkliche Macken und gedankliche Fehler ins Auge:
1. Es war eine Naivität sondergleichen, sich auf die mündliche Zusage des Prinzen von Katar zu verlassen. Die Reise von Habeck in das Morgenland hat außer dem unvorteilhaften Bückling-Bild für die deutschen Stromkunden keine Linderung gebracht. Die Videos, die Habeck von dort gesendet hat („Ich habe in Katar eine neue Energiepartnerschaft auf den Weg gebracht“) wirken heute wie ein Satire-Beitrag.
2. Jahrzehntelang hielten die Grünen das Verursacherprinzip hoch, um es in der Stunde der Regierungsbeteiligung zu verraten. Die 21 Millionen deutschen Gaskunden wurden größtenteils beim Kauf ihrer Neubaugrundstücke zum Gasanschluss gezwungen oder leben in einer Mietwohnung, die vor Jahrzehnten ohne ihr Zutun mit dem Gasnetz verbunden wurde. Sie sind nicht Täter, sondern Opfer. 34 Milliarden Euro will der Minister ihnen abknöpfen.
3. Der ursprüngliche Versuch, diese Umlage durch einen Mehrwertsteueraufschlag zu garnieren und damit für den Staat in eine kassenwirksame Zusatzeinnahme zu verwandeln, war für den Staat lukrativ und für den Bürger dreist. Wer hier an einen Irrtum der Ministerbürokratie glaubt, wie später von Habeck behauptet, der unterschätzt die Präzisionsarbeit des Staates. Wenn der sich auf eines versteht, dann auf die Steuereintreibung, die, um es mit Peter Sloterdijk zu sagen, „die Steuerduldsamkeit der gebenden Seite als Prämisse voraussetzt.“
4. Habecks Idee, dass der Gaskunde seinem Gaslieferanten das Risiko der gestiegenen Weltmarktpreise abnimmt, ist schon als Idee absurd. Nach demselben Strickmuster hätten die Bankkunden in der Finanzkrise mit einem Girokonto-Aufschlag die Finanzinstitute retten müssen. Und in der Griechenland-Krise wäre eine staatliche Gyros-Gebühr plus Ouzo-Umlage fällig gewesen. Der Gyros-Liebhaber und der Ouzo-Trinker aber haben mit der Misswirtschaft in Griechenland so wenig am Hut wie der Gaskunde mit Putins Krieg und der Explosion der Gaspreise. Genau deshalb hat es die Ouzo-Umlage nie gegeben, nicht mal als Idee.
5. Seine Absage an den Weiterbetrieb der drei noch laufenden Kernkraftwerke begründet Robert Habeck mit einer Unwahrheit, die auch dann eine Unwahrheit bleibt, wenn sie von ihm ständig wiederholt wird. „Wir haben ein Gasproblem, kein Stromproblem”, sagt Habeck. Auch in der Variante „Wir haben ein Wärmeproblem, kein Stromproblem", fand der Satz Eingang in das Repertoire des Energieministers und Vizekanzlers.
Beides ist falsch: Denn der Gasmangel verteuert schon heute den Strompreis, weil Gas eben nicht nur im Wärmemarkt eingesetzt wird, sondern auch zur Stromgewinnung. Gehen alle drei AKWs – wie von Habeck gewünscht – zum Jahresende vom Netz, entsteht eine Stromlücke von sechs Prozent des derzeitigen Verbrauchs. Der Bedarf kann durch Sonne und Wind allein nicht gedeckt werden, weshalb erneut das ohnehin zu knappe Gas verstromt werden müsste.
Fazit: Noch verfolgt der brave Bürger die Wortakrobatik des Wirtschaftsministers und den staatlich organisierten Rollgriff in die Taschen der Gaskunden mit stoischer Gelassenheit. Er zahlt und er leidet. Er grummelt, aber er revoltiert nicht. Der Philosoph Peter Sloterdijk hat es geahnt:

"Die Resignation des Bürgers ist die Grundlage solider öffentlicher Finanzen".

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