31 August 2022

Business Class Edition: Habeck: Style vs. Substanz

Business Class Edition:
Habeck: Style vs. Substanz
Guten Morgen,
Robert Habeck ist auf der Berliner Bühne ein rhetorisches Ausnahmetalent. Das dürre Sprachholz der anderen, die ganze Reden mit ihren Fertigbauteilen bestücken, kommt bei ihm nicht zum Einsatz. Seine Sprache ist anschaulich, oft erdig und schon deshalb vital. Er besitzt Rhythmusgefühl. Er will überzeugen, nicht überrumpeln. Er lässt sich zuweilen beim Denken zuschauen.
Doch wie auf den Chefetagen der Wirtschaft, so muss auch in der Politik zwischen Substanz und Style streng unterschieden werden. Und genau bei der Substanz beginnen die Lieferschwierigkeiten des Robert Habeck.
Sprache transformiert sich nicht automatisch in eine hohe politische Produktqualität. Die Substanz des Robert Habeck hält derzeit nicht, was sein Pop-Art-Style verspricht. Streift man die rhetorische Verpackung ab, stechen handwerkliche Macken und gedankliche Fehler ins Auge:
1. Es war eine Naivität sondergleichen, sich auf die mündliche Zusage des Prinzen von Katar zu verlassen. Die Reise von Habeck in das Morgenland hat außer dem unvorteilhaften Bückling-Bild für die deutschen Stromkunden keine Linderung gebracht. Die Videos, die Habeck von dort gesendet hat („Ich habe in Katar eine neue Energiepartnerschaft auf den Weg gebracht“) wirken heute wie ein Satire-Beitrag.
2. Jahrzehntelang hielten die Grünen das Verursacherprinzip hoch, um es in der Stunde der Regierungsbeteiligung zu verraten. Die 21 Millionen deutschen Gaskunden wurden größtenteils beim Kauf ihrer Neubaugrundstücke zum Gasanschluss gezwungen oder leben in einer Mietwohnung, die vor Jahrzehnten ohne ihr Zutun mit dem Gasnetz verbunden wurde. Sie sind nicht Täter, sondern Opfer. 34 Milliarden Euro will der Minister ihnen abknöpfen.
3. Der ursprüngliche Versuch, diese Umlage durch einen Mehrwertsteueraufschlag zu garnieren und damit für den Staat in eine kassenwirksame Zusatzeinnahme zu verwandeln, war für den Staat lukrativ und für den Bürger dreist. Wer hier an einen Irrtum der Ministerbürokratie glaubt, wie später von Habeck behauptet, der unterschätzt die Präzisionsarbeit des Staates. Wenn der sich auf eines versteht, dann auf die Steuereintreibung, die, um es mit Peter Sloterdijk zu sagen, „die Steuerduldsamkeit der gebenden Seite als Prämisse voraussetzt.“
4. Habecks Idee, dass der Gaskunde seinem Gaslieferanten das Risiko der gestiegenen Weltmarktpreise abnimmt, ist schon als Idee absurd. Nach demselben Strickmuster hätten die Bankkunden in der Finanzkrise mit einem Girokonto-Aufschlag die Finanzinstitute retten müssen. Und in der Griechenland-Krise wäre eine staatliche Gyros-Gebühr plus Ouzo-Umlage fällig gewesen. Der Gyros-Liebhaber und der Ouzo-Trinker aber haben mit der Misswirtschaft in Griechenland so wenig am Hut wie der Gaskunde mit Putins Krieg und der Explosion der Gaspreise. Genau deshalb hat es die Ouzo-Umlage nie gegeben, nicht mal als Idee.
5. Seine Absage an den Weiterbetrieb der drei noch laufenden Kernkraftwerke begründet Robert Habeck mit einer Unwahrheit, die auch dann eine Unwahrheit bleibt, wenn sie von ihm ständig wiederholt wird. „Wir haben ein Gasproblem, kein Stromproblem”, sagt Habeck. Auch in der Variante „Wir haben ein Wärmeproblem, kein Stromproblem", fand der Satz Eingang in das Repertoire des Energieministers und Vizekanzlers.
Beides ist falsch: Denn der Gasmangel verteuert schon heute den Strompreis, weil Gas eben nicht nur im Wärmemarkt eingesetzt wird, sondern auch zur Stromgewinnung. Gehen alle drei AKWs – wie von Habeck gewünscht – zum Jahresende vom Netz, entsteht eine Stromlücke von sechs Prozent des derzeitigen Verbrauchs. Der Bedarf kann durch Sonne und Wind allein nicht gedeckt werden, weshalb erneut das ohnehin zu knappe Gas verstromt werden müsste.
Fazit: Noch verfolgt der brave Bürger die Wortakrobatik des Wirtschaftsministers und den staatlich organisierten Rollgriff in die Taschen der Gaskunden mit stoischer Gelassenheit. Er zahlt und er leidet. Er grummelt, aber er revoltiert nicht. Der Philosoph Peter Sloterdijk hat es geahnt:

"Die Resignation des Bürgers ist die Grundlage solider öffentlicher Finanzen".

Der Wokeness-Wahn, Teil 1 - Strukturell-rassistischer Antirassismus (Cicero+)

Der Wokeness-Wahn, Teil 1
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Strukturell-rassistischer Antirassismus (Cicero+)
Rassismus bedeutete ursprünglich einmal, Unterschiede zwischen Menschengruppen hierarchisch zu bewerten und daraus Nachteile für eine bestimmte Gruppe abzuleiten - was bewusste Absicht voraussetzt. Anhänger der These vom „strukturellen Rassismus“ behaupten hingegen, dass weiße Menschen aufgrund ihrer Sozialisation gar nicht anders können, als Rassisten zu sein - und argumentieren damit selbst rassistisch. Teil 1 einer neuen Cicero-Serie zu den Auswüchsen der woken Ideologie.
VON MATHIAS BRODKORB am 30. August 2022
Man sollte eigentlich meinen, dass nach Jahrzehnten kritischer Rassismusforschung einigermaßen klar sein müsste, was das ist: Rassismus. Aber davon kann keine Rede sein. Grund dafür ist ein Paradigmenwechsel in der kritischen Rassismusforschung, der sich „struktureller Rassismus“ nennt. Dessen Konsequenz soll es angeblich sein, dass nur Weiße nicht nur Rassisten sein können, sondern vielmehr sein müssen, und dass nur Nicht-Weiße deren Opfer sind. Der neueste Schrei der kritischen Antirassisten ist es also, dass sie selbst in rassistischen Kategorien denken – und es nicht einmal bemerken.
 
Vor ein paar Jahrzehnten sah das noch ganz anders aus. Im Jahre 1982 definierte der tunesisch-französische Soziologe Albert Memmi Rassismus in seinem einflussreichen Buch „Le racisme. Description, définition, traitement“ noch als einen Dreischritt: Es gehe beim Rassismus 1.) darum, gruppenbezogene Unterschiede zwischen Menschen zu definieren, 2.) diese Unterschiede im Sinne einer Hierarchie zu bewerten und 3.) aus dieser Bewertung Vorteile für die eigene Gruppe und Nachteile für die anderen abzuleiten.
 
Memmi war fest davon überzeugt, dass alle drei Schritte durchlaufen werden müssen, um überhaupt von „Rassismus“ sprechen zu können. Die bloße Unterscheidung von Menschengruppen anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes jedenfalls zählte er nicht zum Phänomenbereich „Rassismus“: „Das Hervorheben eines wie immer gearteten Unterschieds ist kein Rassismus, selbst dann nicht, wenn dieser Unterschied zweifelhaft ist. Das Hervorkehren eines nicht existierenden Unterschieds ist kein Vergehen, sondern ein Irrtum oder eine Dummheit.“
 
Heute hätte Memmi mit dieser Position schlechte Karten. Dies gilt spätestens seit der 112. Jahrestagung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Jena. Im Jahre 2019 wurde von führenden deutschen Zoologen und Evolutionsforschern die „Jenaer Erklärung“ verabschiedet. Die Botschaft: Das Festhalten an äußeren Unterschieden zwischen Menschengruppen sei nicht eine Voraussetzung des Rassismus, wie noch Memmi behauptete. Es verhalte sich vielmehr genau umgekehrt: Das Konzept der menschlichen „Rassen“ sei als eine Rechtfertigungsideologie das Ergebnis des Rassismus – also der Absicht, andere Menschen für minderwertig zu erklären und sie schlecht zu behandeln. Eine nähere, gar „zoologische“ Begründung hierfür lieferten die Forscher nicht. Wer dennoch am Begriff der Rasse im Sinne äußerer Unterschiede von Menschengruppen festhält, muss dann zwangsläufig des Rassismus bezichtigt werden. Der Rasse-Begriff wäre bloß noch der Rauch, der auf das Feuer namens „Rassismus“ folgt – und es anzeigt.
 
Ohne rassistische Intention kein Rassismus

30 August 2022

Zahlen widersprechen Lauterbach Studie: Mehr Patienten mit Omikron gestorben als an Omikron

Zahlen widersprechen Lauterbach
Studie: Mehr Patienten mit Omikron gestorben als an Omikron
Von Mario Thurnes,29.08.2022
Karl Lauterbach macht mit Totenzahlen Politik. Doch die sind lückenhaft und falsch – wie nun eine Studie am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf zeigt. Demnach wirkt Omikron weniger tödlich, als die Statistik vermuten lässt.  Oder: Jeder zweite Omikron-Tote in der RKI-Statistik starb nicht am Virus.
An Ostern hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach die „absolute Killervariante“ angekündigt. Als selbst politische Freunde öffentlich andeuteten, dass er überzieht, hielt er sich verbal für seine Verhältnisse ein wenig zurück. Doch mit dem nahenden Herbst dreht er wieder so stark auf, dass sogar Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ihm vorwirft, Lauterbach schüre Panik: Der Herbst werde schlimm, wegen Corona, sagt der Gesundheitsminister der Welt. Und: Schon jetzt gebe es in Deutschland zwischen 100 und 150 Corona-Tote pro Tag. Nur stimmt daran so manches nicht.
Sind das Menschen, die an Corona gestorben sind? Oder sind sie an etwas anderem gestorben? Diese Frage beantwortet das Robert-Koch-Institut (RKI) nicht. Immer noch nicht. Nach zweieinhalb Jahren Pandemie. Nach zahllosen Betriebsschließungen, Kontaktverboten, Ausgangssperren, Verweilverboten, Maskenpflicht drinnen und draußen. Nach der Zunahme von psychischen Krankheiten. Nach ausbleibenden Lernerfolgen. Nach noch nicht offiziell ausgewerteten volkswirtschaftlichen Schäden. Nach all dem kann das RKI diese Kernzahl immer noch nicht nennen. Doch sie arbeiteten an einem neuen Melde-System. Das komme bald, verspricht das Institut gegenüber dem Tagesspiegel.
Indes macht Lauterbach weiter mit dem, was Buschmann Panikmachen nennt: Maskenpflicht in Schulen sei nötig, weil man ja nicht wisse, wie sich der Virus auf Kinder auswirke, sagt er der Welt. Beschwört dabei über 100 Corona-Tote jeden Tag. Ohne die einzuordnen. Ohne sie zu hinterfragen. Weil diese Zahl ihm willkommen ist, in seiner Politik, Medikamente und Impfstoffe ohne Rücksicht auf den Bedarf zu bestellen sowie dem Staat die Ermächtigung in die Hand zu geben, Grundrechte auszusetzen. Dabei zeigen offizielle Zahlen, wie wacklig die Argumentation des Ministers ist.
So hat das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) nun auf eigene Faust Sterbezahlen ausgewertet. Die Ergebnisse hat das Klinikum im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht. Demnach sind an der Omikron-Variante deutlich weniger Menschen gestorben als an den Varianten davor. In Eppendorf sei kein Geimpfter an der Omikronvariante gestorben, der keine Risikofaktoren hatte wie etwa stark geschwächte Immunsysteme durch Krebs oder Rheuma. „Das Alter war hingegen kein bestimmender Faktor“, sagt Professor Benjamin Ondruschka, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des UKE.
Die Studie beruht auf den Todesfällen von 227 Patienten, die zwischen März 2020 und April 2022 im Klinikum behandelt worden sind. Davon waren 117 Verstorbene mit dem Wildtyp infiziert, 33 mit der Alphavariante, 38 mit Delta und 39 mit dem Omikron-Subtyp. Bei den Patienten des ersten Typs lagen die Raten derer, die tatsächlich an Covid-19 gestorben sind, noch bei über 80 Prozent. Bei der Omikron-Variante waren es dann laut Klinikum aber nur noch 46 Prozent.
Wir haben „keine eindeutige Datenbasis“, kritisiert Intensivmediziner Michael Albrecht im Tagesspiegel. Er fordert, dass in der Statistik deutlich unterschieden werden müsse, ob Covid-19 bei einem Patienten die Hauptdiagnose war – oder nur eine Nebendiagnose.
So aber macht Lauterbach mit relativen Zahlen Politik. In der Welt sprach er davon, mehr als 100 Menschen würden derzeit mit oder an Covid sterben. Doch dieser Wert traf nur auf die beiden Wochen im Juli zu, als eine Hitzewelle das Land im Griff hatte. Diese Hitzewellen sorgen grundsätzlich für erhöhte Sterberaten, wie das Statistische Bundesamt bereits mehrfach erklärt hat. Ob zu der Zeit vermehrt mit oder an Covid gestorben wurde, ist also fraglich. In Mai und Juni lagen die Sterbefallzahlen sogar unter 50 am Tag. Mit und wegen Covid. Zuletzt waren es wieder unter 100 am Tag.
Das Eppendorf-Klinikum schließt das Alter als Faktor für die Anfälligkeit aus. Doch ein Blick auf die RKI-Zahlen sagt etwas anderes. Demnach sind aktuell nicht mal fünf Prozent der im Zusammenhang mit Covid Verstorbenen jünger als 60 Jahre. Etwa die Hälfte der Betroffenen sind zwischen 80 und 90 Jahre alt. Doch was das bedeutet? Zweieinhalb Jahre Covid und das RKI hält die Zahlen so vage, dass ihr indirekter Chef sie in Interviews jeweils so biegen kann, wie es ihm gerade passt.
 

Corona-Krise - Warum Deutschland nicht das Ende der Pandemie ausruft (Cicero+)

Corona-Krise
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Warum Deutschland nicht das Ende der Pandemie ausruft (Cicero+)
Nachdem die Corona-Notstandsgesetze in den deutschen Nachbarländern wie Dominosteine der Reihe nach gefallen sind, gerät der „Geisterfahrer“ mehr denn je in Erklärungsnot. Mit einer breiten Zustimmung der Bevölkerung zu Zwangsmaßnahmen kann die Bundesregierung spätestens seit dem Regierungsflieger-Eklat nicht mehr rechnen. In Großbritannien entschuldigt man sich schon für den Lockdown, hier bleibt er weiter im Werkzeugkasten. Wie kann das sein?
VON PHILIPP FESS am 30. August 2022
„Emmanuel Macron hat die Pandemie für beendet erklärt“, titelte die Zeit am vergangenen Montag. Die Schlagzeile war gut gewählt und zog wahrscheinlich ganz nach dem Kalkül der Redakteure weite Kreise. Eine wirkliche Nachricht beinhaltete sie für Bürger außerhalb von Deutschland allerdings nicht. Nur im Lande Karl Lauterbachs (SPD), wo der Infektionsschutz weiterhin Maskenpflicht, Ausgangssperren und Kontaktverbote erlaubt, kann eine solche Information wahrscheinlich noch ein paar erstaunte Gesichter und halbwegs ansehnliche Klickzahlen erzeugen.

Von Dänemark und dem „gescheiterten“ Schweden gar nicht zu reden, wird in Frankreich nämlich schon lange das nächste eschatologische Kapitel der Weltgeschichte aufgeschlagen, das nächste Ende verkündet: das des Überflusses. Zwar droht dieses in Deutschland mindestens genauso, historisch bedingt tut man sich hier aber wohl etwas schwerer, sich vom Autoritarismus zu lösen. Das werden zumindest einige unserer Nachbarn denken, die schon beginnen, sich bei den Maßnahmenkritikern zu entschuldigen.

Dabei hätte Deutschland genauso gut unter den Ersten sein können, die den Weltpanikmodus beenden, denn das „Ende der Pandemie“ war letztlich eine politische Entscheidung. Jemand, der in der Corona-Krise schon früh darauf hingewiesen hat und auf einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit (tatsächlichen oder aufgebauschten) Pandemien zurückgreifen kann, ist Peter Doshi.

Einer, auf den man hätte hören sollen

Corona und die Medien - Bravo an die Skeptiker! (Cicero+)

Corona und die Medien
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Bravo an die Skeptiker! (Cicero+)
Der ehemalige Finanzminister der Regierung Boris Johnson, Rishi Sunak, gibt zu, dass die Covid-Politik seines Premiers - inklusive Lockdowns, Panikmache und der Unterdrückung abweichender Meinungen - falsch und verheerend war. Und große Teile der britischen Presse gratulieren Sunak zu seiner Offenheit. Davon scheinen Politik und Medien in Deutschland noch weit entfernt zu sein. Zeit, dass auch unsere Öffentlich-Rechtlichen ihre Corona-Hofberichterstattung einstellen.
VON RALF HANSELLE am 29. August 2022
In Großbritannien ist etwas ins Rutschen geraten: „Bravo an die Skeptiker, die verleumdet und abgewiesen wurden, weil sie es gewagt hatten, die Freiheit zu verteidigen“, titelte da letzten Donnerstag eine der meistverkauften Tageszeitungen auf der Insel mit Hinblick auf die britischen Corona-Maßnahmenkritiker. „Ja, es war einsam“, schreibt ein gewisser Robert Taylor, Autor des konservativen Daily Telegraph, in eben jener altehrwürdigen Tageszeitung, die bereits 1855 das erste Mal gedruckt wurde und die dieser Tage vielleicht für etwas Verwirrung bei ihrer sonst eher gesetzten und traditionellen Leserschaft sorgte.
Doch der Daily Telegraph steht nicht alleine da: In der bereits 70 Jahre älteren Tageszeitung The Times schrieb gestern der Historiker und Jurist Lord Jonathan Sumption: „Nach und nach wird die Wahrheit über den Lockdown zugegeben: Es war eine Katastrophe.“ Und weiter: „Die Abriegelung war eine extreme und noch nie dagewesene Reaktion auf ein uraltes Problem, nämlich die Herausforderung einer Epidemie. Sie war aber auch etwas anderes. Es handelte sich um eines der schwersten Regierungsversagen der Neuzeit.“
Wie gesagt: Derlei Sätze stehen in Großbritannien dieser Tage nicht bei aluhut.co.uk. Sie erscheinen klar und für jeden lesbar in den ältesten Printpublikationen des Königreichs. Wie aber konnten sie dort hingelangen? 
Wir sind am Arsch
Den Stein ins Rollen gebracht hatte wohl der ehemalige Finanzminister Rishi Sunak. Der eifert derzeit nicht nur darum, der nächste britische Premierminister zu werden, er ist auch extrem bemüht, sich von seinem einstigen Dienstherrn Boris Johnson abzusetzen. In einem Interview mit der Zeitschrift The Spectator hatte Sunak, der derzeit in Umfrage gegenüber seiner Konkurrentin Liz Truss zurückgefallen ist, daher auch starke Zweifel an der Covid-Politik des Ex-Premiers geäußert. 
Es sei falsch gewesen, so Sunak gegenüber dem Spectator, Menschen im Angesicht des Virus in Panik zu versetzen. Offen berichtet der ehemalige Finanzminister in dem Interview auch darüber, wie andere Meinungen in Bezug auf die Lockdown-Politik gezielt unterdrückt wurden und wie er selbst von Beamten aus der Johnson-Administration daran gehindert wurde, Alternativen zum harten Kurs zu erörtern. Zudem berichtet er von Wissenschaftlern, die von der Politik zu viel Macht erhalten hätten: „Wenn Sie all diese unabhängigen Menschen ermächtigen, sind Sie am Arsch“, so Sunak wörtlich.
Man mag das für die Anbiederungsstrategie eines politisch Abgehängten an eine desillusionierte Wählerschaft halten. Doch auf der Insel scheint sich der Wind in Sachen Corona seit langem bereits gedreht zu haben – und das in voller Breite. Seit Ex-Premier Boris Johnson im Januar 2022 das Ende aller Maßnahmen verkündet hatte, heißt es für viele einstige Hardliner: Rette sich, wer kann!  Und so ist auch für Liz Truss, Sunaks Konkurrentin im Kampf um das höchste Staatsamt, längst klar, dass sie nie wieder einen Lockdown genehmigen würde, wie Truss vor gut einem Monat versprach. Zudem, so versicherte sie, habe sie als ehemalige Handelsministerin mit den damaligen Lockdown-Entscheidungen nie etwas zu tun gehabt.
Vorauseilender Gehorsam
Noch wäre eine derartige Absetzbewegung für hiesige Politiker und Medien schier unvorstellbar. Doch der Tag ist vielleicht gar nicht mehr fern, an dem auch hierzulande die größten Tages- und Wochenzeitungen, ja selbst die Verantwortlichen bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das Ruder ihrer Corona-Berichterstattung herumreißen werden. Ein Blick nach Großbritannien kann da schnell wie ein Blick in die eigene Zukunft wirken. 
„Bravo an die Skeptiker!“ Vielleicht ist das ja auch in Deutschland bald schon die neue Vertrauens-Kampagne, mit dem manch Verlag oder Rundfunkanstalt um die Gunst von verlorenen Lesern und Zuhörern werben wird. Schaut man etwa nach Kiel, wo in den letzten Tagen ein zuvor kaum vorstellbarer Filz aus Politik und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nach oben geschwappt ist, dann lässt das für die anstehende Aufarbeitung der zurückliegenden Corona-Jahre schlimmstes befürchten. 
Noch geht es in der unterstellten „Hofberichterstattung“ und bei dem „vorauseilendem Gehorsam“, ja der „gezielten Verhinderung negativer Berichte“ von der Mitarbeiter des NDR jüngst ihren Kollegen beim Magazin Stern berichtet haben „nur“ um verhinderte Interviews mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther oder um Interessenkonflikte führender NDR-Journalisten. Schon jetzt aber sprechen Kritiker, wie der EU-Parlamentarier Patrick Breyer (Piratenpartei) von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als „tendenziöse Propagandaabteilung der Regierung“.
Der tiefe Graben
Eine derartige Wortwahl indes konnte man bei vielen Kritikern der Corona-Maßnahmen schon lange vernehmen. Und das vermutlich nicht einmal, weil sie prinzipielle Vorbehalte gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen hätten oder das Duale Rundfunksystem in Frage stellten. Was sie indes immer öfter erkannten, war eine kaum noch zu überbrückende Kluft zwischen ihrer unmittelbaren Lebenswirklichkeit und der panischen Berichterstattung in den Medien. 
Und vor dieser tiefen Kluft standen nicht nur Leser und Zuhörer, sie zeigte sich wohl immer häufiger auch in den Redaktionen selbst. So sorgte im Oktober 2021 der erschöpfte Aufschrei eines ARD-Mitarbeiters namens Ole Skambraks für Furore, der unter der Überschrift „Ich kann nicht mehr“ einen offenen Brief verfasst hatte, in dem er über die fehlende Ausgewogenheit in der Corona-Berichterstattung seines Senders erzählte. Von ähnlichen Erfahrungen berichtete einige Monate später auch die Ex-3Sat-Mitarbeiterin Katrin Seibold.
Doch es waren die falschen Worte zur falschen Zeit. Statt Sorge um die journalistische Unabhängigkeit gab es damals vor allem Spott und Häme. Heute aber, einige Skandale später, sollte man die Berichte von Seibold und Skambraks vielleicht noch einmal hervorholen. Gut möglich nämlich, dass man den Skeptikern von ehedem auch hierzulande bald ein „Bravo“ zurufen wird. Ein Blick nach Großbritannien jedenfalls zeigt, dass alles ins Wanken geraten kann, wenn sich der Wind zu drehen beginnt.

29 August 2022

Systemversagen bei der ARD - Nach Gutsherrenart (Cicero+)

Systemversagen bei der ARD
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Nach Gutsherrenart (Cicero+)
Der Skandal um das Gebaren von RBB-Chefin Patricia Schlesinger hat eine Lawine losgetreten. Der Skandal offenbart ein systemisches Problem der ARD. Die Rundfunk- und Fernsehräte verstehen sich regelmäßig nicht als Kontrolleure, sondern als Vertreter der Chefetage.
VON JENS PETER PAUL am 29. August 2022
Es ist wirklich schwierig. Einerseits müssen die verbliebenen Intendanten der ARD so tun, als drehten sie jetzt, geschockt und zornig angesichts der Meldungen aus Berlin, ebenfalls jeden Stein in ihren Häusern um, um der kleinsten bisher unentdeckten Verfehlung auf die Spur zu kommen. Andererseits halten sie die Luft an und hoffen inniglich, nicht ausgerechnet ihre Anstalt werde diejenige sein, die aus dem regionalen Ereignis des Senders an der Masurenallee jetzt vollends ein systemisches Problem von ARD und ZDF macht

Dass diese vom WDR vorgegebene Strategie funktionieren wird, ist aber schon insofern unwahrscheinlich, als alle Rundfunk- und Fernsehräte so arbeiten wie der des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Die Räte verstehen sich regelmäßig als Vertreter ihres Senders und dessen Chefetage, nicht als Vertreter der Allgemeinheit, also als distanzierte Aufpasser, wie es vom Erfinder des öffentlich-­rechtlichen Systems einst gedacht war. Wagenburg statt Kontrollinstanz, denn es gibt ja immer mehr Kräfte, die den Anstalten den Garaus machen wollen – das ist der gemeinsame Nenner in den Gremien über alle sonstigen Grenzen hinweg. 
Abweichler und Nachfrager stehen dort genauso unter Druck wie in vielen anderen Kontrollinstanzen auch. Unausgesprochen verlangt und auf subtile Weise belohnt werden Gruppendenken, Konformität und Loyalität, mit Isolierung und Nestbeschmutzer-Status bestraft werden Unabhängigkeit und Hartnäckigkeit. Selten wird man erleben, dass ein Mitglied so lange fragt, bis es einen Sachverhalt, ein Problem, eine Vorlage tatsächlich vor einer Entscheidung komplett durchdrungen hat. 

Eine klandestine Veranstaltung

Da geht es den Rundfunk- und Verwaltungsräten wie vielen Abgeordneten der Landtage und des Bundestags: Die komplexe Realität wird in Unterprobleme atomisiert, und Expertise wird delegiert; man verlässt sich auf den Berichterstatter, wie man bei seinem eigenen Thema erwartet, dass die Kollegen sich auf den eigenen Sachverstand stützen. 

Jedes Mal, wenn es – nur ein Beispiel – im Bundestag um das Thema „Euro“ und später um die diversen „Rettungspakete“ für alle möglichen Krisenländer der Währungsunion ging, hieß es im Plenum hinter vorgehaltener Hand, gerade einmal eine Handvoll Parlamentarier kenne sich tatsächlich aus. Alle übrigen verließen sich auf die (gerne drohenden) Empfehlungen ihrer Fraktionsführung. Den Rest besorgte die Fraktionsdisziplin. Entsprechend ahnungslos bis blamabel die Antworten, wenn Abgeordnete vor laufender Kamera erklären sollen, worüber sie da eigentlich gerade abstimmen – und das bei Fragen mit finanziellen Konsequenzen für Deutschland auf viele Jahre und in elf- und zwölfstelliger Höhe. 

Gerät ein Gremium wie der RBB-Verwaltungsrat dann auch noch an eine Figur wie Wolf-Dieter Wolf, Immobilienunternehmer mit dem Spezialwissen, wie man Menschen wahlweise um den Finger wickelt oder kaltstellt, potenziert sich das systemische Problem noch, bis es – wie nun geschehen – ein existenzielles Ausmaß erreicht. Ehemalige und aktuelle Mitglieder des Verwaltungsrats berichten übereinstimmend, wie sie vom Vorsitzenden vom ersten Tag an weder ernst genommen noch angemessen unterrichtet worden seien. Mit Beginn der eigentlichen Sitzungen seien die wichtigen Entscheidungen in klandestinen Vorbesprechungen, in kleiner Runde – gerne im Intendantenzimmer oder sogar außerhalb des Senders – bereits gefallen. „Wenn die dann zusammen in den Sitzungssaal einlaufen mit triumphierendem Gesichtsausdruck, dann verlässt so manchen bereits der Mut, der sich einige Fragen zurechtgelegt hatte“, berichtet eine, die oft dabei war.

„Ein sehr autoritärer Führungsstil. Gutsherrenart.“ 

RBB-Intendantin Dagmar Reim habe solche Arbeitsweisen während ihrer drei Amtszeiten von 2003 bis 2016 eingeführt und Patricia Schlesinger dieses für sie angenehm konfliktarme Verfahren bruchlos übernommen. Ergebnisoffene Debatten waren an der Masurenallee etwas für Anfänger. „Da kommst du dir vor wie ein verlorenes Huhn, wenn du immer dagegenstimmst“, sagt einer, der es wenigstens gelegentlich mit kritischen Nachfragen versuchte, etwa zum Wirtschaftsplan. Aber begriffen, wofür die zuletzt 493 Millionen Euro dann Jahr für Jahr tatsächlich ausgegeben werden, wohin die ganze Gebührenknete floss, habe er selbst ebenfalls nur in seltenen Fällen – trotz Fortbildungen und Nachhilfeunterricht auf eigene Kosten. 

28 August 2022

Neun Monate Ampel-Regierung - Was, wenn das alles genau so gewollt ist? (Cicero+)

Neun Monate Ampel-Regierung
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Was, wenn das alles genau so gewollt ist? (Cicero+)
Nicht eine bestmögliche Lebensqualität ist bei objektiver Betrachtung der zurückliegenden neun Monate das eigentliche Ziel dieser Bundesregierung, sondern im Gegenteil eine zunehmende Reduktion der Lebensqualität. Christian Lindner muss sich endlich fragen, ob er diesem Mord an einer einst blühenden Volkswirtschaft weiterhin Beistand leisten will.
VON JENS PETER PAUL am 28. August 2022
„Wie die Bundesregierung in der Energiepolitik irrlichtert“, überschreibt die grün-linke Süddeutsche Zeitung an diesem Wochenende einen von Fassungslosigkeit geprägten Kommentar zu den Entwicklungen dieser Tage. Am Ende gelingt ihr nach allerlei argumentativen Haarnadelkurven mit letzter Kraft noch die wenigstens für sie selbst beruhigende Diagnose, schuld an dem ganzen Tohuwabo sei irgendwie wohl die FDP, aber Genaueres weiss auch sie nicht. Wüsste sie es, müsste sie vollends resignieren: Der Fehler liegt nicht in dem einen oder anderen liberalen Störfaktor, der der Koalition besseres Regieren erschwere – er liegt im Betriebssystem der Ampel. Auf gestörte, ideologisch verzerrte Wahrnehmung folgt in immer kürzeren Abständen eine unbrauchbare Lösung, die das Problem nicht behebt, sondern verdoppelt.

Selbst simpelste Tatsachen und Daten, errechenbar mit dem kleinen Einmaleins, etwa ein seit Monaten absehbarer Strommangel, müssen bei Olaf Scholz, Robert Habeck und ihrem Kabinett erst durch einen stets scharf gestellten Filter, woraufhin sie um bis zu 180 Grad verdreht und durch Echos und Resonanzen bis zur Unkenntlichkeit verfälscht im Großhirn ankommen. Das aber erweist sich als heillos überfordert, aus einem Wust nunmehr widersprüchlicher, kontrafaktischer und verquerer Informationen eine auch nur halbwegs plausible und realitätstaugliche Schlussfolgerung und Handlungsanweisung zu formulieren.

Es kann passieren, was will – schuld sind am Ende immer andere, wenn etwas nicht funktioniert, nie aber man selbst, weil grundsätzlich nicht sein kann, was nicht sein darf. Sie verstehen nicht, dass eine Lösung, die bereits auf unzutreffenden Grundannahmen beruht, etwa, dass man den Deutschen bis ins Detail erklären müsse, was sie in welcher Situation zu tun haben, niemals funktionieren kann, sondern lediglich immer weitere „Maßnahmen“ und „Pakete“ provoziert, die dann allerdings noch viel weniger funktionieren können. Und wenn sie dann auch noch anfangen, mit ungeeigneten Mitteln irgendetwas „gerechter“ und „solidarischer“ zu machen, ist alles zu spät.   

Gasumlage als Strafsteuer für die blosse Existenz

So kann es vorkommen, dass Kanzler und Vizekanzler drei Tage lang mit grosser Delegation und unbegrenzt Veuve Clicquot ein fernes Land besuchen, das irgendwann Deutschland mit Wasserstoff versorgen soll, obwohl es als zweitgrösstes Land der Erde mit einer Nutzung des Windes noch nicht einmal angefangen hat, vom späteren, maximal energieintensiven Aufwand eines Transports über bis zu 10.000 Kilometer auf Land und See nach Europa zu schweigen. Es ist nicht „Planlosigkeit“ Ursache des Malheurs mit immer neuen „Heizungshilfen, Gaszumutungen, Steuerumschichtungen“, beruhend auf „Rissen in der Koalition“, wie die Süddeutsche vermutet, sondern in Kombination mit den oben beschriebenen Wahrnehmungsverzerrungen ein fundamentales und ein geradezu krankhaftes, aber offensichtlich unheilbares Mißtrauen in den Mit- und Staatsbürger und die Marktwirtschaft an sich.

Bei den Grünen kommt dazu noch die verbreitete Überzeugung (für die Greta Thunberg in New York von Angela Merkel angehimmelt wurde), jeder Mensch an sich sei bereits wegen Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung einer zuviel auf der Erde und im Prinzip ein Irrtum der Geschichte. Sie lieben jeden zusätzlichen Cent etwa in Form einer „Gasumlage“ deswegen abgöttisch, weil sie in ihm eine gerechte und überfällige Strafsteuer erkennen, überhaupt zu existieren und dabei verwöhnt nicht im Kalten und im Dunkeln sitzen zu wollen, am Ende noch in eigenen, dem Zugriff des Staates wenigstens nicht direkt ausgelieferten vier Wänden.

Das ZDF und das I-Wort

Das Einfamilienhaus garantiert in Kombination mit dem eigenen Auto noch ein Minimum an Unabhängigkeit bei der Gestaltung des eigenen Lebens. Deswegen sind den Grünen beide Errungenschaften verhasst, deswegen wollen sie sie rückabwickeln. Eine Familie, die einfach die Tür zum eigenen Grundstück, zum eigenen Garten hinter sich zumachen kann, wenn alles nervt und nichts mehr klappt, ein paar Holzscheite nachlegt, wenn es kalt im Wohnzimmer wird (Feinstaub! Abholzung! Kohlendioxid!), oder sich gar ins Auto setzt und abhaut, wohin sie will, eine Familie, die sich dem Zugriff des Staates ein wenig entzieht und weder dem chronisch unzuverlässigen ÖPNV noch der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft ausliefert und – ganz schlimm – am Ende dank Internet auch noch guckt und hört, was sie will, anstatt sich die für jeden soliden Journalismus verlorene tagesschau reinzuziehen oder ein ZDF, das ernsthaft ab sofort die Benutzung des „I-Wortes“ verbieten will, „da wir rassistisch geprägten Begriffen keine zusätzliche Plattform geben möchten“. Gemeint ist das Wort „Indianer“. Kein Witz. Das meinen die bitterernst.

Die Phase, in der sich selbst Normalverdiener ein Auto und ein Häuschen erarbeiten konnten, ohne geerbt zu haben, begann in Deutschland etwa 1957, also gut ein Jahrzehnt später als in den USA. Im Laufe der 60er folgten die ersten Flugreisen und vielerorts ein Zweitwagen für die Ehefrau. Diese Ära geht nun nach 65 Jahren zu Ende. Die Grünen bedauern das nicht etwa, sondern finden es sogar ziemlich gut, ja eigentlich höchste Zeit. Anders ist der erbitterte Protest dieser Leute gegen jede Überlegung, wie man wenigstens die vom EU-Recht oktroyierte Umsatzsteuer auf die Gasumlage mildern könnte, nicht zu erklären.

Der Bundeskanzler habe sie schon wieder vor vollendete Tatsachen gestellt, konstatierte voller Mitgefühl Der Spiegel. Wutbebend hätten die Grünen erfahren, dass diese neue Zwangsabgabe um ein paar Prozent billiger ausfallen soll als von ihnen verlangt, was die Energieverschwendung natürlich ungemein anheizen werde und – logo – „das ganz falsche Signal aussendet“. Eine völlig irre Debatte. Die Verachtung der eigenen Bevölkerung in Parteien und Qualitätsmedien brach sich an diesem Punkt erneut ungehemmt bahn. Und die SPD steht schweigend dabei, wenn sie solche Verirrungen nicht selbst sogar noch fördert.

Vorbei mit Ehe, Kinder, Auto, Haus, Flugreise

Cancel Culture - Kultur bedeutet kulturelle Aneignung (Cicero+)

Cancel Culture
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Kultur bedeutet kulturelle Aneignung (Cicero+)
Der Vorwurf der kulturellen Aneignung gehört zu den neusten Trends in den ideologischen Wahn-Debatten unserer Zeit. Weißen soll so untersagt werden, Reggae zu spielen und Rastas zu tragen, oder Kindern, sich als Indianer zu verkleiden. Doch das Verbot kultureller Aneignung würde nicht nur zu absurden Konsequenzen führen. Es verkennt vor allem das Wesen der Kultur. 
KOLUMNE: GRAUZONE am 27. August 2022
Vor ein paar Tagen in Zürich in einem übrigens sehr empfehlenswerten links-alternativen Café im Züricher Langstraßenquartier: Der sehr freundliche Besitzer erzählt einem Gast, dass Aktivisten der Roten Fabrik (eine Art Rote Flora Zürichs) einen Freund unmissverständlich aufgefordert hätten, einen Traumfänger aus seinem Laden zu entfernen. So ein Traumfänger sei kulturelle Aneignung. Nur zur Erläuterung: Traumfänger sind ein besonders im links-alternativen Milieu beliebter Raumschmuck, der ursprünglich von den Anishinabe-Indianern stammt. 
Die Anekdote wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn sie nicht verdeutlichen würde, welch groteske Kapriolen der ideologische Wahn mitunter schlägt. Ausgerechnet in der alternativen Linken, wo es nie multikulturell genug zugehen konnte, wo seit seligen Hippiezeiten Accessoires außereuropäischer Kulturen zur Alltagsästhetik gehören, wo man das Räucherstäbchen schätzt, das Batikkleid, Weltmusik und fernöstliche Spiritualität, ausgerechnet dort also propagiert man neuerdings ein kulturelles Reinheitsgebot, demgegenüber die Kulturpolitik des Dritten Reiches das Prädikat weltoffen verdient. Absurder geht es kaum. 
Vom Szenekonflikt in linken Subkulturen in den bürgerlichen Alltag
Vielleicht könnte man das Problem getrost ignorieren, wenn es sich um einen reinen Szenekonflikt in linken Subkulturen handelte. Das aber ist nicht der Fall. Seit geraumer Zeit und mit immer größerer Häufigkeit und Vehemenz taucht der Vorwurf der kulturellen Aneignung auch im bürgerlichen Alltag auf und droht diesen zu vergiften. Was vor Jahren mit Hinweisen von Kindergärten begann, Kinder bitte nicht mehr als Indianer zu verkleiden, da dies rassistische Stereotypen fördere und zudem eine Aneignung der Kultur indigener Völker durch Vertreter weißer Kolonialmächte darstelle, greift mehr und mehr ins Kulturleben ein. Letzter Höhepunkt war der Abbruch eines Konzertes der aus Schweizern bestehenden Reggae-Band „Lauwarm“ in Bern. 
Mehr aus der „Grauzone“:
Unter dem grassierenden ideologischen Unsinn unserer Tage ist der Vorwurf der kulturellen Aneignung der mit Abstand dümmlichste. Würde man ihn wirklich ernst nehmen, unser Leben sähe ziemlich freudlos aus. Tee oder Kaffee trinken, Tabakwaren konsumieren, der Wok in der Küche, das japanische Santoku-Messer, das chinesische Service – all das müsste umgehend verschwinden. Und wie sähe es mit der Ernährung aus? Dürfen Europäer außereuropäische Küche genießen? Darf man noch in ein vietnamesisches Restaurant gehen, ein thailändisches, ein äthiopisches? Muss man vorher überprüfen, ob dort auch wirklich Vietnamesen, Thailänder und Äthiopier am Herd stehen? Und wie halten wir es mit unseren europäischen Kulturen: Italienische Nudeln, spanische Tapas, griechischer Tsatsiki – dürfen all das nur noch Italiener, Spanier oder Griechen herstellen und konsumieren? Und apropos Nudeln: Kamen die nicht ursprünglich aus Asien? Sind die nicht kulturelle Aneignung durch die Italiener? Darf man überhaupt Nudeln essen? Kartoffeln? Tomaten? 
Alle Hochkulturen entstanden durch Austausch mit anderen Kulturen
Doch nicht nur unsere kulinarische Kultur würde einen erheblichen Kahlschlag erleiden, wenn man den Vorwurf der kulturellen Aneignung zu Ende denken würde. Mit welchen Zahlen sollen wir rechnen? Darf man noch einen Pyjama tragen? Sich einen japanischen Druck an die Wand hängen? Schach spielen? Darf es noch weiße Blues-Bands geben? Basiert nicht die gesamte Rockmusik zu Teilen aus afrikanischen Einflüssen? 
Und grundsätzlich gefragt: Ist es überhaupt noch erlaubt, mit anderen Völkern zu handeln? Immerhin bedeutet Handel Austausch von Gütern und damit nolens volens kulturelle Aneignung. Und wie schaut’s mit unserer eigenen Kultur aus? Wollen wir Australiern verbieten, auf dem Oktoberfest bayerische Tracht zu tragen? Oder Japanern, in Tokio ein Oktoberfest samt Bierzelten zu feiern? Man könnte die Liste der Absurditäten beliebig verlängern. 
Doch das Konzept der Vermeidung kulturellen Aneignung hätte, ernsthaft durchgeführt, nicht nur lächerliche Folgen und wäre kaum durchführbar. Vor allem ist es Ausdruck eines unsäglichen und einfältigen Kulturbegriffs. Denn Kultur ist das Produkt kultureller Aneignung. Nur ganz wenige Kulturen auf diesem Planeten waren aufgrund ihrer besonderen geografischen Lage so abgeschottet, dass sie sich nicht mit anderen Kulturen austauschten – und diese Kulturen sind nicht ohne Grund vergleichsweise einfach. 
Alle Hochkulturen der Menschheit entstanden durch den Austausch mit anderen Kulturen, also durch kulturelle Aneignung. Wer kulturelle Aneignung abschaffen möchte, wendet sich somit gegen die Idee der Kultur selbst. Aber vermutlich ist genau das der Sinn der Sache. 

Business Class Edition: Auf ein offenes Wort!

Business Class Edition: 
Auf ein offenes Wort!
In vielen Redaktionen ist es zu einem hohen Maß an Gleichförmigkeit gekommen: Den Mut sich gegen den Geist der Zeit zu stellen, fehlt dem medialen Mainstream. Die Schlesinger-Affäre ist nur ein Ausdruck davon, was in der Medienlandschaft gerade schiefläuft.
In vielen Redaktionen ist es zu einem hohen Maß an Gleichförmigkeit gekommen: Den Mut sich gegen den Geist der Zeit zu stellen, fehlt dem medialen Mainstream. Die Schlesinger-Affäre ist nur ein Ausdruck davon, was in der Medienlandschaft gerade schiefläuft.
Das Verstörende am staatlich kontrollierten Fernsehen sind nicht die Dinge, die berichtet werden. Das Verstörende sind oft die Dinge, die nicht oder nur beiläufig berichtet werden. Manchmal sind es auch nur die Fragen, die ungestellt bleiben.
Als Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei einem der Kandidatenduelle in der ARD sagte, Deutschland sei nicht abhängig vom russischen Gas, blieb diese Falschaussage seitens der Journalisten widerspruchslos. Aus Unkenntnis? Aus Desinteresse? Aus Opportunismus? Man weiß es nicht.
ch erinnere mich zusammen mit dem damaligen ZDF-Intendanten Thomas Bellut und dem Verleger Dieter von Holtzbrinck in der Jury des Georg von Holtzbrinck Journalistenpreises gesessen zu haben, als wir – im Konsens übrigens – die Auszeichnung eines TV-Beitrags erstmals ausfallen ließen. Die Begründung: Die TV-Anstalten hatten keinen wirklich kompetenten Wirtschaftsbeitrag eingereicht. Die Wirtschaftskompetenz im deutschen Fernsehen sei auffällig unterentwickelt.

Das Verstörende: Die Beschäftigten der öffentlich-rechtlichen Sender nehmen diese Kritik seit Längerem schon mit Achselzucken entgegen. Viele sind im Hauptberuf nicht mehr Journalist, sondern Aktivist oder – noch schlimmer – Postenschieber und Spesenritter.

Die ehemalige rbb-Intendantin Patricia Schlesinger – früher eine leidenschaftliche Journalistin – hat die Eigennutz-Optimierung der TV-Funktionäre nicht erfunden, sondern den Stand der Verkommenheit nur illuminiert.

Auch in anderen Sendern haben sich ehemalige Journalisten in diese Richtung entwickelt. Sie nutzen den öffentlich-rechtlichen Auftrag als moralischen Schutzschild für die Optimierung von Privilegien. Die 8,5 Milliarden vom Staat garantierten Einnahmen ermuntern womöglich zu einem derartigen Geschäftsmodell.

Die Selbstkontrolle durch die Fernseh- und Verwaltungsräte funktioniert erkennbar nicht. Und sie tut es schon deshalb nicht, weil man am Rande der Sitzungen versucht, Geschäfte auf Gegenseitigkeit abzuschließen: Aufmerksamkeit gegen Annehmlichkeit. So lautet der Tauschhandel zwischen den dort vertretenen Interessengruppen und den zu beaufsichtigenden TV-Funktionären. Ohne die Recherchen von Business Insider hätte es das höfische Treiben beim rbb (und anderswo?) niemals auf die Tagesordnung einer Gremiensitzung geschafft.

Es ist – und diese Kritik weist über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinaus – in vielen Redaktionen zu einem hohen Maß an Gleichförmigkeit gekommen. Einer Gleichförmigkeit der Karrierewege, der Ideen, des Denkens und schließlich der Texte.

In der Russland-Politik beispielsweise gilt Kritik bis heute als unpatriotisch. Die mittlerweile unbestreitbare Tatsache, dass die Sanktionsregime des Westens nicht nur die russische, sondern in besonderer Weise die deutsche Volkswirtschaft beschädigen, wird nicht wirklich thematisiert. Warum nicht? Der gute Journalist ist doch nicht die fünfte Kolonne der Nato.

Stattdessen rufen fast alle Medien wie in Trance nach „Entlastungspaketen“ des Staates, die in Umfang und Denkungsart mittlerweile einem bedingungslosen Grundeinkommen gleichkommen. Die Marktwirtschaft wird verformt, ohne dass darüber eine Debatte geführt würde. Dabei wäre das von allen Identitätsdebatten die lohnendste.

Es geht ja bei den hier ausgezahlten Geldern erneut um Gelder, die von Kindern, die wir nicht gebären, einzutreiben wären. Wer den Wählern in Spendierlaune zuruft „You will never walk alone“, will keine Ambition auslösen und keine Kraftanstrengung verlangen. Die soziale Ruhe der Gegenwart wird mit dem wirtschaftlichen Abstieg der Zukunft erkauft. Das ist die Zeitenwende, von der keiner spricht.

Nun will man als Heimkehrer aus der Sommerfrische die Ruhe der anderen nicht mutwillig stören und den lieben Kolleginnen und Kollegen auch nicht unnötig auf den Wecker fallen. Aber diese fast obszön zur Schau getragene Unbedarftheit in Wirtschaftsfragen – die schon bei der unter staatlichen Aufsicht erfolgten Verpuffung von Milliarden Anlegergeldern der Wirecard AG auffiel – ist kein Kavaliersdelikt. Nicht für einen kritischen Journalisten.

Die gleichen Kolleginnen und Kollegen, die wegen des falschen Lachens von Armin Laschet in Dauererregung verfielen und aufgrund politisch belangloser Plagiate im Buch von Annalena Baerbock Sonderschichten der Empörung und auch der Verunglimpfung gefahren haben, sind jetzt verstummt.

Sie beherrschen das Politiker-Bingo, wo der eine Kulissenschieber mit dem Finger auf den anderen Kulissenschieber zeigt, aber die ökonomischen Grundrechenarten beherrschen sie nicht. Man will davon ablenken, dass man fachlich den ökonomischen Kern vom Kern der Moderne gar nicht zu packen bekommt.

Lust- und absichtsvoll werden daher die Nebenkriegsschauplätze besucht, weil man selber am Besten weiß, dass zum Betreten der heißen Frontabschnitte zwischen Ökonomie und Politik die schweren Waffen fehlen, um im Terminus des Ukraine-Krieges zu sprechen. Deutlicher noch formuliert: Die meisten Journalisten sind mit leichtem Gepäck unterwegs.

Mittelständler schreibt offenen Brief an das Bundesinnenministerium: Sie haben alles zerstört, was friedvolle, ruhige, stille und leistungsfähige Bürger dieses Landes aufgebaut haben!

Mittelständler schreibt offenen Brief an das Bundesinnenministerium:  
Sie haben alles zerstört, was friedvolle, ruhige, stille und leistungs-fähige Bürger dieses Landes aufgebaut haben! (Jouwatch 26.08.2022)
An unsere Bundesminister und -ministerinnen
Meine gute Erziehung verbietet mir, Sie mit sehr geehrte Damen und Herren Minister anzusprechen, es würde eine Wertschätzung implizieren, die von meiner Seite Ihnen gegenüber geheuchelt und verlogen wäre. Lügen hören wir tagtäglich viel zu viele, daran beteilige ich mich möglichst nicht. Guten Tag möchte ich Ihnen auch nicht wünschen, die guten Tage haben Sie uns komplett verhagelt.

Dennoch möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Sie haben es in kürzester Zeit geschafft, es dem kleinen Mittelstand (exemplarisch seien hier nur genannt: kleinere Handwerksbetriebe, Einzelhändler, Bäckereien, Gastronomen usw.) schier unmöglich zu machen, Ihre katastrophalen Entscheidungen zu „überleben“. Als Unternehmerin eines solchen Betriebes in Berlin, sogar Mischbetrieb aus Einzelhandel und Handwerk, darf ich Ihnen mitteilen, dass Ihre lebensfremden polit- und wirtschaftssuizidalen Beschlüsse auch Sie in Ihrem hochdotierten Kokon treffen werden. Auch wenn Sie sich noch immer für unantastbar halten und Ihr monatliches Schmerzensgeld als sichergestellt betrachten, darf ich Sie darauf hinweisen, dass Sie, ähnlich wie bei Ihrem gesamten politischen Kurs, komplett ohne Navigation und Segel Richtung Bermuda Dreieck treiben. Ich wünsche keinem Menschen etwas schlechtes, keinem! Da jedoch unweigerlich das große Sterben der nicht ganz unerheblichen Steuerzahler aus dem Mittelstand, sowie natürlich dann auch deren Beschäftigter, von Ihnen vorprogrammiert in absehbarer Zeit nicht mehr aufzuhalten sein wird, wünsche ich Ihnen auf diesem Weg viel Freude am Plündern der Sozialkassen, um Ihre monetäre Existenz zu sichern. Ach nee, stopp, die sind ja jetzt schon leer. Blöd jetzt, wir doofen Arbeitnehmer und Arbeitgeber fallen mit zusammen rund 50% des Bruttolohns für die Sozialkassen aus, zusätzlich noch die Steuern, ääähm, könnte eng werden für Sie. Aber vielleicht erhöhen Sie dann einfach nochmal die Mehrwertsteuer, die Abgaben auf Treibstoff und Energie, beim Rest dürfte der Raubzug dann schon langsam schwierig werden. Die, die richtig dolle Kohle haben, sind zu Recht schon steuerflüchtig aus Deutschland. Mit dieser vielzitierten Übergewinnsteuer (Hallo?, was ist eigentlich aus den von uns Steuerzahlern finanzierten Übergewinnen der Pharmaindustrie geworden? Dürfen wir alle dann jetzt weniger Krankenkassenbeiträge zahlen? Ach, ich Dummerchen, die werden ja auch erhöht. Sorry, war echt unqualifiziert die Frage.) haben Sie es ja auch nicht so, ist ja viel leichter bei uns Trotteln zu holen.

Ich kann den Gedankengang auch komplett nachvollziehen. Nehmen wir familiengeführte Unternehmen in x-ter Generation. Die zahlen und zahlen und werden versuchen, weiter zu zahlen. Wer lässt sich schon gerne von völlig ignoranten Schlaumeiern das Lebenswerk zerstören? Da nimmt man lieber einen super tollen KfW-Kredit, von der Regierung als supi angepriesen, auf und lutscht 2 Jahre später am letzten Grashalm, während die Sense nur noch einen Fingerbreit entfernt runtersaust. Also, ein paar Tage bleiben Ihnen noch. Ein paar Tage, an denen ein paar Bekloppte, so wie ich, Ihren zweitgrößten Selbstbedienungsladen der Welt (oder besser der Größte? Ich glaube nicht, dass die KPCh Bediensteten so gut wie Sie besoldet sind!) noch am Laufen halten. Allerdings gebe ich zu, dass ich jeden einzelnen meiner Mitarbeiter für altruistisch halte, da er ähnlich bescheuert ist wie ich und zur Aufrechterhaltung einer nicht finanzierbaren, unethischen und wählerverachtenden Politik beisteuert. Was passiert eigentlich, wenn wir Deppen Ihnen alles vor die Füße schmeißen? Verschlanken Sie dann den Bundestag und verzichten Sie auf einen Teil Ihrer monatlichen Einkünfte? Würde, außer in unseren Geldbeuteln, ja eh nicht auffallen, sitzen sowieso immer nur ein paar Verirrte im Plenum rum. Oder dürfen als erstes die Beamten und Pensionäre auf die monatliche Überweisung warten?

Fällt Ihnen was auf? Es sind nicht die, von Ihnen gerne und in einer Endlosschleife zitierten, Rechtsextremen, die hier delegitimierend (was für eine fürchterliche Begrifflichkeit, die Sie sich zu Eigen gemacht haben) und antidemokratisch agieren. SIE sind es, Sie haben alles zerstört, was friedvolle, ruhige, stille und leistungsfähige Bürger dieses Landes aufgebaut haben und mittlerweile Ihre politischen und egomanischen Aktivitäten viel zu lange über sich haben ergehen lassen. Und deshalb noch einmal, DANKE. Danke, dass Sie uns allen die Augen geöffnet haben. Danke, dass viele denkende Menschen beginnen, in die Selbstverantwortung zu gehen. Danke, dass Sie demnächst einer unrühmlichen Vergangenheit angehören. Danke, dass Sie alles zerstört haben, was Deutschland ausgemacht hat. Danke, dass Sie uns gezeigt haben, wie leicht und einfach es ist, Nachbarn, Familie, Freunde, eine gesamte Gesellschaft zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen. Danke, dass Sie vielen Menschen gezeigt haben, dass SIE völlig überflüssig sind. Danke für nichts, bezogen auf Ihre eigene Leistung zum Wohle des deutschen Volkes. Und danke, dass Sie mit Ihrer verbalen Hetze und inakzeptablen Wortschöpfungen gegen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, Ihre wahre Gesinnung so deutlich gemacht haben.

Ohne Ihrem abgehobenen und völlig lebensfremden Wirken würden viele fleißige Menschen in Deutschland bis heute nicht begriffen haben, in welchem Hamsterrad sie sich bewegen und wie sie sich den blanken Popo wund schubbern, um von Ihnen enteignet und bis aufs letzte Hemd ausgeraubt zu werden. Danke dafür, dass Sie uns so deutlich die Augen geöffnet haben und den zumindest letzten Verbliebenen, die Ihre gegen uns gerichtete Sanktions- und antidemokratische Verbots- und Einschränkungspolitik noch vehement verteidigen, ihren Irrweg nicht deutlicher zeigen können. Danke, dass Sie soviel gequirlten Mist am Stock verzapfen. Auf die Aufarbeitung freue ich mich riesig und genau diese Freude lässt mich jeden Tag stärker werden. Danke!

Ach so. Und falls Sie nun ein gesteigertes Interesse daran haben, bei mir privat oder auch in meinen Geschäften Hausdurchsuchungen oder ähnliche Schikanen durchführen zu wollen. Nur zu. Ich habe Sie weder beleidigt, noch bedroht, noch irgendwen zu Straftaten aufgefordert. Nur wundern würde mich eine entsprechende Vorgehensweise ganz sicher nicht. Unsere Tür steht Ihnen offen. Bitte teilen Sie mir mit, welche Getränke die durchsuchenden Beamten bevorzugen.

Mit den herzlichsten Grüßen in die Zukunft, wie immer diese für Sie auch aussehen mag.

Judith Flora Schneider
-Geschäftsführende Gesellschafterin –

26 August 2022

Business Class Edition: Gasumlage: Habecks Rohrkrepierer

Business Class Edition: 

Gasumlage: Habecks Rohrkrepierer
Guten Morgen,
ein Rohrkrepierer ist laut dem Duden ein Geschoss, das im Rohr krepiert, bevor es die Waffe verlassen hat. Was nicht im Duden steht: Wirtschaftsminister Robert Habeck ist der unglückliche Kanonier, den die Ampel-Koalition in den Schützengraben geschickt hat. Das von seinem Ministerium designte Geschoss fliegt ihm gerade um die Ohren.
Das Geschoß sieht aus wie eine Rechtsverordnung, die ab Oktober alle Gaskunden zu einer Zwangsumlage für die Importeure verpflichten will. Sie gilt als handwerklich miserabel ausgearbeitet, krass unsozial und möglicherweise verfassungswidrig.
Der Reihe nach: Die Regierung will mit der Umlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde, die alle Gaskunden – egal ob Industrie oder Privathaushalte – ab dem 1. Oktober zahlen müssen, einen Rettungsschirm für die Gasimporteure spannen.

Denn der Preis für Gas ist seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine und der Drosselung der russischen Gaslieferungen auf ein Rekordhoch gestiegen, um 225 Prozent legte das niederländische TTF-Gas seit Jahresbeginn zu. Die Importeure können die dramatisch gestiegenen Einkaufspreise nicht an alle Kunden weiterreichen, da die Stadtwerke zum Beispiel langfristige Verträge zu festen Tarifen abgeschlossen haben. Deshalb droht den Importeuren Ungemach. 
Habeck hat neuerdings ein Herz für Gas-Importeure. Er kündigte an, dass ab Oktober die Gasversorger die höheren Importkosten de facto auf die Endverbraucher, also Unternehmen und Privathaushalte, umlegen dürfen.
Knapp 34 Milliarden Euro sollen durch eine Gasumlage beim Gaskunden eingesammelt werden.
Diese Gasumlage sollte der Minister aus fünf Gründen schnell wieder einstampfen lassen.
Erstens: Die Umlage belohnt den Trickreichen. Von den elf Energiefirmen, die nach ersten Schätzungen unterstützt werden sollen, sind die wenigsten auf staatliche Hilfe angewiesen. Sie gelten als betriebswirtschaftlich gesund. Sie handeln mit Gas – aber nicht nur. Sie wissen, wie man Risiken, auch Preisrisiken, managt.
Zweitens: Die Umlage bestraft die kleinen Leute. Sie wird vor allem jenen teuer zu stehen kommen, die als Geringverdiener überproportional viel ihres Haushaltseinkommens für Energie ausgeben müssen.
Die von der Bundesregierung im Gegenzug als Entlastung angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas wird nach Einschätzung von Ökonomen diese Belastung nicht kompensieren.
In seltener Einmütigkeit – von ordoliberal bis links – kritisieren die Wirtschaftswissenschaftler die Habecksche Idee. Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, sagt:

Es ist widersprüchlich, Gaspreise erst durch eine Umlage zu erhöhen und sie dann durch eine Umsatzsteuersenkung wieder zu verbilligen.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, ergänzt:

Die Bundesregierung gibt an, die finanzielle Entlastung durch die geringere Mehrwertsteuer kompensiere die höheren Kosten durch die Gasumlage. Frage: Wieso trägt die Bundesregierung die Gasumlage dann nicht selbst und spart sich viel zusätzlicher Bürokratie und Unsicherheit?

Drittens: Es gibt in Wahrheit keine Mehrheit mehr für diese Umlage. In der Ampel bröckelt die Unterstützung; vor allem in der SPD-Linken rumort es. Die Opposition ist ohnehin längst dagegen. Sie will im Bundestag spätestens Anfang März eine namentliche Abstimmung zur Gasumlage beantragen, um die Ampel unter Druck zu setzen. Die Verordnung kann noch vom Bundestag gestoppt werden. CDU-Fraktionsvize Jens Spahn sagt:

Die Koalition sollte sagen: Sorry, wir haben uns geirrt. Das ist eine Umverteilung von unten nach oben.

Viertens: Die Umlage ist ein Inflationstreiber erster Güte. Sie verteuert die Energie, ohne die Leistung zu verbessern. Genau das beschreibt den Vorgang der Geldentwertung. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Klima-Union, Thomas Heilmann, hat's gemerkt:

Die Umlage ist krass unsozial und sie erzeugt weitere Preissteigerungen.

Fünftens: Verfassungsrechtler halten die Umlage für rechtswidrig, weil sie in bestehende Verträge eingreift und auch jene Unternehmen eine staatliche Zuwendung erhalten, die nicht existenziell gefährdet sind.
Unsere Redaktion sprach gestern mit dem früheren EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Treffender als er kann man das Gesetz nicht zusammenfassen:

Unausgegoren. Ein Schnellschuss. Sollte nachgebessert werden.

Das große Unwohlsein oder: Der Gefühlsterror eifriger Aktivisten (NZZ)

Das große Unwohlsein oder: Der Gefühlsterror eifriger Aktivisten (NZZ)
Gefühle haben eine eigentümliche Macht. Sie sind nicht anfechtbar. Wer das weiß, der kann sie effektvoll einsetzen: zum Abbruch von Konzerten, zur Verbannung von Frisuren, zur Zensur.
Von Benedict Neff,
Was war eigentlich der Grund für den Abbruch beziehungsweise die Absage eines Reggae-Konzertes in Bern und Zürich? In den vergangenen Wochen wurden viele Artikel zum Thema der kulturellen Aneignung publiziert. Das Problem schienen weisse Musiker zu sein, die Rastafrisuren und im Falle der Band Lauwarm afrikanische Gewänder trugen. Ein Wort, das hingegen fast wie selbstverständlich hingenommen wurde, war: Unwohlsein. Sowohl die Veranstalter in Bern als auch in Zürich benutzten es, um ihr Vorgehen zu begründen. Menschen hätten «Unwohlsein mit der Situation» geäussert, schrieb das Konzertlokal in Bern. Der Veranstalter in Zürich betonte: «Wir haben dieses Konzert nicht wegen seiner Rastas abgesagt, sondern wegen des ausgesprochenen Unwohlseins von unseren Mitmenschen.»
Das Wort erinnerte mich an meine Gymnasiumszeit. Wenn ich der Schule ferngeblieben bin ohne triftigen Grund, schrieb ich in mein Absenzenheft: Unwohlsein. Der Klassenlehrer hat unterschrieben, wenn auch misstrauisch. War Unwohlsein ein akzeptabler Grund, um der Schule fernzubleiben? Absolut. Wie hätte sich der Lehrer anmassen können, den Grad des Unwohlseins zu beurteilen? Was wusste er schon davon, wie es mir wirklich ging? Und wollte er sich auf das Gespräch mit einem gereizten Jugendlichen einlassen?
Gefühle machen unantastbar
Unwohlsein ist ein Gefühl, und Gefühle kann man nicht anfechten. Wenn ich sage: «Ich bin traurig», bedarf es keines Beweises. Es wäre verletzend, wenn jemand sagen würde: «Nein, du bist nicht traurig. Das ist keine Trauer, die du fühlst.» Sich auf seine Gefühle zu berufen, macht einen in mancherlei Hinsicht unantastbar, gibt einem Macht. Wer das weiss, der kann die Gefühle effektvoll einsetzen.
Bewusst oder unbewusst haben die Konzertveranstalter auch mit diesem Begriff operiert. Sie haben sich nicht auf komplizierte politische Erörterungen eingelassen. Stattdessen beriefen sie sich auf Gefühle. Nicht einmal auf ihre eigenen, sondern auf die Gefühle von anderen, die sich angeblich beklagt und sich gekränkt gefühlt haben. Das Motiv für den Konzertabbruch ist aus Sicht der Veranstalter: Empathie. Niemand sollte ausgeschlossen, niemand verletzt werden.
Erklärungen dieser Art häufen sich in jüngster Zeit. Manchmal wirkt es fast so, als würden die Pressestellen einander gegenseitig abschreiben. Diese Woche erklärte der Ravensburger Verlag, das Buch «Der junge Häuptling Winnetou» aus dem Programm zu nehmen. Mit den Winnetou-Titeln habe man «die Gefühle anderer verletzt», hieß es.
Die Gefühls-Profis
Die Gefühlsargumentation ist ein Zeitphänomen. Das Gefühl wird zum Massstab des Handelns, vor allem aber müssen schlechte Gefühle verhindert werden. In Buchverlagen wirken Lektoren, die darauf spezialisiert sind, potenziell verletzende Inhalte aufzuspüren – zerknirscht bekannte Ravensburger, dass die «Sensitivity Reader» im Falle von Winnetou versagt hätten.