27 Februar 2025

Deutschland im Abseits - Außenpolitik als Budenzauber (Cicero)

Deutschland im Abseits
- Außenpolitik als Budenzauber (Cicero)
Während Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron von Donald Trump im Weißen Haus empfangen wird, spielt Deutschland auf der internationalen Bühne praktisch keine Rolle mehr. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem die Weichen für eine globale Neuordnung gestellt werden.
VON ALEXANDER MARGUIER am 26. Februar 2025, 6 min
Es sind beschämende Bilder, die uns aus Washington erreichen: Emmanuel Macron und Donald Trump beim brüderlichen Handschlag, bei einer freundschaftlich erscheinenden Umarmung, beim entspannten Shakern im Oval Office. Beschämend aus deutscher Sicht ist allerdings nicht der Umstand, dass der französische Präsident auf den „neuen Sheriff“ in Washington so nett und unverkrampft zugeht, wo letzterer doch gerade dabei ist, die Welt entsprechend seiner Machtphantasien neu zu ordnen. Sondern dass hiesige Spitzenpolitiker von einer Audienz beim amerikanischen Staatschef nur träumen können. Großbritanniens Premier Keir Starmer durfte Trump nun auch noch seine Aufwartung machen, wohingegen dessen Stellvertreter J.D. Vance es jüngst nicht für nötig befand, den Bundeskanzler bei der Münchener Sicherheitskonferenz – also auf eigenem Territorium – zu empfangen.
Folgenlose „Zeitenwende“
Die eindeutige Botschaft: Deutschland spielt auf dem internationalen Parkett keine Rolle. Und das ist nicht nur beschämend für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Es ist vielmehr der Ausdruck des Scheiterns deutscher Außenpolitik seit mindestens drei Jahren. Also seit der von Olaf Scholz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine ausgerufenen „Zeitenwende“, der aber eben gerade keine Neujustierung der auswärtigen Beziehungen gefolgt ist. In Erinnerung bleibt Annalena Baerbocks „feministische Außenpolitik“, von der bis heute nicht klar ist, worin genau diese eigentlich bestehen sollte. Und ob es sie über reine Ankündigungen hinaus überhaupt gegeben hat. Sowie ein Telefonat des deutschen Kanzlers mit Wladimir Putin Mitte November vorigen Jahres, welches kein auch nur irgendwie bemerkenswertes Ergebnis hatte – nicht einmal für Scholzens Wahlkampf, was der eigentliche Sinn des Pseudo-Austauschs gewesen sein dürfte. Denn dass der Kanzler zum internationalen Friedensstifter taugt, das glauben nicht einmal eingefleischte Sozialdemokraten.
Wir befinden uns inmitten einer der tiefsten Krisen der internationalen Ordnung seit Ende des Kalten Kriegs: ein aggressives Russland, die Erosion der transatlantischen Beziehungen, ein geopolitisch auftrumpfendes China, und viele Länder des „globalen Südens“, die sich eindeutig wegbewegen vom „alten Westen“. Womit nur einige von vielen Faktoren benannt wären, die den gegenwärtigen Umbruch markieren. Jetzt also ist die Zeit, in der man als selbstbewusste, gestaltungswillige Nation ebenfalls ein paar Pflöcke in den Boden rammen müsste – und sei es nur, um ernstgenommen zu werden und mitreden zu können. Nichts davon ist in Deutschland erkennbar, stattdessen nur die üblichen Ermahnungen, Besorgnisbekundungen und „Verurteilungen“ über die eigenen Staatsgrenzen hinweg. Das galt übrigens schon, bevor Scholz seiner eigenen Ampel-Regierung den Stecker zog und sich damit endgültig ins Nirwana der internationalen Politik beförderte.

Keine internationale Expertise

Wir sind schlichtweg abgehängt, uns fehlt inzwischen auch in ganz eklatanter Weise die internationale Expertise. Im August vorigen Jahres etwa verkündete SPD-Chef Lars Klingbeil – also jener Mann, der bald schon Vizekanzler und Außenminister in einer Merz-Regierung sein könnte – so ungeniert wie vollmundig: „Wir wollen Kamala Harris im Weißen Haus.“ Die amerikanischen Wähler nahmen auf diesen Wunsch erstaunlicherweise keine Rücksicht und ebneten stattdessen Donald Trump die Rückkehr an die Macht. Dass der jetzt wenig Lust verspürt, mit deutschen Sozialdemokraten ins Gespräch zu kommen, ist durchaus verständlich – zumal er ohnehin am längeren Hebel sitzt. Emmanuel Macron kann wenigstens noch höchstpersönlich in Trumps Büro gute Miene zum bösen Spiel machen. Für die Deutschen hingegen interessiert sich keiner, weil höhere Moral und das gebetsmühlenartige Beschwören einer regelbasierten internationalen Ordnung in der Weltpolitik keine Währung sind.

Es war übrigens absehbar, dass alles so kommen würde, wie es jetzt passiert: Donald Trumps zweite Präsidentschaft, die noch disruptiver werden würde als seine erste Amtszeit; eine vom schieren russischen Übergewicht militärisch zermürbte Ukraine. Und daraus folgend drastische Budgetsteigerungen für die deutsche Verteidigungsfähigkeit. Die Konsequenz aus alledem: praktisch null. Stattdessen eine Bundesregierung, die in sophistischer Manier darüber stritt, ob Russland den Krieg verlieren müsse oder ihn nicht gewinnen dürfe – während auf dem Schlachtfeld Tatsachen geschaffen wurden und die Ukrainer „für unsere Werte“ kämpften, wie immer wieder aus dem Auswärtigen Amt heraus verlautbart wurde. Aber den Ukrainern dürfte der Wertekompass des Ministeriums an Berlins Werderschem Markt ziemlich egal gewesen sein, denn ihnen ging es um die Abwehr eines Aggressors, mit dem der Bundeskanzler sich wiederum auch nicht so recht anlegen wollte.

Über den Tisch gezogen

Sollte das seit drei Jahren andauernde Lavieren von Olaf Scholz irgendeinem Ziel geschuldet gewesen sein, dann war es jedenfalls vergeblich. Entschieden wird jetzt nämlich zwischen Washington und Moskau über Deutschland und seine Interessen hinweg. Wäre Scholz vor einer Woche nicht ohnehin abgewählt worden, so wäre spätestens diese jüngste Entwicklung ein weiterer Grund dafür: ein Bundeskanzler, der bei jeder Gelegenheit stolz verkündet, sein Land wäre der wichtigste Unterstützer der Ukraine – während sich andere Staaten die Schürfrechte für ukrainische Bodenschätze sichern. Man muss ganz sicher nicht wie Donald Trump die Weltpolitik als eine einzige Abfolge von „Deals“ sehen. Aber wer sich wie Olaf Scholz derart über den Tisch ziehen lässt, dass jetzt eben Emmanuel Macron auf der anderen Seite des Atlantiks als Stimme Europas Gehör findet, dem kann man wirklich Versagen auf breiter Front attestieren.

Ganz zu schweigen von der deutschen Außenministerin, die es für eine gute Idee hielt, den chinesischen Präsidenten Xi Jinping öffentlich als Diktator zu bezeichnen, um hinterher die diplomatischen Scherben stillschweigend von Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt aufsammeln zu lassen. Annalena Baerbock, für die jetzt händeringend eine Anschlussverwendung gesucht wird, hat es trotz ihrer Vielfliegerei nicht vermocht, auf der internationalen Bühne auch nur die geringsten Impulse zu setzen. Sie erweckte zwar stets den gegenteiligen Eindruck – nicht zuletzt, indem sie den Waffenstillstand in Gaza Ende November als Erfolg ihrer eigenen „intensiven Pendeldiplomatie“ zu verkaufen suchte. Aber da ist es ein bisschen so wie bei den Komikern „Siegfried & Joy“, welche originellerweise der grünen Partei nahezustehen scheinen: Die beiden Pseudo-Illusionisten lassen auf völlig durchschaubare Weise immer irgendwelche Personen hinter einem großen goldenen Tuch „verschwinden“. Nur hat der Baerbock’sche Budenzauber eben anders als bei Siegfried und Joy zu keinem Zeitpunkt Anlass zum Schmunzeln gegeben.

Rückkehr zu ernsthafter Diplomatie

Es wird für die nächste Bundesregierung ein hartes Stück Arbeit sein, Deutschland auf der internationalen Bühne wieder Gehör und Respekt zu verschaffen. Friedrich Merz hat genau erkannt, dass außenpolitisch die Dinge auf die völlig falsche Bahn geraten sind, und auch unsere Nachbarn erwarten von uns eine Rückkehr zu ernsthafter Diplomatie. Monatelange Koalitionsverhandlungen ohne außenpolitische Handlungsfähigkeit wären vor diesem Hintergrund fatal, zumal derzeit die Weichen für eine globale Neuordnung gestellt werden – mit der Bundesrepublik als Zaungast. Und selbst wenn es schnell gehen und die Chefposition im Auswärtigen Amt ausnahmsweise kompetent besetzt werden sollte: Den Rückstand holen wir so schnell nicht auf. Aber immer noch besser spät als nie.

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