Folgenlose „Zeitenwende“
Keine internationale Expertise
Wir
sind schlichtweg abgehängt, uns fehlt inzwischen auch in ganz
eklatanter Weise die internationale Expertise. Im August vorigen Jahres
etwa verkündete SPD-Chef Lars Klingbeil
– also jener Mann, der bald schon Vizekanzler und Außenminister in
einer Merz-Regierung sein könnte – so ungeniert wie vollmundig: „Wir
wollen Kamala Harris im Weißen Haus.“ Die amerikanischen Wähler nahmen
auf diesen Wunsch erstaunlicherweise keine Rücksicht und ebneten
stattdessen Donald Trump die Rückkehr an die Macht. Dass der jetzt wenig
Lust verspürt, mit deutschen Sozialdemokraten ins Gespräch zu kommen,
ist durchaus verständlich – zumal er ohnehin am längeren Hebel sitzt.
Emmanuel Macron kann wenigstens noch höchstpersönlich in Trumps Büro
gute Miene zum bösen Spiel machen. Für die Deutschen hingegen
interessiert sich keiner, weil höhere Moral und das gebetsmühlenartige
Beschwören einer regelbasierten internationalen Ordnung in der
Weltpolitik keine Währung sind.
Es war übrigens absehbar, dass alles so kommen würde, wie es jetzt passiert: Donald Trumps zweite Präsidentschaft, die noch disruptiver werden würde als seine erste Amtszeit; eine vom schieren russischen Übergewicht militärisch zermürbte Ukraine. Und daraus folgend drastische Budgetsteigerungen für die deutsche Verteidigungsfähigkeit. Die Konsequenz aus alledem: praktisch null. Stattdessen eine Bundesregierung, die in sophistischer Manier darüber stritt, ob Russland den Krieg verlieren müsse oder ihn nicht gewinnen dürfe – während auf dem Schlachtfeld Tatsachen geschaffen wurden und die Ukrainer „für unsere Werte“ kämpften, wie immer wieder aus dem Auswärtigen Amt heraus verlautbart wurde. Aber den Ukrainern dürfte der Wertekompass des Ministeriums an Berlins Werderschem Markt ziemlich egal gewesen sein, denn ihnen ging es um die Abwehr eines Aggressors, mit dem der Bundeskanzler sich wiederum auch nicht so recht anlegen wollte.
Über den Tisch gezogen
Sollte
das seit drei Jahren andauernde Lavieren von Olaf Scholz irgendeinem
Ziel geschuldet gewesen sein, dann war es jedenfalls vergeblich.
Entschieden wird jetzt nämlich zwischen Washington und Moskau über
Deutschland und seine Interessen hinweg. Wäre Scholz vor einer Woche
nicht ohnehin abgewählt worden, so wäre spätestens diese jüngste
Entwicklung ein weiterer Grund dafür: ein Bundeskanzler, der bei jeder
Gelegenheit stolz verkündet, sein Land wäre der wichtigste Unterstützer
der Ukraine – während sich andere Staaten die Schürfrechte für
ukrainische Bodenschätze sichern. Man muss ganz sicher nicht wie Donald
Trump die Weltpolitik als eine einzige Abfolge von „Deals“ sehen. Aber
wer sich wie Olaf Scholz derart über den Tisch ziehen lässt, dass jetzt
eben Emmanuel Macron auf der anderen Seite des Atlantiks als Stimme
Europas Gehör findet, dem kann man wirklich Versagen auf breiter Front
attestieren.
Ganz zu schweigen von der deutschen Außenministerin, die es für eine gute Idee hielt, den chinesischen Präsidenten Xi Jinping öffentlich als Diktator zu bezeichnen, um hinterher die diplomatischen Scherben stillschweigend von Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt aufsammeln zu lassen. Annalena Baerbock, für die jetzt händeringend eine Anschlussverwendung gesucht wird, hat es trotz ihrer Vielfliegerei nicht vermocht, auf der internationalen Bühne auch nur die geringsten Impulse zu setzen. Sie erweckte zwar stets den gegenteiligen Eindruck – nicht zuletzt, indem sie den Waffenstillstand in Gaza Ende November als Erfolg ihrer eigenen „intensiven Pendeldiplomatie“ zu verkaufen suchte. Aber da ist es ein bisschen so wie bei den Komikern „Siegfried & Joy“, welche originellerweise der grünen Partei nahezustehen scheinen: Die beiden Pseudo-Illusionisten lassen auf völlig durchschaubare Weise immer irgendwelche Personen hinter einem großen goldenen Tuch „verschwinden“. Nur hat der Baerbock’sche Budenzauber eben anders als bei Siegfried und Joy zu keinem Zeitpunkt Anlass zum Schmunzeln gegeben.
Rückkehr zu ernsthafter Diplomatie
Es wird für die nächste Bundesregierung ein hartes Stück Arbeit sein, Deutschland auf der internationalen Bühne wieder Gehör und Respekt zu verschaffen. Friedrich Merz hat genau erkannt, dass außenpolitisch die Dinge auf die völlig falsche Bahn geraten sind, und auch unsere Nachbarn erwarten von uns eine Rückkehr zu ernsthafter Diplomatie. Monatelange Koalitionsverhandlungen ohne außenpolitische Handlungsfähigkeit wären vor diesem Hintergrund fatal, zumal derzeit die Weichen für eine globale Neuordnung gestellt werden – mit der Bundesrepublik als Zaungast. Und selbst wenn es schnell gehen und die Chefposition im Auswärtigen Amt ausnahmsweise kompetent besetzt werden sollte: Den Rückstand holen wir so schnell nicht auf. Aber immer noch besser spät als nie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen